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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Konstantinopel zurückkehrten, zögerten sie nicht länger, ihre Zustimmung zu der von
Czaykowski getroffenen Wahl zu geben. Am 16. April 1846 wurde ein förm¬
licher Vertrag mit dem inzwischen völlig übergetretenen Ambrosius geschlossen,
als Kosaken verkleidet pilgerten die drei Männer in ihr Kloster und unter all¬
gemeinem Jubel wurde der neue Erzbischof in sein Amt eingeführt.

Die Sache konnte in der That von der höchsten Wichtigkeit werden.
Gelang es, Ambrosius bei allen, auch den in Rußland lebenden Sectirern der
hierarchischen Observanz, Anerkennung zu schaffen, so war der Schwerpunkt einer
im russischen Reich Millionen von Anhängern zählenden fanatischen Gemeinschaft
thatsächlich in eine abgelegene östreichische Provinz verlegt und außerrussischen
Einflüssen anheimgegeben. Bei der in der Türkei und im Grunde auch in den
östreichischen Grenzländern herrschenden Anarchie, und dem großen Einfluß der in
der Türkei lebenden Polen, war es keineswegs unwahrscheinlich, daß das Erz-
bisthum von Bjelokrinitza zum Mittelpunkt einer gefährlichen Agitation gegen
die russische Regierung gemacht wurde, zumal die Nekrassowkvsaken beständig
geheime Verbindungen mit ihren Brüdern am Don und an der Wolga unter¬
hielten.

Auf die Geschichte des bjelokrinitzschen Erzbisthums werden wir das nächste
Mal genauer eingehen. Von besonderem Interesse ist es, das Verhältniß der
östreichischen, damals noch von Metternich geleiteten Politik zu diesen Umtrieben
näher zu betrachen und auf die Mittel und Wege einzugehen, mittelst welcher die
Altgläubigen der Bukowina die Zustimmung des wiener Cabinets zu ihrem
Unternehmen erlangten. Wenn diese Episode östreichisch-russischer Wechsel¬
wirkungen auch nie eine besondere Bedeutung erlangt hat, so hat sie doch
sicher dazu getrieben, den Antagonismus zwischen den Regierungen der beiden
Kaiserstaaten zu schüren.




Politische Rundschau.
(Die Kriegswahrscheinlichkeit und die innere Lage.)

X

Das Gefühl des Unbehagens, das seit Erledigung der luxcmbmger Ange¬
legenheit in der deutschen Luft liegt, allenthalben durch die Erwartung neuer


Konstantinopel zurückkehrten, zögerten sie nicht länger, ihre Zustimmung zu der von
Czaykowski getroffenen Wahl zu geben. Am 16. April 1846 wurde ein förm¬
licher Vertrag mit dem inzwischen völlig übergetretenen Ambrosius geschlossen,
als Kosaken verkleidet pilgerten die drei Männer in ihr Kloster und unter all¬
gemeinem Jubel wurde der neue Erzbischof in sein Amt eingeführt.

Die Sache konnte in der That von der höchsten Wichtigkeit werden.
Gelang es, Ambrosius bei allen, auch den in Rußland lebenden Sectirern der
hierarchischen Observanz, Anerkennung zu schaffen, so war der Schwerpunkt einer
im russischen Reich Millionen von Anhängern zählenden fanatischen Gemeinschaft
thatsächlich in eine abgelegene östreichische Provinz verlegt und außerrussischen
Einflüssen anheimgegeben. Bei der in der Türkei und im Grunde auch in den
östreichischen Grenzländern herrschenden Anarchie, und dem großen Einfluß der in
der Türkei lebenden Polen, war es keineswegs unwahrscheinlich, daß das Erz-
bisthum von Bjelokrinitza zum Mittelpunkt einer gefährlichen Agitation gegen
die russische Regierung gemacht wurde, zumal die Nekrassowkvsaken beständig
geheime Verbindungen mit ihren Brüdern am Don und an der Wolga unter¬
hielten.

Auf die Geschichte des bjelokrinitzschen Erzbisthums werden wir das nächste
Mal genauer eingehen. Von besonderem Interesse ist es, das Verhältniß der
östreichischen, damals noch von Metternich geleiteten Politik zu diesen Umtrieben
näher zu betrachen und auf die Mittel und Wege einzugehen, mittelst welcher die
Altgläubigen der Bukowina die Zustimmung des wiener Cabinets zu ihrem
Unternehmen erlangten. Wenn diese Episode östreichisch-russischer Wechsel¬
wirkungen auch nie eine besondere Bedeutung erlangt hat, so hat sie doch
sicher dazu getrieben, den Antagonismus zwischen den Regierungen der beiden
Kaiserstaaten zu schüren.




Politische Rundschau.
(Die Kriegswahrscheinlichkeit und die innere Lage.)

X

Das Gefühl des Unbehagens, das seit Erledigung der luxcmbmger Ange¬
legenheit in der deutschen Luft liegt, allenthalben durch die Erwartung neuer


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[0286] Konstantinopel zurückkehrten, zögerten sie nicht länger, ihre Zustimmung zu der von Czaykowski getroffenen Wahl zu geben. Am 16. April 1846 wurde ein förm¬ licher Vertrag mit dem inzwischen völlig übergetretenen Ambrosius geschlossen, als Kosaken verkleidet pilgerten die drei Männer in ihr Kloster und unter all¬ gemeinem Jubel wurde der neue Erzbischof in sein Amt eingeführt. Die Sache konnte in der That von der höchsten Wichtigkeit werden. Gelang es, Ambrosius bei allen, auch den in Rußland lebenden Sectirern der hierarchischen Observanz, Anerkennung zu schaffen, so war der Schwerpunkt einer im russischen Reich Millionen von Anhängern zählenden fanatischen Gemeinschaft thatsächlich in eine abgelegene östreichische Provinz verlegt und außerrussischen Einflüssen anheimgegeben. Bei der in der Türkei und im Grunde auch in den östreichischen Grenzländern herrschenden Anarchie, und dem großen Einfluß der in der Türkei lebenden Polen, war es keineswegs unwahrscheinlich, daß das Erz- bisthum von Bjelokrinitza zum Mittelpunkt einer gefährlichen Agitation gegen die russische Regierung gemacht wurde, zumal die Nekrassowkvsaken beständig geheime Verbindungen mit ihren Brüdern am Don und an der Wolga unter¬ hielten. Auf die Geschichte des bjelokrinitzschen Erzbisthums werden wir das nächste Mal genauer eingehen. Von besonderem Interesse ist es, das Verhältniß der östreichischen, damals noch von Metternich geleiteten Politik zu diesen Umtrieben näher zu betrachen und auf die Mittel und Wege einzugehen, mittelst welcher die Altgläubigen der Bukowina die Zustimmung des wiener Cabinets zu ihrem Unternehmen erlangten. Wenn diese Episode östreichisch-russischer Wechsel¬ wirkungen auch nie eine besondere Bedeutung erlangt hat, so hat sie doch sicher dazu getrieben, den Antagonismus zwischen den Regierungen der beiden Kaiserstaaten zu schüren. Politische Rundschau. (Die Kriegswahrscheinlichkeit und die innere Lage.) X Das Gefühl des Unbehagens, das seit Erledigung der luxcmbmger Ange¬ legenheit in der deutschen Luft liegt, allenthalben durch die Erwartung neuer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/286>, abgerufen am 15.01.2025.