Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.würde jeder Kraft entbehren, wenn nicht auch die Mitwirkung der von ihr ab¬ Man kann nicht in Abrede stellen, daß Guizots constitutionelle Doctrinen So lange der Partcikampf sich auf parlamenlanschem Boden bewegte, hatte würde jeder Kraft entbehren, wenn nicht auch die Mitwirkung der von ihr ab¬ Man kann nicht in Abrede stellen, daß Guizots constitutionelle Doctrinen So lange der Partcikampf sich auf parlamenlanschem Boden bewegte, hatte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0306" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191536"/> <p xml:id="ID_885" prev="#ID_884"> würde jeder Kraft entbehren, wenn nicht auch die Mitwirkung der von ihr ab¬<lb/> hängigen Organe eine freie und freiwillige wäre. Die Organe der Gewalt sollen<lb/> nicht blos gehorsam sein, sie sollen mit voller Ueberzeugung, ja mit Leidenschaft<lb/> die Principien der Regierung vertreten. Casimir Perier sagte einmal: ich brauche<lb/> nicht Agenten, sondern Mitschuldige, d. h. Beamte, die die Sache der Regierung<lb/> als ihre eigne ansehen, und daher auch bereit sind, ihren Theil an der Verant¬<lb/> wortung zu übernehmen, die auf der Negierung lastet. Die Politik, welche die<lb/> Regierung verfolgt, muß ihre Wurzeln haben in der Ueberzeugung einer Partei,<lb/> die stark und kräftig genug organisirt ist, um der Regierung die Mitwirkung der<lb/> Volksvertretung zu sichern. Es bedarf also vor allem der Einheit im Innern<lb/> des Cabinets und der Uebereinstimmung desselben mit seinen vorzüglichsten Or¬<lb/> ganen, der Organisation einer in den Principienfragen einigen, beharrlichen und<lb/> consequenten Majorität, und des harmonischen Zusammenwirkens der Krone<lb/> und der Kammern durch Vermittlung und unter Verantwortlichkeit der Minister.<lb/> Nur diese dreifache Uebereinstimmung kann einer Regierung, die jeden ihrer<lb/> Schritte vor dem Forum der Oeffentlichkeit zu vertheidigen hat, die zur Erfül¬<lb/> lung ihres Berufs nöthige Kraft und Autorität verleihen.</p><lb/> <p xml:id="ID_886"> Man kann nicht in Abrede stellen, daß Guizots constitutionelle Doctrinen<lb/> durchaus correct sind; und auch die Anerkennung kann ihm nicht versagt werden,<lb/> daß er diesen Doctrinen gemäß gehandelt, daß er das parlamentarische Regime<lb/> kräftig und unter steter Harmonie der concurrirenden Gewalten gehandhabt hat.<lb/> Er beherrschte, mochte auch Soult bis zum Jahre 1847 den Titel des Conseil-<lb/> Präsidenten führen, das Ministerium; er besaß das Vertrauen des Königs, der,<lb/> mochte ihm auch das selbständige und in sich fertige Wesen des Ministers zu¬<lb/> weilen unangenehm berühren, doch zu sehr von der Nothwendigkeit seiner Poli¬<lb/> tik überzeugt war, um ihr Hindernisse in den Weg zu legen; und endlich er<lb/> verstand es, die Harmonie zwischen Krone und Kammer aufrecht zu erhalten;<lb/> die Majorität war und blieb ihm auflichtig ergebet; sie gewann durch die Neu¬<lb/> wahlen des Jahres 1846 sogar einen beträchtlichen Zuwachs; auch die innere<lb/> Consolidirung der Partei machte erhebliche Fortschritte; Guizots imponirende<lb/> Energie bewirkte, daß die Neigung, der Regierung gelegentlich eine Lection zu<lb/> ertheilen, mehr und mehr außer Uebung kam. An der Spitze ihrer 225 LatiL-<lb/> kg,it« konnte die Regierung mit dem Gefühle großer Sicherheit den parlamenta¬<lb/> rischen Kämpfen entgegensehen; sie mochte sich dem Vertrauen hingeben, allen<lb/> Anforderungen des constitutionellen Systems in strengster Weise Genüge leisten,<lb/> und doch dabei der Opposition jedes Zugeständnis) versagen zu können.</p><lb/> <p xml:id="ID_887" next="#ID_888"> So lange der Partcikampf sich auf parlamenlanschem Boden bewegte, hatte<lb/> Guizot daher alle Aussicht, auf lange Zeit hin die Grundsätze seiner Politik<lb/> zur Geltung zu bringen. Die Gefahr eines unparlamentarische» Eingriffs in<lb/> den Gang der Angelegenheiten schien aber überwunden. Der revolutionäre</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0306]
