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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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gegen Preußen verbündeten Staaten, so wird man nicht bezweifeln können, daß
unter der Voraussetzung der Rückgabe der erbeuteten Materialien eine Kriegs¬
kostenentschädigung von 12 Millionen noch verhältnißmäßig sehr niedrig gegriffen
wäre. Die Verzinsung dieses Capitals mit 5 Procent würde jährlich noch
600,000 Thlr. erfordert haben; mit obiger Summe zusammen würde sich danach
die Mehrausgabe schon auf 2,277,300 Thaler beziffern; oder auf über
1,200,000 Thaler mehr, als das Land jetzt infolge der Einver¬
leibung neu aufzubringen hat.

Dazu aber würde Hannover selbstredend infolge der Bundesverfassung,
nach welcher die sämmtlichen Einnahmen aus den Zöllen in die Bundeskasse
fließen, einen erheblichen Nachtheil dadurch gehabt haben, daß das bisher in
Rücksicht auf seine größere Consumtion aus den Zollvereinseinnahmen ihm
gebührende sogenannte Präcipuum, welches laut Budget pro 1863/66 aus
1,255,993 Thlr. veranschlagt war, ihm nicht serner zu Gute gekommen wäre,
wodurch also ein aus andere Weise zu denkender Ausfall von weit über einer
Million entstanden wäre.

Von allen weiteren geringfügigen Nachtheilen in finanzieller Hinsicht
sehen wir hier ab; das aber wird angesichts der angeführten Zahlen uns nie¬
mand bestreiten können, daß Hannover, falls es als selbständiger Staat wieder
hergestellt wäre, im günstigsten Falle auch dem gegenüber, was es jetzt gegen
früher mehr aufzubringen hat, mindestens 2 bis 3 Millionen mehr jährlich
hätte tragen müssen, und daß dabei von einer gedeihlichen inneren Entwickelung,
namentlich von Verwendung irgend namhafter Summen für Zwecke der Lan¬
descultur, Wegbau u. nicht hätte die Rede sein können, liegt auf der Hand;
der Wohlstand d?s Landes würde sich deshalb schwerlich gehoben haben und
das blühende Land wäre einem Loose verfallen, das sich diejenigen sicher nicht
klar machen, die noch immer die ungereimten Klagen über Schädigung der ma¬
teriellen Landeswohlsahrt durch die Einverleibung in Preußen erschallen lassen.

Auch wir gehören nicht zu den unbedingten Verehrern jeder Maßregel der
neuen Regierung; auch wir hätten die Justizgesetzgebung lieber bis zur Ver¬
einbarung mit den Kammern verschoben gesehen; auch wir hätten es principiell
für richtiger gehalten, die neuen Steuern erst vom 1. October an einzuführen,
von wo an wir erst die vollen Rechte des preußischen Staatsbürgers erhalten;
denn Rechte und Pflichten müssen sich decken; aber ein Anderes ist es, einzelne
Maßnahmen der Negierung tadeln und sich auflehnen gegen die ganze neue
Ordnung der Dinge. Wer sich voll und ohne Rückhalt auf den Boden der
Thatsachen stellt und sich mit ganzem Herzen der neuen Staatsgemeinschaft
hingiebt und nur ehrlich strebt, daran mit fortzubauen nach besten Kräften, dem
wird niemand ein ernstes wohlgemeintes Tadelwort wider die Regierung ver¬
argen; aber mit innerer Feindschaft gegen Preußen hämisch und schadenfroh


gegen Preußen verbündeten Staaten, so wird man nicht bezweifeln können, daß
unter der Voraussetzung der Rückgabe der erbeuteten Materialien eine Kriegs¬
kostenentschädigung von 12 Millionen noch verhältnißmäßig sehr niedrig gegriffen
wäre. Die Verzinsung dieses Capitals mit 5 Procent würde jährlich noch
600,000 Thlr. erfordert haben; mit obiger Summe zusammen würde sich danach
die Mehrausgabe schon auf 2,277,300 Thaler beziffern; oder auf über
1,200,000 Thaler mehr, als das Land jetzt infolge der Einver¬
leibung neu aufzubringen hat.

Dazu aber würde Hannover selbstredend infolge der Bundesverfassung,
nach welcher die sämmtlichen Einnahmen aus den Zöllen in die Bundeskasse
fließen, einen erheblichen Nachtheil dadurch gehabt haben, daß das bisher in
Rücksicht auf seine größere Consumtion aus den Zollvereinseinnahmen ihm
gebührende sogenannte Präcipuum, welches laut Budget pro 1863/66 aus
1,255,993 Thlr. veranschlagt war, ihm nicht serner zu Gute gekommen wäre,
wodurch also ein aus andere Weise zu denkender Ausfall von weit über einer
Million entstanden wäre.

