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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Schriftstücks in höchst origineller Weise hervor: Paulus warnt seinen moskauer
Freund vor dem Begriff, ja vor dem Wort "Constitution", -- es sei um die¬
selbe ein böses, seelenverderbendes Ding und nur, weil die Gemeinde der Ge¬
rechten von ihr Vortheil ziehen könne, sei sie zu dulden. Die starrten, mit
welcher diese Vertreter einer wesentlich auf dogmatischen Irrthümern und Mi߬
verständnissen fußender Secte (der gegenüber die griech. orth. Kirche odre Zweifel
den Fortschritt repräsentirt) ihre Sache unbekümmert um die übrige Welt ver¬
fechten, hat bei all der Beschränktheit und Unbildung, welche die Voraussetzungen
dieser Anschauung sind, etwas Großartiges!

Die Zunahme der revolutionären Wirren, die Sicherheit und Freiheit,
deren Ambr'sins sich trotz des Verbannungsdecrets noch immer in Wien er¬
freute, erhöhten den Muth der beiden Mönche. Im Juli schrieb Olympius
nack Bjelokrinitz, man möge nur die "Maschine" wieder arbeiten und "Fabri¬
kanten. Gesellen und Arbeiter" (Bischöfe. Priester und Mönche) ans Werk geben
lassen; um sicher zu geben, bedienten die Altgläubigen sich nämlich der List, im
kaufmännischen Styl zu schreiben und ihre kirchlichen Angelegenheiten unter ge¬
schäftlichen Bezeichnungen, als "Fabrik", "Arbeiter" u. s. w. in den Briefen,
welche von und nach Wen gingen, zu verhüllen. Ermuthigt durch die
zunehmende Rath- und Hilflosigkeit der Neuerung kehrten die aus dem
Kloster von Bjelokrinitz Vertrieb nen Mönche und Priester wirklich zurück, er-
brachen die versiegelten Thore ihres Heiligthums und beginnen ungescheut ihren
Gottesdienst zu celebriren. Die lemberaer Statthalterschaft, die eben damals
alle Hände voll zu thun hatte, um mit den rebellischen Polen fertig zu werden,
hielt e? nicht für nöthig. dies r Eigenmächtigkeiten wegen gegen die übriaens durch¬
aus loyalen "Alt. läuber" vorzugehen; der Gouverneur wa> lust uirt. mit denselben
möglichst glimpflich zu verfahren und blieb hinter seiner Instruction nicht zurück.
Da die russisede Regieruna eine strengere Beaufsichtigung der Russen in der Buko¬
wina verlangt hatte, wurden von Zeit zu Zeit Beamte nach Bjelokronitz gesandt,
um eine Revision der dortigen Verhältnisse vorzunehmen. Da diese Beamten
meist Polen waren und als solche leinen Grund hatten gegen die Flüchllin.te vor
russischer Intoleranz irgend mißgünstig gestimmt zu sein, ließen sie sich regeimänig,
bevor sie an Ort und Stelle eintrafen, anmelden und die Altgläubigen brauler
dann ihre geheime Vorrespot euz u. s. w. bei Seite; natürlicherweise wurde
dann nach Wien berichtet, man habe zu Bjelolnnitz alles in tiefstem Frieden
gefunden und sich davon überzeugt, daß die russischen Beschwerden über revo¬
lutionäre Umtriebe und geheime Correspondenzen nach Moskau, durchaus unbe¬
gründet seien.

Im Juli 1848 wurde, um Rußland zufrieden zu stellen. Ambrosius endlich
nach Zilly abgefertigt; Paulus und Olymp'Ah aber kehrten nach Bjelokrinitz
zurück. Sie blieben nach wie vor mit Zilly und Moskau in Verbindung, gaben


Schriftstücks in höchst origineller Weise hervor: Paulus warnt seinen moskauer
Freund vor dem Begriff, ja vor dem Wort „Constitution", — es sei um die¬
selbe ein böses, seelenverderbendes Ding und nur, weil die Gemeinde der Ge¬
rechten von ihr Vortheil ziehen könne, sei sie zu dulden. Die starrten, mit
welcher diese Vertreter einer wesentlich auf dogmatischen Irrthümern und Mi߬
verständnissen fußender Secte (der gegenüber die griech. orth. Kirche odre Zweifel
den Fortschritt repräsentirt) ihre Sache unbekümmert um die übrige Welt ver¬
fechten, hat bei all der Beschränktheit und Unbildung, welche die Voraussetzungen
dieser Anschauung sind, etwas Großartiges!

