Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Metternichs von Kaiser Nikolaus ließ sich erwarten, daß diesem Verlangen, so Unterdessen brach die Märzrevolution aus, Mettemich mußte fliehen, im Metternichs von Kaiser Nikolaus ließ sich erwarten, daß diesem Verlangen, so Unterdessen brach die Märzrevolution aus, Mettemich mußte fliehen, im <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0314" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191544"/> <p xml:id="ID_907" prev="#ID_906"> Metternichs von Kaiser Nikolaus ließ sich erwarten, daß diesem Verlangen, so<lb/> mangelhaft es mit dem Rechtegrunde desselben auch beschaffen sein mochte, ent¬<lb/> sprochen werden würde; es fehlte indessen auch den Altgläubigen nicht an<lb/> Freunden und Gönnern in den Höheren Regierungskreisen und da das Erzbis-<lb/> thum von Bjelokrinitz, so unbequem es auch Rußland sein mochte, dem östreichi¬<lb/> schen Kaiserstaat sicher keinen Schaden that, so beschränkte man sich zunächst<lb/> darauf, Ambrosius nach Wien zu berufen und von ihm Aufklärungen zu ver¬<lb/> langen. Der Erzbischof oder Metropolit (wie er jetzt vielfach genannt wurde)<lb/> war ein aller, unbedeutender Mann, den die Führer der altgläubigen Gemein¬<lb/> den als willenloses Werkzeug ihrer Pläne gebrauchten; dieselben hielten es des¬<lb/> halb gerathen, ihm bei seiner 'Abreise nach Wien in der Person des bereits<lb/> wiederholt genannten Olvmpius einen Berather mitzugeben. In den letzten<lb/> Tagen des December 1847 trafen beide Männer in der östreichischen Haupt¬<lb/> stadt ein. Das alte System stand damals in voller Blüthe. Trägheit und In¬<lb/> dolenz herrschten auf allen Gebieten der Verwaltung und des öffentlichen<lb/> Lebens; zunächst vergingen mehre Wochen, ohne daß Ambrosius auch nur<lb/> mitgetheilt wurde, was man eigentlich von ihm verlange. Durch ihre wohl¬<lb/> unterrichteten Petersburger Agenten waren die Altgläubigen längst davon unter¬<lb/> richtet, was vorgefallen; Ambrosius erbat sich eine Audienz bei dem Erzherzog<lb/> Ludwig, der für einen besonders warmen Gönner der Gemeinde galt, bei dem<lb/> Oberstkämmerer Grasen Zingheti u. f. w. und alles schien auf dem besten<lb/> Wege zu sein, als eine neue russische Note in der Hofburg eintraf, die dringend<lb/> Abhilfe der Beschwerden des Petersburger Cabinets verlangte. Jetzt griff<lb/> Metternich. der bis dahin an der gesammten Angelegenheit wenig Antheil ge¬<lb/> nommen hatte, in seiner rücksichslosen, willkürlichen Art ein: er ließ das Kloster<lb/> von Bjelokrinitz schließen und notificirte dem Petersburger Cabinet. Ambrosius<lb/> sei von seinem Metropolitansitz für immer entfernt und durch Verbannung un¬<lb/> schädlich gemacht worden. Diesem Verfahren war keinerlei Untersuchung und<lb/> Feststellung des Thatbestandes vorhergegangen, die „höheren Rücksichten", von<lb/> denen der Haus-, Erz- und Staatskanzler sich sein Leben lang hatte leiten lassen,<lb/> waren allein maßgebend gewesen. — Trotz dieser Strenge, die den Altgläubigen<lb/> Anfangs große Furcht eingeflößt hatte, sah das Ganze einem Schlage ins<lb/> Wasser ziemlich ähnlich; Ambrosius und sein Berather blieben nach wie vor in<lb/> Wien, leiteten von hier aus die Geschäfte ihrer Glaubensgemeinschaft und er¬<lb/> hielten in gewohnter Weise mit Czaykowski, ihrem Spiritus rector, und den<lb/> „Brüdern" in Rußland lebhafte Beziehungen aufrecht.</p><lb/> <p xml:id="ID_908" next="#ID_909"> Unterdessen brach die Märzrevolution aus, Mettemich mußte fliehen, im<lb/> Handumdrehen waren die äußere wie die innere Lage des Kaiserstaats verändert.<lb/> Das Manifest über die Errichtung einer liberalen Konstitution. Verheißung der<lb/> Religionsfreiheit u. s. w. war in aller Leute Mund und flößte auch den Alt-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0314]
