Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.aber richtete ihre Sorge sich auf Organisation des Klerus in der Türkei, um Die russische Regierung wandte sich im Herbst 1847 mit einer energischen aber richtete ihre Sorge sich auf Organisation des Klerus in der Türkei, um Die russische Regierung wandte sich im Herbst 1847 mit einer energischen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0313" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191543"/> <p xml:id="ID_905" prev="#ID_904"> aber richtete ihre Sorge sich auf Organisation des Klerus in der Türkei, um<lb/> namentlich die in der Dobrudscha lebenden Nekrassowkosaken an sich zu fesseln.<lb/> Nachdem ein Bischof für die südlich von der Donau lebenden Altgläubigen durch<lb/> Ambrosius geweiht und diesem untergeordnet worden war, sandte man Agenten<lb/> nach Rußland, um die dort lebenden Glaubensbrüder von dem Vorgefallenen<lb/> zu unterrichten und zur Mitwirkung an dem großen Werke der Einigung aller<lb/> hierarchischen Secten einzuladen. Der Archimandrit (Abt) von Bjelokrinitz,<lb/> Geronty wurde, mit einem falschen Paß versehen, nach Moskau abgesandt, um<lb/> daselbst mit dem jährlich auf dem Rogoschkirchhofe versammelten Ausschuß aller<lb/> glauvensverwandten russischen Seelen zu unterhandeln. Um das Mißtrauen<lb/> der in Rußland lebenden Sectirer nicht zu reizen, verschwieg Geronty sorgfältig,<lb/> daß ein polnischer Renegat und ehemaliger Katholik die Hand im Spiele<lb/> habe; er begnügte sich damit, die Nachricht von der Herstellung eines<lb/> Mittelpunktes für die altgläubige Welt und der Erneuerung des Klerus<lb/> derselben möglichst effectvoll in die Welt zu senden und bat um Bei¬<lb/> steuer für die würdige Ausstattung des neuen Erzbisthums. Es gelang<lb/> ihm in der That, die moskauischen Häupter der Gemeinde für seinen Plan<lb/> zu begeistern und eine sehr bedeutende Summe zu sammeln; da die reichsten<lb/> Kaufleute Moskaus zu den Altgläubigen hierarchischer Observanz gehören und<lb/> sich insgesammt durch ihre Opferwilligkeit für religiöse Zwecke auszeichnen, fiel<lb/> die Collecte wahrhaft glänzend aus und der Archimandrit konnte sich im Mai<lb/> 1847 mit den frohesten Hoffnungen auf den Heimweg begeben. So vorsichtig<lb/> und geheimnißvoll er auch Verfahren war, die Polizei hatte von dem Erscheinen<lb/> eines Emissärs aus Oestreich Witterung erhalten: Geronty wurde unerwarteter¬<lb/> weise im Gouvernement Tula ergriffen und sofort in strengen Gewahrsam ge¬<lb/> nommen. Seine Schätze wurden ihm abgenommen, zahlreiche Verhaftungen<lb/> unter den Personen vollzogen, mit denen er auf dem Rogoschkirchhof verkehrt<lb/> hatte. Die Kunde von der Errichtung eines altgläubigen Metropolitansitzes in<lb/> der Bukowina war binnen kurzem dem Ministerium der geheimen Polizei zu<lb/> Se. Petersburg bekannt; das Wichtigste an der Sache, die Betheiligung<lb/> Czaykowskis und der polnischen Emigration scheint nicht entdeckt worden zu<lb/> sein, was um so erklärlicher ist, als Geronty. wie wir wissen, von dieser auch<lb/> seinen moskauer Freunden gegenüber geschwiegen hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_906" next="#ID_907"> Die russische Regierung wandte sich im Herbst 1847 mit einer energischen<lb/> Note an das wiener Cabinet, beklagte sich über die Duldung gegen die Sicher¬<lb/> heit des Staats und der Kirche Rußlands gerichteter Umtriebe und verlangte<lb/> Maßnahmen gegen das „sectirerische Unwesen" und dessen Organisation.<lb/> Russischen Einfluß war es zuzuschreiben, daß gleichzeitig der griechisch-ortho-<lb/> doxe Patriarch von Konstantinopel gegen den sectirerischen Aftermetropoliten<lb/> in Wien Klage erhob und dessen Absetzung forderte. Bei der Abhängigkeit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0313]
aber richtete ihre Sorge sich auf Organisation des Klerus in der Türkei, um
namentlich die in der Dobrudscha lebenden Nekrassowkosaken an sich zu fesseln.
