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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Diskussionen über die auswärtige Lage, die Zustände Irlands, die Mißstände
der Communalverwaltung und das Loos der andauerten Classen mit einander
parallel laufen, wird die Aufmerksamkeit des Lesers getheilt und verwirrt, ver¬
liert dieser tue Möglichkeit eines fortlaufenden Verständnisses der einzelnen Ent¬
wickelungsphasen und des eigenen selbständigen Urtheils über dieselben. Bis
gegen das letzte Drittheil seines Buchs versucht der Autor nach Kräften, die
verschiedenen Materien auseinanderzrchalten und seine eigene Stellung zu den
einzelnen Fragen zu bezeichnen. Die Geschichte der Diplomatie Palmeriions und
die Reform d"s Armengesetzes lassen sich noch deutlich übersehen und in dantcns-
weriher Weise wird der Leser auf die typische Bedeutung buser letzteren, (der
Armenbill von 1834) hingewiesen, welche zum ersten Mai ein absolutistisches,
bureaukratisch geordnetes Institut schuf, mittelst welches die ceniralisirende
Staategewalt das Selfgovernment der Gemeinden und den Einfluß der
Aristokratie bedrohte oder doch zu bedrohen schien. -- freilich weil kein anderes
Auekunstsmitlel mehr vo>Handen war. Mit dieser nach heißen Kämpfen durch-
gesetzicn Maßiegel tritt aber schon der kritische Augenblick für die ferneren Geschicke
des Whigministcriums ein, das (die kurze Tory-Episode von 1835 abgerechnei) zwar
noch sechs J^hre Ung im Amt bleibt, aber allmälig abstirbt und den vereinig-
ten Angriffen torystischer und r>>die>ter Gegner nur noch mühsam Stand halt.
Dleier letzte Äblchnitt, sowie das frühere, Irland behandelnde Capitel Affen
sich nicht immer klar übersehen; der Faden wirb immer wieder durch Episoden ab¬
gerissen und das Urtheil des Verfassers erscheint inmitten des Tumults sich
hausender äußerer und innerer Schwierigkeiten für die Whigs, die noch durch
den andrängenden Chartismus gesteigert wercen, an Klarheit und Festigkeit zu
verlieren; selbst die Gestalten der einzelnen Parteiführer zeichnen sich Nicht mehr
mit der früheren Schärfe und Deutlichkeit ab. Sehr einsprechend sind dagegen
die der Thronbesteigung und der Vermählung der jungen König", gewidmeten
Abschnitte behandelt, welche den Gang der Ereignisse bereits in die neueste
Zeit hinüberleiten. Den Schluß bildet dann der Sturz des Cabinets Mel-
bourne-Russel (Grey und Alihorp, die Führer des Reformministeriums waren
bereits früher, 1834 und 183S zurückgetreten) und eine Schilderung der Situa¬
tion, welche Sir Robert Peel vorfand, als er den Kampf gegen die Korngesche
aufnahm. Die Geschichte der Agitation für dieses schon seit den Tagen
Huskissons von den Radicalen in Aufsicht genommene Ziel ist nur flüchtig be¬
rührt und soll wahrscheinlich im dritten Bande einer eingehenderen retrosvccliven
Besprechung unterzogen werden.

Von den einzelnen Werken, aus welchen die "Staatengeschichte der neuesten
Zeit" zusammengesetzt ist, hat das paulische, wie uns scheint, die größten
Schwierigkeiten zu überwinden gehabt. Ganz abgesehen von der Eigenart und
Sprödigkeit des Stoffs, ist die Aufgabe des Verfassers eine entschieden umbaut-


Diskussionen über die auswärtige Lage, die Zustände Irlands, die Mißstände
der Communalverwaltung und das Loos der andauerten Classen mit einander
parallel laufen, wird die Aufmerksamkeit des Lesers getheilt und verwirrt, ver¬
liert dieser tue Möglichkeit eines fortlaufenden Verständnisses der einzelnen Ent¬
wickelungsphasen und des eigenen selbständigen Urtheils über dieselben. Bis
gegen das letzte Drittheil seines Buchs versucht der Autor nach Kräften, die
verschiedenen Materien auseinanderzrchalten und seine eigene Stellung zu den
einzelnen Fragen zu bezeichnen. Die Geschichte der Diplomatie Palmeriions und
die Reform d»s Armengesetzes lassen sich noch deutlich übersehen und in dantcns-
weriher Weise wird der Leser auf die typische Bedeutung buser letzteren, (der
Armenbill von 1834) hingewiesen, welche zum ersten Mai ein absolutistisches,
bureaukratisch geordnetes Institut schuf, mittelst welches die ceniralisirende
Staategewalt das Selfgovernment der Gemeinden und den Einfluß der
Aristokratie bedrohte oder doch zu bedrohen schien. — freilich weil kein anderes
Auekunstsmitlel mehr vo>Handen war. Mit dieser nach heißen Kämpfen durch-
gesetzicn Maßiegel tritt aber schon der kritische Augenblick für die ferneren Geschicke
des Whigministcriums ein, das (die kurze Tory-Episode von 1835 abgerechnei) zwar
noch sechs J^hre Ung im Amt bleibt, aber allmälig abstirbt und den vereinig-
ten Angriffen torystischer und r>>die>ter Gegner nur noch mühsam Stand halt.
Dleier letzte Äblchnitt, sowie das frühere, Irland behandelnde Capitel Affen
sich nicht immer klar übersehen; der Faden wirb immer wieder durch Episoden ab¬
gerissen und das Urtheil des Verfassers erscheint inmitten des Tumults sich
hausender äußerer und innerer Schwierigkeiten für die Whigs, die noch durch
den andrängenden Chartismus gesteigert wercen, an Klarheit und Festigkeit zu
verlieren; selbst die Gestalten der einzelnen Parteiführer zeichnen sich Nicht mehr
mit der früheren Schärfe und Deutlichkeit ab. Sehr einsprechend sind dagegen
die der Thronbesteigung und der Vermählung der jungen König», gewidmeten
Abschnitte behandelt, welche den Gang der Ereignisse bereits in die neueste
Zeit hinüberleiten. Den Schluß bildet dann der Sturz des Cabinets Mel-
bourne-Russel (Grey und Alihorp, die Führer des Reformministeriums waren
bereits früher, 1834 und 183S zurückgetreten) und eine Schilderung der Situa¬
tion, welche Sir Robert Peel vorfand, als er den Kampf gegen die Korngesche
aufnahm. Die Geschichte der Agitation für dieses schon seit den Tagen
Huskissons von den Radicalen in Aufsicht genommene Ziel ist nur flüchtig be¬
rührt und soll wahrscheinlich im dritten Bande einer eingehenderen retrosvccliven
Besprechung unterzogen werden.

Von den einzelnen Werken, aus welchen die „Staatengeschichte der neuesten
Zeit" zusammengesetzt ist, hat das paulische, wie uns scheint, die größten
Schwierigkeiten zu überwinden gehabt. Ganz abgesehen von der Eigenart und
Sprödigkeit des Stoffs, ist die Aufgabe des Verfassers eine entschieden umbaut-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/324>, abgerufen am 15.01.2025.