Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Feudalpartei" welche es nicht verschmäht hat, von den Gegnern zu lernen und Beim Beginn des Junimonats standen für Preußen und die deutsche Sache Daß der wirthschaftlichen Einigung in Bälde auch die politische folgen müsse, 4*
Feudalpartei» welche es nicht verschmäht hat, von den Gegnern zu lernen und Beim Beginn des Junimonats standen für Preußen und die deutsche Sache Daß der wirthschaftlichen Einigung in Bälde auch die politische folgen müsse, 4*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0037" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191267"/> <p xml:id="ID_78" prev="#ID_77"> Feudalpartei» welche es nicht verschmäht hat, von den Gegnern zu lernen und<lb/> in Bezug auf innere Fragen alle Meinungsverschiedenheit mit entschiedenem<lb/> taktischen Geschick zu verdecken weiß, — sie sind vergeblich, so lange unserer<lb/> Demokratie nicht die praktische Erfahrung zu Hilfe kommt, welche sich nur in<lb/> einer „positiven Position", nimmer in der Opposition gewinnen läßt Die<lb/> schlimmste Wirkung, welche der Verfassungsstrcit hinterlassen, besteht aber darin,<lb/> daß die Opposition, weil ihr jeder Einfluß auf den thatsächlichen Gang der<lb/> Dinge versagt blieb, schließlich aus praktische Erfolge ganz verzichtete, mehr und<lb/> mehr der politischen Wirklichkeit entrückt wurde und schließlich dabei ankam, mit<lb/> Factoren zu rechnen, die gar nicht mehr vorhanden waren. Charakteristisch<lb/> genug ist es, daß man in Deutschland und unter den deutschen Liberalen von<lb/> Realpolitikern wie von einer Species neben andern Gattungen redet, als ob<lb/> eine andere wie die realistische Behandlung der öffentlichen Angelegenheiten ver¬<lb/> nünftigerweise überhaupt möglich wäre!</p><lb/> <p xml:id="ID_79"> Beim Beginn des Junimonats standen für Preußen und die deutsche Sache<lb/> zwei Angelegenheiten von Bedeutung vor der Thür: die Grenzregulirung in<lb/> Nordschleswig und die Zollcinigung mit dem Süden. Bei dem wachsenden<lb/> Selbstvertrauen, welches die Gegner insgesammt seit den luxemburger Con¬<lb/> cessionen zur Schau zu tragen für geboten halten, hat es nicht ausbleiben<lb/> können, daß Dänemark seine Forderungen hinaufschraubte und (wie die „Kreuz-<lb/> zeitung" neulich mittheilte) von Garantien für den Schutz der Nationalität mit¬<lb/> abgetretener deutscher Bezirke und Individuen nichts wissen wollte; so ist diese<lb/> Frage dem Anscheine nach in einer Schwebe geblieben, die noch lange dauern<lb/> kann. Desto rascher und erfreulicher ist die Entscheidung in Sachen der Zoll¬<lb/> einigung mit den Staaten jenseit des Mains ausgetragen worden und das<lb/> Gerede von Bayerns Abneigung gegen ein neues Abkommen und dem even¬<lb/> tuellen Ausscheiden dieses Staats aus dem Zollbunde hat sich in seine Bestand¬<lb/> theile d. h. die frommen Wünsche patriotischer Zeitungsschreiber an der Pleiße,<lb/> dem Lech und der Jsar aufgelöst. Wohl wird behauptet, der Zutritt des Ca-<lb/> binets Hohenlohe zu den zustimmenden Unterschriften Würtembergs und Badens<lb/> sei nur durch die Entschiedenheit des Münchener Premiers, der mit Rücktritt<lb/> gedroht, erzwungen worden — wahrscheinlicher ist es, daß einfach die wirth-<lb/> schaftliche Vernunft über einen Patriotismus obgesiegt hat, dessen Zuverlässig¬<lb/> keit und Opferbereitschast bei Geldfragen genau an demselben Punkt aufhört,<lb/> Wie die Gemüthlichkeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_80" next="#ID_81"> Daß der wirthschaftlichen Einigung in Bälde auch die politische folgen müsse,<lb/> ist eine landläufige Phrase, die von denen am häusigsten wiederholt wird, die<lb/> sich mit der Herstellung der Einigkeit am wenigsten befassen; eine relative Wahr¬<lb/> heit wohnt ihr aber doch inne. Abgesehen von der günstigen Gelegenheit zur<lb/> Annäherung und zum Meinungsaustausch, welche die Delegirtenconserenz</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 4*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0037]