Nachdem ein Bischof für die südlich von der Donau lebenden Altgläubigen durch
Ambrosius geweiht und diesem untergeordnet worden war, sandte man Agenten
nach Rußland, um die dort lebenden Glaubensbrüder von dem Vorgefallenen
zu unterrichten und zur Mitwirkung an dem großen Werke der Einigung aller
hierarchischen Secten einzuladen. Der Archimandrit (Abt) von Bjelokrinitz,
Geronty wurde, mit einem falschen Paß versehen, nach Moskau abgesandt, um
daselbst mit dem jährlich auf dem Rogoschkirchhofe versammelten Ausschuß aller
glauvensverwandten russischen Seelen zu unterhandeln. Um das Mißtrauen
der in Rußland lebenden Sectirer nicht zu reizen, verschwieg Geronty sorgfältig,
daß ein polnischer Renegat und ehemaliger Katholik die Hand im Spiele
habe; er begnügte sich damit, die Nachricht von der Herstellung eines
Mittelpunktes für die altgläubige Welt und der Erneuerung des Klerus
derselben möglichst effectvoll in die Welt zu senden und bat um Bei¬
steuer für die würdige Ausstattung des neuen Erzbisthums. Es gelang
ihm in der That, die moskauischen Häupter der Gemeinde für seinen Plan
zu begeistern und eine sehr bedeutende Summe zu sammeln; da die reichsten
Kaufleute Moskaus zu den Altgläubigen hierarchischer Observanz gehören und
sich insgesammt durch ihre Opferwilligkeit für religiöse Zwecke auszeichnen, fiel
die Collecte wahrhaft glänzend aus und der Archimandrit konnte sich im Mai
1847 mit den frohesten Hoffnungen auf den Heimweg begeben. So vorsichtig
und geheimnißvoll er auch Verfahren war, die Polizei hatte von dem Erscheinen
eines Emissärs aus Oestreich Witterung erhalten: Geronty wurde unerwarteter¬
weise im Gouvernement Tula ergriffen und sofort in strengen Gewahrsam ge¬
nommen. Seine Schätze wurden ihm abgenommen, zahlreiche Verhaftungen
unter den Personen vollzogen, mit denen er auf dem Rogoschkirchhof verkehrt
hatte. Die Kunde von der Errichtung eines altgläubigen Metropolitansitzes in
der Bukowina war binnen kurzem dem Ministerium der geheimen Polizei zu
Se. Petersburg bekannt; das Wichtigste an der Sache, die Betheiligung
Czaykowskis und der polnischen Emigration scheint nicht entdeckt worden zu
sein, was um so erklärlicher ist, als Geronty. wie wir wissen, von dieser auch
seinen moskauer Freunden gegenüber geschwiegen hatte.
Die russische Regierung wandte sich im Herbst 1847 mit einer energischen
Note an das wiener Cabinet, beklagte sich über die Duldung gegen die Sicher¬
heit des Staats und der Kirche Rußlands gerichteter Umtriebe und verlangte
Maßnahmen gegen das „sectirerische Unwesen" und dessen Organisation.
Russischen Einfluß war es zuzuschreiben, daß gleichzeitig der griechisch-ortho-
doxe Patriarch von Konstantinopel gegen den sectirerischen Aftermetropoliten
in Wien Klage erhob und dessen Absetzung forderte. Bei der Abhängigkeit
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |