Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.französischer Unterstützung abzuschließenden deutschen Südbund wieder neu in Diesseir des Main sieht es kaum anders aus. Die Frage nach der Zukunft französischer Unterstützung abzuschließenden deutschen Südbund wieder neu in Diesseir des Main sieht es kaum anders aus. Die Frage nach der Zukunft <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0407" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191637"/> <p xml:id="ID_1182" prev="#ID_1181"> französischer Unterstützung abzuschließenden deutschen Südbund wieder neu in<lb/> Umlauf gesetzt worden ist, freilich ohne.irgend bemerkenswerthe Unterstützung<lb/> zu finden. Die süddeutsche Demokratie scheint um keinen Preis aus ihrer ne¬<lb/> gativen, grollenden Haltung hervortreten zu können, zu jedem Angebot, das ihr<lb/> gemacht wird, schüttelt sie den Kopf; zu dem mannhaften Entschluß, das Noth¬<lb/> wendige und Unvermeidliche mit Anstand zu thun, vermag man sich nicht emporzu¬<lb/> schwingen, zu dem Experimente einer süddeutschen Sonderexistenz ist man nicht<lb/> beschränkt, zu jenem Kokettiren mit dem französischen Imperialismus, das von<lb/> norddeutschen Particularisten schamlos genug getrieben wird, nicht schlecht genug.<lb/> So lebt man von der Hand in den Mund und erwartet von äußeren Ereignissen<lb/> der Zukunft (die bei ihrem wahren Namen zu nennen man wiederum Scheu<lb/> trägt) die Lösung des Problems, an das selbständig heranzutreten man weder<lb/> Neigung noch Fähigkeit hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1183" next="#ID_1184"> Diesseir des Main sieht es kaum anders aus. Die Frage nach der Zukunft<lb/> des Südens ist zugleich die nach der Zukunft des norddeutschen Bundes und<lb/> wie man drüben nicht weiß, was aus den drei Staaten werden soll, die sich in<lb/> ihrer gegenwärtigen vollen Souveränetät unbehaglicher fühlen, denn je, so ist<lb/> man hüben in Ungewißheit darüber, was werden soll, wenn kein auswärtiges<lb/> Ereigniß aus der Sackgasse herausführt, in welche wir gerathen sind.<lb/> Hier wie dort ist es immer wieder das Verhältniß zu Oestreich, über<lb/> welches man ins Klare kommen muß, ehe man weiter gehen kann. Im<lb/> deutschen Süden kann man sich zu einem vollständigen Bruch mit dem<lb/> Kaiserstaat nicht entschließen, so genau man auch weiß, daß jede Verbindung<lb/> mit demselben unfruchtbar sein wird, wie sie unfruchtbar war — in Nord¬<lb/> deutschland und namentlich in den Kreisen, welche sich um das nationale Banner<lb/> geschaart haben, ist das Verhältniß zu Oestreich eine „offene Frage" d. h.<lb/> niemand weiß, wie dasselbe sich gestalten wird oder auch nur gestalten soll.<lb/> Daß die östreichische Monarchie die Krisis des vorigen Jahrs überstehen werde,<lb/> hatte man nicht erwartet, dieser Factor war nicht in Rechnung gebracht worden<lb/> und seit er wieder da ist, weiß man nicht, was mit ihm angefangen werden<lb/> soll. Diesem Umstände ist es wesentlich zuzuschreiben, daß Herrn v. Beusts aus¬<lb/> wärtige Politik bis zu Salzburg eine schwankende, lediglich abwartende war und<lb/> die starken Plänkeleien der berliner Ofsiciösen haben die Sache eher schlimmer<lb/> als besser gemacht. An preußische oder nur deutsch-patriotische Sympathien<lb/> des wiener Cabinets zu glauben, sind wir die Letzten; nichts desto<lb/> weniger ist es uns unbegreiflich gewesen, warum man dieses Cabinet<lb/> mit kaum verhehlier Absichtlichkeit und doch ohne erkennbaren Zweck durch<lb/> stets neu ausgesprochene Zweifel an der Möglichkeit einer Rettung Oest¬<lb/> reichs verstimmt hat. Mochte in der Hofburg geschehen, was da wollte,<lb/> die preußischen Ofsiciösen und was ihnen anhing wußten zu mäkeln und zu</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0407]
