Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Union, giebt es dort eine gemeinsame Flotte und eine gemeinsame Armee zum Zur Zeit sind die Particulcuisten diesseit und jenseit des Main allerdings Union, giebt es dort eine gemeinsame Flotte und eine gemeinsame Armee zum Zur Zeit sind die Particulcuisten diesseit und jenseit des Main allerdings <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0039" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191269"/> <p xml:id="ID_82" prev="#ID_81"> Union, giebt es dort eine gemeinsame Flotte und eine gemeinsame Armee zum<lb/> Schutze dessen, was man gemeinsam besitzt! Wir find eben keine Amerikaner<lb/> und wollen noch immer nicht glauben, daß polnisch gebildete Stämme auch<lb/> zusammenstehen, wo nur Gründe der Vernunft, nicht Sympathie und Neigung<lb/> zur Einigung rathen. Verglichen mit den Jnteressenverschicdenhciten, die in<lb/> Nordamerika zum Bürgerkriege führten, nehmen sich die Differenzen zwischen<lb/> den deutschen Staaten so kleinlich und kindisch aus, daß jede Weiterführung der<lb/> Parallele unmöglich wird. Hätte sichs um nichts weiter wie um die Rivalität<lb/> zwischen Washington und Baltimore oder um „die berechtigte Eigenthümlichkeit"<lb/> des Südens gehandelt, die Auflösung der Union hätte nicht so viel Wochen ge¬<lb/> dauert, als sie Jahre in Anspruch genommen hat! — Wie uns scheint, muß<lb/> die Erneuerung des Zollverbandes zum Ausgangspunkt für eine Agitation in<lb/> der Militärfrage genommen werden; auf diesem Gebiet sind die Chancen für<lb/> eine nüchterne Behandlung der Dinge immer noch am stärksten, denn daß die<lb/> Zusammenhangslosigkeit der Armeen von Bayern, Würtemberg und Baden nicht<lb/> ewig dauern kann, werden auch diejenigen einzusehen vermögen, denen eS sonst<lb/> um die richtige Einsicht weniger zu thun, als um die Bethätigung traditioneller<lb/> Selbstüberhebung.</p><lb/> <p xml:id="ID_83" next="#ID_84"> Zur Zeit sind die Particulcuisten diesseit und jenseit des Main allerdings<lb/> mit andern Dingen als mit der militärischen Misvre des deutschen Südens<lb/> beschäftigt: ihre Organe feiern die Triumphe der parlamentarischen Beredsam¬<lb/> keit des Freiherrn v. Beust im wiener Reichsrath, sie sonnen sich in der Freude<lb/> über die pester Königskrönung und verkünden laut, ein Staat, der ein so liberales<lb/> Ministerverantwortlichkeitsgesetz besitze, wie der östreichische, der innerhalb<lb/> des eigenen Verbandes decentralifire, sei für die Führung Deutschlands wie<lb/> geschaffen und müsse, früher oder später, in seinen deutschen Beruf wieder ein¬<lb/> gesetzt werden. In Oestreich selbst sieht man die Dinge ernster an; noch sind<lb/> die bereits anerkannten und besiegelten Ansprüche der Ungarn mit den<lb/> Interessen der Gesammtmonarchie und denen Deutschöstreichs nicht in Einklang<lb/> gebracht, noch weiß niemand, wie sich das Verhältniß zu den außerungarischen<lb/> Slawen, vor allem zu den Czechen gestalten werde, deren aus Moskau zurück¬<lb/> gekehrten Führer ungefügiger denn je geworden sind. Daß der Centralisation der<lb/> transleithanischen Länder in der ungarischen Verfassung eine entsprechende Con-<lb/> stituirung der cisleithanischen Gebiete folgen muß, versteht sich von selbst. .So<lb/> wenig die Föderalisten Belcredi und Larisch mit dem Dualismus auszukommen<lb/> vermochten, so unmöglich scheint es aber, daß Herr v. Beust ein Abkommen mit<lb/> den föderalistischen Slawenführern trifft, nachdem er dem von diesen in den Tod<lb/> gehaßten Dualismus zu einem Siege verhelfen, der nicht mehr rückgängig ge¬<lb/> macht werden kann. Während der großdeutsche Unverstand unserer Particula-<lb/> risten den Sieg „der freiheitlichen Entwickelung" in Wien feiert, weiß jeder</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0039]