Die Zunahme der revolutionären Wirren, die Sicherheit und Freiheit,
deren Ambr'sins sich trotz des Verbannungsdecrets noch immer in Wien er¬
freute, erhöhten den Muth der beiden Mönche. Im Juli schrieb Olympius
nack Bjelokrinitz, man möge nur die „Maschine" wieder arbeiten und „Fabri¬
kanten. Gesellen und Arbeiter" (Bischöfe. Priester und Mönche) ans Werk geben
lassen; um sicher zu geben, bedienten die Altgläubigen sich nämlich der List, im
kaufmännischen Styl zu schreiben und ihre kirchlichen Angelegenheiten unter ge¬
schäftlichen Bezeichnungen, als „Fabrik", „Arbeiter" u. s. w. in den Briefen,
welche von und nach Wen gingen, zu verhüllen. Ermuthigt durch die
zunehmende Rath- und Hilflosigkeit der Neuerung kehrten die aus dem
Kloster von Bjelokrinitz Vertrieb nen Mönche und Priester wirklich zurück, er-
brachen die versiegelten Thore ihres Heiligthums und beginnen ungescheut ihren
Gottesdienst zu celebriren. Die lemberaer Statthalterschaft, die eben damals
alle Hände voll zu thun hatte, um mit den rebellischen Polen fertig zu werden,
hielt e? nicht für nöthig. dies r Eigenmächtigkeiten wegen gegen die übriaens durch¬
aus loyalen „Alt. läuber" vorzugehen; der Gouverneur wa> lust uirt. mit denselben
möglichst glimpflich zu verfahren und blieb hinter seiner Instruction nicht zurück.
Da die russisede Regieruna eine strengere Beaufsichtigung der Russen in der Buko¬
wina verlangt hatte, wurden von Zeit zu Zeit Beamte nach Bjelokronitz gesandt,
um eine Revision der dortigen Verhältnisse vorzunehmen. Da diese Beamten
meist Polen waren und als solche leinen Grund hatten gegen die Flüchllin.te vor
russischer Intoleranz irgend mißgünstig gestimmt zu sein, ließen sie sich regeimänig,
bevor sie an Ort und Stelle eintrafen, anmelden und die Altgläubigen brauler
dann ihre geheime Vorrespot euz u. s. w. bei Seite; natürlicherweise wurde
dann nach Wien berichtet, man habe zu Bjelolnnitz alles in tiefstem Frieden
gefunden und sich davon überzeugt, daß die russischen Beschwerden über revo¬
lutionäre Umtriebe und geheime Correspondenzen nach Moskau, durchaus unbe¬
gründet seien.

Im Juli 1848 wurde, um Rußland zufrieden zu stellen. Ambrosius endlich
nach Zilly abgefertigt; Paulus und Olymp'Ah aber kehrten nach Bjelokrinitz
zurück. Sie blieben nach wie vor mit Zilly und Moskau in Verbindung, gaben


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[0319] Schriftstücks in höchst origineller Weise hervor: Paulus warnt seinen moskauer Freund vor dem Begriff, ja vor dem Wort „Constitution", — es sei um die¬ selbe ein böses, seelenverderbendes Ding und nur, weil die Gemeinde der Ge¬ rechten von ihr Vortheil ziehen könne, sei sie zu dulden. Die starrten, mit welcher diese Vertreter einer wesentlich auf dogmatischen Irrthümern und Mi߬ verständnissen fußender Secte (der gegenüber die griech. orth. Kirche odre Zweifel den Fortschritt repräsentirt) ihre Sache unbekümmert um die übrige Welt ver¬ fechten, hat bei all der Beschränktheit und Unbildung, welche die Voraussetzungen dieser Anschauung sind, etwas Großartiges! Die Zunahme der revolutionären Wirren, die Sicherheit und Freiheit, deren Ambr'sins sich trotz des Verbannungsdecrets noch immer in Wien er¬ freute, erhöhten den Muth der beiden Mönche. Im Juli schrieb Olympius nack Bjelokrinitz, man möge nur die „Maschine" wieder arbeiten und „Fabri¬ kanten. Gesellen und Arbeiter" (Bischöfe. Priester und Mönche) ans Werk geben lassen; um sicher zu geben, bedienten die Altgläubigen sich nämlich der List, im kaufmännischen Styl zu schreiben und ihre kirchlichen Angelegenheiten unter ge¬ schäftlichen Bezeichnungen, als „Fabrik", „Arbeiter" u. s. w. in den Briefen, welche von und nach Wen gingen, zu verhüllen. Ermuthigt durch die zunehmende Rath- und Hilflosigkeit der Neuerung kehrten die aus dem Kloster von Bjelokrinitz Vertrieb nen Mönche und Priester wirklich zurück, er- brachen die versiegelten Thore ihres Heiligthums und beginnen ungescheut ihren Gottesdienst zu celebriren. Die lemberaer Statthalterschaft, die eben damals alle Hände voll zu thun hatte, um mit den rebellischen Polen fertig zu werden, hielt e? nicht für nöthig. dies r Eigenmächtigkeiten wegen gegen die übriaens durch¬ aus loyalen „Alt. läuber" vorzugehen; der Gouverneur wa> lust uirt. mit denselben möglichst glimpflich zu verfahren und blieb hinter seiner Instruction nicht zurück. Da die russisede Regieruna eine strengere Beaufsichtigung der Russen in der Buko¬ wina verlangt hatte, wurden von Zeit zu Zeit Beamte nach Bjelokronitz gesandt, um eine Revision der dortigen Verhältnisse vorzunehmen. Da diese Beamten meist Polen waren und als solche leinen Grund hatten gegen die Flüchllin.te vor russischer Intoleranz irgend mißgünstig gestimmt zu sein, ließen sie sich regeimänig, bevor sie an Ort und Stelle eintrafen, anmelden und die Altgläubigen brauler dann ihre geheime Vorrespot euz u. s. w. bei Seite; natürlicherweise wurde dann nach Wien berichtet, man habe zu Bjelolnnitz alles in tiefstem Frieden gefunden und sich davon überzeugt, daß die russischen Beschwerden über revo¬ lutionäre Umtriebe und geheime Correspondenzen nach Moskau, durchaus unbe¬ gründet seien. Im Juli 1848 wurde, um Rußland zufrieden zu stellen. Ambrosius endlich nach Zilly abgefertigt; Paulus und Olymp'Ah aber kehrten nach Bjelokrinitz zurück. Sie blieben nach wie vor mit Zilly und Moskau in Verbindung, gaben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/319>, abgerufen am 15.01.2025.