Metternichs von Kaiser Nikolaus ließ sich erwarten, daß diesem Verlangen, so
mangelhaft es mit dem Rechtegrunde desselben auch beschaffen sein mochte, ent¬
sprochen werden würde; es fehlte indessen auch den Altgläubigen nicht an
Freunden und Gönnern in den Höheren Regierungskreisen und da das Erzbis-
thum von Bjelokrinitz, so unbequem es auch Rußland sein mochte, dem östreichi¬
schen Kaiserstaat sicher keinen Schaden that, so beschränkte man sich zunächst
darauf, Ambrosius nach Wien zu berufen und von ihm Aufklärungen zu ver¬
langen. Der Erzbischof oder Metropolit (wie er jetzt vielfach genannt wurde)
war ein aller, unbedeutender Mann, den die Führer der altgläubigen Gemein¬
den als willenloses Werkzeug ihrer Pläne gebrauchten; dieselben hielten es des¬
halb gerathen, ihm bei seiner 'Abreise nach Wien in der Person des bereits
wiederholt genannten Olvmpius einen Berather mitzugeben. In den letzten
Tagen des December 1847 trafen beide Männer in der östreichischen Haupt¬
stadt ein. Das alte System stand damals in voller Blüthe. Trägheit und In¬
dolenz herrschten auf allen Gebieten der Verwaltung und des öffentlichen
Lebens; zunächst vergingen mehre Wochen, ohne daß Ambrosius auch nur
mitgetheilt wurde, was man eigentlich von ihm verlange. Durch ihre wohl¬
unterrichteten Petersburger Agenten waren die Altgläubigen längst davon unter¬
richtet, was vorgefallen; Ambrosius erbat sich eine Audienz bei dem Erzherzog
Ludwig, der für einen besonders warmen Gönner der Gemeinde galt, bei dem
Oberstkämmerer Grasen Zingheti u. f. w. und alles schien auf dem besten
Wege zu sein, als eine neue russische Note in der Hofburg eintraf, die dringend
Abhilfe der Beschwerden des Petersburger Cabinets verlangte. Jetzt griff
Metternich. der bis dahin an der gesammten Angelegenheit wenig Antheil ge¬
nommen hatte, in seiner rücksichslosen, willkürlichen Art ein: er ließ das Kloster
von Bjelokrinitz schließen und notificirte dem Petersburger Cabinet. Ambrosius
sei von seinem Metropolitansitz für immer entfernt und durch Verbannung un¬
schädlich gemacht worden. Diesem Verfahren war keinerlei Untersuchung und
Feststellung des Thatbestandes vorhergegangen, die „höheren Rücksichten", von
denen der Haus-, Erz- und Staatskanzler sich sein Leben lang hatte leiten lassen,
waren allein maßgebend gewesen. — Trotz dieser Strenge, die den Altgläubigen
Anfangs große Furcht eingeflößt hatte, sah das Ganze einem Schlage ins
Wasser ziemlich ähnlich; Ambrosius und sein Berather blieben nach wie vor in
Wien, leiteten von hier aus die Geschäfte ihrer Glaubensgemeinschaft und er¬
hielten in gewohnter Weise mit Czaykowski, ihrem Spiritus rector, und den
„Brüdern" in Rußland lebhafte Beziehungen aufrecht.
Unterdessen brach die Märzrevolution aus, Mettemich mußte fliehen, im
Handumdrehen waren die äußere wie die innere Lage des Kaiserstaats verändert.
Das Manifest über die Errichtung einer liberalen Konstitution. Verheißung der
Religionsfreiheit u. s. w. war in aller Leute Mund und flößte auch den Alt-
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