Union, giebt es dort eine gemeinsame Flotte und eine gemeinsame Armee zum
Schutze dessen, was man gemeinsam besitzt! Wir find eben keine Amerikaner
und wollen noch immer nicht glauben, daß polnisch gebildete Stämme auch
zusammenstehen, wo nur Gründe der Vernunft, nicht Sympathie und Neigung
zur Einigung rathen. Verglichen mit den Jnteressenverschicdenhciten, die in
Nordamerika zum Bürgerkriege führten, nehmen sich die Differenzen zwischen
den deutschen Staaten so kleinlich und kindisch aus, daß jede Weiterführung der
Parallele unmöglich wird. Hätte sichs um nichts weiter wie um die Rivalität
zwischen Washington und Baltimore oder um „die berechtigte Eigenthümlichkeit"
des Südens gehandelt, die Auflösung der Union hätte nicht so viel Wochen ge¬
dauert, als sie Jahre in Anspruch genommen hat! — Wie uns scheint, muß
die Erneuerung des Zollverbandes zum Ausgangspunkt für eine Agitation in
der Militärfrage genommen werden; auf diesem Gebiet sind die Chancen für
eine nüchterne Behandlung der Dinge immer noch am stärksten, denn daß die
Zusammenhangslosigkeit der Armeen von Bayern, Würtemberg und Baden nicht
ewig dauern kann, werden auch diejenigen einzusehen vermögen, denen eS sonst
um die richtige Einsicht weniger zu thun, als um die Bethätigung traditioneller
Selbstüberhebung.
Zur Zeit sind die Particulcuisten diesseit und jenseit des Main allerdings
mit andern Dingen als mit der militärischen Misvre des deutschen Südens
beschäftigt: ihre Organe feiern die Triumphe der parlamentarischen Beredsam¬
keit des Freiherrn v. Beust im wiener Reichsrath, sie sonnen sich in der Freude
über die pester Königskrönung und verkünden laut, ein Staat, der ein so liberales
Ministerverantwortlichkeitsgesetz besitze, wie der östreichische, der innerhalb
des eigenen Verbandes decentralifire, sei für die Führung Deutschlands wie
geschaffen und müsse, früher oder später, in seinen deutschen Beruf wieder ein¬
gesetzt werden. In Oestreich selbst sieht man die Dinge ernster an; noch sind
die bereits anerkannten und besiegelten Ansprüche der Ungarn mit den
Interessen der Gesammtmonarchie und denen Deutschöstreichs nicht in Einklang
gebracht, noch weiß niemand, wie sich das Verhältniß zu den außerungarischen
Slawen, vor allem zu den Czechen gestalten werde, deren aus Moskau zurück¬
gekehrten Führer ungefügiger denn je geworden sind. Daß der Centralisation der
transleithanischen Länder in der ungarischen Verfassung eine entsprechende Con-
stituirung der cisleithanischen Gebiete folgen muß, versteht sich von selbst. .So
wenig die Föderalisten Belcredi und Larisch mit dem Dualismus auszukommen
vermochten, so unmöglich scheint es aber, daß Herr v. Beust ein Abkommen mit
den föderalistischen Slawenführern trifft, nachdem er dem von diesen in den Tod
gehaßten Dualismus zu einem Siege verhelfen, der nicht mehr rückgängig ge¬
macht werden kann. Während der großdeutsche Unverstand unserer Particula-
risten den Sieg „der freiheitlichen Entwickelung" in Wien feiert, weiß jeder
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