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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Polnischer Monatsbericht.

Nachdem das Herz Europas anderthalb Jahre lang die Aufmerksamkeit der
europäischen Politiker ausschließlich auf sich gelenkt, die luxcmburger Frage im
vorigen Monate Aller Augen auf das berliner Cabinet geheftet hatte, haben
die letzten vier Wochen die Hauptstädte des äußersten Westens und des Ostens,
Paris und Moskau, zu Centren des Interesses gemacht. Während die fran¬
zösische Hauptstadt -- das Zifferblatt des Welttheils, wie man vor dreißig
Jahren sagte, -- die Fürsten und Staatsmänner der gegenwärtigen europäischen
Ordnung versammelte, feierten die Stämme des jungfräulichen Ostens an der
Moskwa ein Verbrüderungsscst, das der Ausrichtung einer Weltherrschaft der
Zukunft galt oder gelten sollte. An beiden Orten scheinen positive Resultate
von Bedeutung nicht erreicht worden zu sein und das Treiben der journalistischen
Kärrner, die es mit einem neuen Bau der Könige zu thun zu haben meinten,
kann für vergebliche Arbeit gelten. Eine Einigung in Sachen des Orients ist
nicht erzielt worden und die freundlichen Beziehungen, welche zwischen Preußen
und Frankreich gesponnen worden, erinnern an die Gespinnste der Penelope,
welche Tags gewirkt und Nachts wieder aufgetrennt wurden. Vor der Hand
hat der preußische Besuch in den Tuilerien allerdings eine freundlichere Sprache
der pariser Presse zur Folge gehabt; Herr Forcade, dessen LlrroiMue ac 1a
sMinairw dem Grafen Bismarck noch am 2. Juni zurief, er solle Dänemarks
Forderungen an Nordschleswig gerecht werden, wenn er in Frankreich freund¬
liche Gesichter sehen wolle, constatirt vierzehn Tage später, Preußen und
Frankreich könnten Frieden halten, da sie nichts von einander zu gewinnen oder
zu verlieren hätten und bezeichnet die Forderungen eines Arrangements wegen
der ehemaligen Bundesfestungen als Ansprüche, von denen man zur Zeit keinen
Gebrauch machen wolle. -- Die officiellen und officiösen Blätter sprechen sich
gleichfalls ziemlich befriedigt aus, der Ton aber, in welchem geredet wird, be¬
zeichnet deutlich, daß die Verstimmung wegen der Neugestaltung Deutschlands
nur zum Schweigen gebracht, nicht beseitigt ist. Da Preußen durch seine Nach¬
giebigkeit in der luxemburger Angelegenheit Concessionen, die sonst nicht un¬
denkbar gewesen wären, aus dem Bereich des Möglichen gestrichen hat, leben
wir in Bezug aus auswärtige Verwickelungen in demselben Provisorium, wie
vor vier Monaten.

Die Parteien innerhalb Landes thun allerdings, als ob die auswärtigen


Grenzboten III. 1867. 4
Polnischer Monatsbericht.

Nachdem das Herz Europas anderthalb Jahre lang die Aufmerksamkeit der
europäischen Politiker ausschließlich auf sich gelenkt, die luxcmburger Frage im
vorigen Monate Aller Augen auf das berliner Cabinet geheftet hatte, haben
die letzten vier Wochen die Hauptstädte des äußersten Westens und des Ostens,
Paris und Moskau, zu Centren des Interesses gemacht. Während die fran¬
zösische Hauptstadt — das Zifferblatt des Welttheils, wie man vor dreißig
Jahren sagte, — die Fürsten und Staatsmänner der gegenwärtigen europäischen
Ordnung versammelte, feierten die Stämme des jungfräulichen Ostens an der
Moskwa ein Verbrüderungsscst, das der Ausrichtung einer Weltherrschaft der
Zukunft galt oder gelten sollte. An beiden Orten scheinen positive Resultate
von Bedeutung nicht erreicht worden zu sein und das Treiben der journalistischen
Kärrner, die es mit einem neuen Bau der Könige zu thun zu haben meinten,
kann für vergebliche Arbeit gelten. Eine Einigung in Sachen des Orients ist
nicht erzielt worden und die freundlichen Beziehungen, welche zwischen Preußen
und Frankreich gesponnen worden, erinnern an die Gespinnste der Penelope,
welche Tags gewirkt und Nachts wieder aufgetrennt wurden. Vor der Hand
hat der preußische Besuch in den Tuilerien allerdings eine freundlichere Sprache
der pariser Presse zur Folge gehabt; Herr Forcade, dessen LlrroiMue ac 1a
sMinairw dem Grafen Bismarck noch am 2. Juni zurief, er solle Dänemarks
Forderungen an Nordschleswig gerecht werden, wenn er in Frankreich freund¬
liche Gesichter sehen wolle, constatirt vierzehn Tage später, Preußen und
Frankreich könnten Frieden halten, da sie nichts von einander zu gewinnen oder
zu verlieren hätten und bezeichnet die Forderungen eines Arrangements wegen
der ehemaligen Bundesfestungen als Ansprüche, von denen man zur Zeit keinen
Gebrauch machen wolle. — Die officiellen und officiösen Blätter sprechen sich
gleichfalls ziemlich befriedigt aus, der Ton aber, in welchem geredet wird, be¬
zeichnet deutlich, daß die Verstimmung wegen der Neugestaltung Deutschlands
nur zum Schweigen gebracht, nicht beseitigt ist. Da Preußen durch seine Nach¬
giebigkeit in der luxemburger Angelegenheit Concessionen, die sonst nicht un¬
denkbar gewesen wären, aus dem Bereich des Möglichen gestrichen hat, leben
wir in Bezug aus auswärtige Verwickelungen in demselben Provisorium, wie
vor vier Monaten.