Von allen weiteren geringfügigen Nachtheilen in finanzieller Hinsicht
sehen wir hier ab; das aber wird angesichts der angeführten Zahlen uns nie¬
mand bestreiten können, daß Hannover, falls es als selbständiger Staat wieder
hergestellt wäre, im günstigsten Falle auch dem gegenüber, was es jetzt gegen
früher mehr aufzubringen hat, mindestens 2 bis 3 Millionen mehr jährlich
hätte tragen müssen, und daß dabei von einer gedeihlichen inneren Entwickelung,
namentlich von Verwendung irgend namhafter Summen für Zwecke der Lan¬
descultur, Wegbau u. nicht hätte die Rede sein können, liegt auf der Hand;
der Wohlstand d?s Landes würde sich deshalb schwerlich gehoben haben und
das blühende Land wäre einem Loose verfallen, das sich diejenigen sicher nicht
klar machen, die noch immer die ungereimten Klagen über Schädigung der ma¬
teriellen Landeswohlsahrt durch die Einverleibung in Preußen erschallen lassen.

Auch wir gehören nicht zu den unbedingten Verehrern jeder Maßregel der
neuen Regierung; auch wir hätten die Justizgesetzgebung lieber bis zur Ver¬
einbarung mit den Kammern verschoben gesehen; auch wir hätten es principiell
für richtiger gehalten, die neuen Steuern erst vom 1. October an einzuführen,
von wo an wir erst die vollen Rechte des preußischen Staatsbürgers erhalten;
denn Rechte und Pflichten müssen sich decken; aber ein Anderes ist es, einzelne
Maßnahmen der Negierung tadeln und sich auflehnen gegen die ganze neue
Ordnung der Dinge. Wer sich voll und ohne Rückhalt auf den Boden der
Thatsachen stellt und sich mit ganzem Herzen der neuen Staatsgemeinschaft
hingiebt und nur ehrlich strebt, daran mit fortzubauen nach besten Kräften, dem
wird niemand ein ernstes wohlgemeintes Tadelwort wider die Regierung ver¬
argen; aber mit innerer Feindschaft gegen Preußen hämisch und schadenfroh


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[0366] gegen Preußen verbündeten Staaten, so wird man nicht bezweifeln können, daß unter der Voraussetzung der Rückgabe der erbeuteten Materialien eine Kriegs¬ kostenentschädigung von 12 Millionen noch verhältnißmäßig sehr niedrig gegriffen wäre. Die Verzinsung dieses Capitals mit 5 Procent würde jährlich noch 600,000 Thlr. erfordert haben; mit obiger Summe zusammen würde sich danach die Mehrausgabe schon auf 2,277,300 Thaler beziffern; oder auf über 1,200,000 Thaler mehr, als das Land jetzt infolge der Einver¬ leibung neu aufzubringen hat. Dazu aber würde Hannover selbstredend infolge der Bundesverfassung, nach welcher die sämmtlichen Einnahmen aus den Zöllen in die Bundeskasse fließen, einen erheblichen Nachtheil dadurch gehabt haben, daß das bisher in Rücksicht auf seine größere Consumtion aus den Zollvereinseinnahmen ihm gebührende sogenannte Präcipuum, welches laut Budget pro 1863/66 aus 1,255,993 Thlr. veranschlagt war, ihm nicht serner zu Gute gekommen wäre, wodurch also ein aus andere Weise zu denkender Ausfall von weit über einer Million entstanden wäre. Von allen weiteren geringfügigen Nachtheilen in finanzieller Hinsicht sehen wir hier ab; das aber wird angesichts der angeführten Zahlen uns nie¬ mand bestreiten können, daß Hannover, falls es als selbständiger Staat wieder hergestellt wäre, im günstigsten Falle auch dem gegenüber, was es jetzt gegen früher mehr aufzubringen hat, mindestens 2 bis 3 Millionen mehr jährlich hätte tragen müssen, und daß dabei von einer gedeihlichen inneren Entwickelung, namentlich von Verwendung irgend namhafter Summen für Zwecke der Lan¬ descultur, Wegbau u. nicht hätte die Rede sein können, liegt auf der Hand; der Wohlstand d?s Landes würde sich deshalb schwerlich gehoben haben und das blühende Land wäre einem Loose verfallen, das sich diejenigen sicher nicht klar machen, die noch immer die ungereimten Klagen über Schädigung der ma¬ teriellen Landeswohlsahrt durch die Einverleibung in Preußen erschallen lassen. Auch wir gehören nicht zu den unbedingten Verehrern jeder Maßregel der neuen Regierung; auch wir hätten die Justizgesetzgebung lieber bis zur Ver¬ einbarung mit den Kammern verschoben gesehen; auch wir hätten es principiell für richtiger gehalten, die neuen Steuern erst vom 1. October an einzuführen, von wo an wir erst die vollen Rechte des preußischen Staatsbürgers erhalten; denn Rechte und Pflichten müssen sich decken; aber ein Anderes ist es, einzelne Maßnahmen der Negierung tadeln und sich auflehnen gegen die ganze neue Ordnung der Dinge. Wer sich voll und ohne Rückhalt auf den Boden der Thatsachen stellt und sich mit ganzem Herzen der neuen Staatsgemeinschaft hingiebt und nur ehrlich strebt, daran mit fortzubauen nach besten Kräften, dem wird niemand ein ernstes wohlgemeintes Tadelwort wider die Regierung ver¬ argen; aber mit innerer Feindschaft gegen Preußen hämisch und schadenfroh

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/366>, abgerufen am 15.01.2025.