Feudalpartei» welche es nicht verschmäht hat, von den Gegnern zu lernen und
in Bezug auf innere Fragen alle Meinungsverschiedenheit mit entschiedenem
taktischen Geschick zu verdecken weiß, — sie sind vergeblich, so lange unserer
Demokratie nicht die praktische Erfahrung zu Hilfe kommt, welche sich nur in
einer „positiven Position", nimmer in der Opposition gewinnen läßt Die
schlimmste Wirkung, welche der Verfassungsstrcit hinterlassen, besteht aber darin,
daß die Opposition, weil ihr jeder Einfluß auf den thatsächlichen Gang der
Dinge versagt blieb, schließlich aus praktische Erfolge ganz verzichtete, mehr und
mehr der politischen Wirklichkeit entrückt wurde und schließlich dabei ankam, mit
Factoren zu rechnen, die gar nicht mehr vorhanden waren. Charakteristisch
genug ist es, daß man in Deutschland und unter den deutschen Liberalen von
Realpolitikern wie von einer Species neben andern Gattungen redet, als ob
eine andere wie die realistische Behandlung der öffentlichen Angelegenheiten ver¬
nünftigerweise überhaupt möglich wäre!
Beim Beginn des Junimonats standen für Preußen und die deutsche Sache
zwei Angelegenheiten von Bedeutung vor der Thür: die Grenzregulirung in
Nordschleswig und die Zollcinigung mit dem Süden. Bei dem wachsenden
Selbstvertrauen, welches die Gegner insgesammt seit den luxemburger Con¬
cessionen zur Schau zu tragen für geboten halten, hat es nicht ausbleiben
können, daß Dänemark seine Forderungen hinaufschraubte und (wie die „Kreuz-
zeitung" neulich mittheilte) von Garantien für den Schutz der Nationalität mit¬
abgetretener deutscher Bezirke und Individuen nichts wissen wollte; so ist diese
Frage dem Anscheine nach in einer Schwebe geblieben, die noch lange dauern
kann. Desto rascher und erfreulicher ist die Entscheidung in Sachen der Zoll¬
einigung mit den Staaten jenseit des Mains ausgetragen worden und das
Gerede von Bayerns Abneigung gegen ein neues Abkommen und dem even¬
tuellen Ausscheiden dieses Staats aus dem Zollbunde hat sich in seine Bestand¬
theile d. h. die frommen Wünsche patriotischer Zeitungsschreiber an der Pleiße,
dem Lech und der Jsar aufgelöst. Wohl wird behauptet, der Zutritt des Ca-
binets Hohenlohe zu den zustimmenden Unterschriften Würtembergs und Badens
sei nur durch die Entschiedenheit des Münchener Premiers, der mit Rücktritt
gedroht, erzwungen worden — wahrscheinlicher ist es, daß einfach die wirth-
schaftliche Vernunft über einen Patriotismus obgesiegt hat, dessen Zuverlässig¬
keit und Opferbereitschast bei Geldfragen genau an demselben Punkt aufhört,
Wie die Gemüthlichkeit.
Daß der wirthschaftlichen Einigung in Bälde auch die politische folgen müsse,
ist eine landläufige Phrase, die von denen am häusigsten wiederholt wird, die
sich mit der Herstellung der Einigkeit am wenigsten befassen; eine relative Wahr¬
heit wohnt ihr aber doch inne. Abgesehen von der günstigen Gelegenheit zur
Annäherung und zum Meinungsaustausch, welche die Delegirtenconserenz
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