Die Parteien innerhalb Landes thun allerdings, als ob die auswärtigen


Grenzboten III. 1867. 4
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[0035] Polnischer Monatsbericht. Nachdem das Herz Europas anderthalb Jahre lang die Aufmerksamkeit der europäischen Politiker ausschließlich auf sich gelenkt, die luxcmburger Frage im vorigen Monate Aller Augen auf das berliner Cabinet geheftet hatte, haben die letzten vier Wochen die Hauptstädte des äußersten Westens und des Ostens, Paris und Moskau, zu Centren des Interesses gemacht. Während die fran¬ zösische Hauptstadt — das Zifferblatt des Welttheils, wie man vor dreißig Jahren sagte, — die Fürsten und Staatsmänner der gegenwärtigen europäischen Ordnung versammelte, feierten die Stämme des jungfräulichen Ostens an der Moskwa ein Verbrüderungsscst, das der Ausrichtung einer Weltherrschaft der Zukunft galt oder gelten sollte. An beiden Orten scheinen positive Resultate von Bedeutung nicht erreicht worden zu sein und das Treiben der journalistischen Kärrner, die es mit einem neuen Bau der Könige zu thun zu haben meinten, kann für vergebliche Arbeit gelten. Eine Einigung in Sachen des Orients ist nicht erzielt worden und die freundlichen Beziehungen, welche zwischen Preußen und Frankreich gesponnen worden, erinnern an die Gespinnste der Penelope, welche Tags gewirkt und Nachts wieder aufgetrennt wurden. Vor der Hand hat der preußische Besuch in den Tuilerien allerdings eine freundlichere Sprache der pariser Presse zur Folge gehabt; Herr Forcade, dessen LlrroiMue ac 1a sMinairw dem Grafen Bismarck noch am 2. Juni zurief, er solle Dänemarks Forderungen an Nordschleswig gerecht werden, wenn er in Frankreich freund¬ liche Gesichter sehen wolle, constatirt vierzehn Tage später, Preußen und Frankreich könnten Frieden halten, da sie nichts von einander zu gewinnen oder zu verlieren hätten und bezeichnet die Forderungen eines Arrangements wegen der ehemaligen Bundesfestungen als Ansprüche, von denen man zur Zeit keinen Gebrauch machen wolle. — Die officiellen und officiösen Blätter sprechen sich gleichfalls ziemlich befriedigt aus, der Ton aber, in welchem geredet wird, be¬ zeichnet deutlich, daß die Verstimmung wegen der Neugestaltung Deutschlands nur zum Schweigen gebracht, nicht beseitigt ist. Da Preußen durch seine Nach¬ giebigkeit in der luxemburger Angelegenheit Concessionen, die sonst nicht un¬ denkbar gewesen wären, aus dem Bereich des Möglichen gestrichen hat, leben wir in Bezug aus auswärtige Verwickelungen in demselben Provisorium, wie vor vier Monaten. Die Parteien innerhalb Landes thun allerdings, als ob die auswärtigen Grenzboten III. 1867. 4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/35>, abgerufen am 15.01.2025.