französischer Unterstützung abzuschließenden deutschen Südbund wieder neu in
Umlauf gesetzt worden ist, freilich ohne.irgend bemerkenswerthe Unterstützung
zu finden. Die süddeutsche Demokratie scheint um keinen Preis aus ihrer ne¬
gativen, grollenden Haltung hervortreten zu können, zu jedem Angebot, das ihr
gemacht wird, schüttelt sie den Kopf; zu dem mannhaften Entschluß, das Noth¬
wendige und Unvermeidliche mit Anstand zu thun, vermag man sich nicht emporzu¬
schwingen, zu dem Experimente einer süddeutschen Sonderexistenz ist man nicht
beschränkt, zu jenem Kokettiren mit dem französischen Imperialismus, das von
norddeutschen Particularisten schamlos genug getrieben wird, nicht schlecht genug.
So lebt man von der Hand in den Mund und erwartet von äußeren Ereignissen
der Zukunft (die bei ihrem wahren Namen zu nennen man wiederum Scheu
trägt) die Lösung des Problems, an das selbständig heranzutreten man weder
Neigung noch Fähigkeit hat.
Diesseir des Main sieht es kaum anders aus. Die Frage nach der Zukunft
des Südens ist zugleich die nach der Zukunft des norddeutschen Bundes und
wie man drüben nicht weiß, was aus den drei Staaten werden soll, die sich in
ihrer gegenwärtigen vollen Souveränetät unbehaglicher fühlen, denn je, so ist
man hüben in Ungewißheit darüber, was werden soll, wenn kein auswärtiges
Ereigniß aus der Sackgasse herausführt, in welche wir gerathen sind.
Hier wie dort ist es immer wieder das Verhältniß zu Oestreich, über
welches man ins Klare kommen muß, ehe man weiter gehen kann. Im
deutschen Süden kann man sich zu einem vollständigen Bruch mit dem
Kaiserstaat nicht entschließen, so genau man auch weiß, daß jede Verbindung
mit demselben unfruchtbar sein wird, wie sie unfruchtbar war — in Nord¬
deutschland und namentlich in den Kreisen, welche sich um das nationale Banner
geschaart haben, ist das Verhältniß zu Oestreich eine „offene Frage" d. h.
niemand weiß, wie dasselbe sich gestalten wird oder auch nur gestalten soll.
Daß die östreichische Monarchie die Krisis des vorigen Jahrs überstehen werde,
hatte man nicht erwartet, dieser Factor war nicht in Rechnung gebracht worden
und seit er wieder da ist, weiß man nicht, was mit ihm angefangen werden
soll. Diesem Umstände ist es wesentlich zuzuschreiben, daß Herrn v. Beusts aus¬
wärtige Politik bis zu Salzburg eine schwankende, lediglich abwartende war und
die starken Plänkeleien der berliner Ofsiciösen haben die Sache eher schlimmer
als besser gemacht. An preußische oder nur deutsch-patriotische Sympathien
des wiener Cabinets zu glauben, sind wir die Letzten; nichts desto
weniger ist es uns unbegreiflich gewesen, warum man dieses Cabinet
mit kaum verhehlier Absichtlichkeit und doch ohne erkennbaren Zweck durch
stets neu ausgesprochene Zweifel an der Möglichkeit einer Rettung Oest¬
reichs verstimmt hat. Mochte in der Hofburg geschehen, was da wollte,
die preußischen Ofsiciösen und was ihnen anhing wußten zu mäkeln und zu
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