würde jeder Kraft entbehren, wenn nicht auch die Mitwirkung der von ihr ab¬
hängigen Organe eine freie und freiwillige wäre. Die Organe der Gewalt sollen
nicht blos gehorsam sein, sie sollen mit voller Ueberzeugung, ja mit Leidenschaft
die Principien der Regierung vertreten. Casimir Perier sagte einmal: ich brauche
nicht Agenten, sondern Mitschuldige, d. h. Beamte, die die Sache der Regierung
als ihre eigne ansehen, und daher auch bereit sind, ihren Theil an der Verant¬
wortung zu übernehmen, die auf der Negierung lastet. Die Politik, welche die
Regierung verfolgt, muß ihre Wurzeln haben in der Ueberzeugung einer Partei,
die stark und kräftig genug organisirt ist, um der Regierung die Mitwirkung der
Volksvertretung zu sichern. Es bedarf also vor allem der Einheit im Innern
des Cabinets und der Uebereinstimmung desselben mit seinen vorzüglichsten Or¬
ganen, der Organisation einer in den Principienfragen einigen, beharrlichen und
consequenten Majorität, und des harmonischen Zusammenwirkens der Krone
und der Kammern durch Vermittlung und unter Verantwortlichkeit der Minister.
Nur diese dreifache Uebereinstimmung kann einer Regierung, die jeden ihrer
Schritte vor dem Forum der Oeffentlichkeit zu vertheidigen hat, die zur Erfül¬
lung ihres Berufs nöthige Kraft und Autorität verleihen.
Man kann nicht in Abrede stellen, daß Guizots constitutionelle Doctrinen
durchaus correct sind; und auch die Anerkennung kann ihm nicht versagt werden,
daß er diesen Doctrinen gemäß gehandelt, daß er das parlamentarische Regime
kräftig und unter steter Harmonie der concurrirenden Gewalten gehandhabt hat.
Er beherrschte, mochte auch Soult bis zum Jahre 1847 den Titel des Conseil-
Präsidenten führen, das Ministerium; er besaß das Vertrauen des Königs, der,
mochte ihm auch das selbständige und in sich fertige Wesen des Ministers zu¬
weilen unangenehm berühren, doch zu sehr von der Nothwendigkeit seiner Poli¬
tik überzeugt war, um ihr Hindernisse in den Weg zu legen; und endlich er
verstand es, die Harmonie zwischen Krone und Kammer aufrecht zu erhalten;
die Majorität war und blieb ihm auflichtig ergebet; sie gewann durch die Neu¬
wahlen des Jahres 1846 sogar einen beträchtlichen Zuwachs; auch die innere
Consolidirung der Partei machte erhebliche Fortschritte; Guizots imponirende
Energie bewirkte, daß die Neigung, der Regierung gelegentlich eine Lection zu
ertheilen, mehr und mehr außer Uebung kam. An der Spitze ihrer 225 LatiL-
kg,it« konnte die Regierung mit dem Gefühle großer Sicherheit den parlamenta¬
rischen Kämpfen entgegensehen; sie mochte sich dem Vertrauen hingeben, allen
Anforderungen des constitutionellen Systems in strengster Weise Genüge leisten,
und doch dabei der Opposition jedes Zugeständnis) versagen zu können.
So lange der Partcikampf sich auf parlamenlanschem Boden bewegte, hatte
Guizot daher alle Aussicht, auf lange Zeit hin die Grundsätze seiner Politik
zur Geltung zu bringen. Die Gefahr eines unparlamentarische» Eingriffs in
den Gang der Angelegenheiten schien aber überwunden. Der revolutionäre
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