Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.hat es gestern der neue Regierungspräsident durchgesetzt, daß die Regierung den Ich würde es dem Staat, der seiner Natur nach Egoist ist und es sein Unsere Bauern werden diese Neuerung sehr übel aufnehmen. Denn sie Und an demselben Tage, an welchem die Negierung die Befugniß, einen Aber die Regierung---nun. sie hat ihr ganzes Augenmerk auf "Nun, höre ich Sie fragen, und nach allen diesen Erlebnissen sind Sie Nein, verehrtester Herr, alle diese kleinen Leiden, womit wir heimgesucht Ich weiß nicht, was an dem Gerede von den zwei Seelen des Ministeriums hat es gestern der neue Regierungspräsident durchgesetzt, daß die Regierung den Ich würde es dem Staat, der seiner Natur nach Egoist ist und es sein Unsere Bauern werden diese Neuerung sehr übel aufnehmen. Denn sie Und an demselben Tage, an welchem die Negierung die Befugniß, einen Aber die Regierung---nun. sie hat ihr ganzes Augenmerk auf „Nun, höre ich Sie fragen, und nach allen diesen Erlebnissen sind Sie Nein, verehrtester Herr, alle diese kleinen Leiden, womit wir heimgesucht Ich weiß nicht, was an dem Gerede von den zwei Seelen des Ministeriums <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0247" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191477"/> <p xml:id="ID_738" prev="#ID_737"> hat es gestern der neue Regierungspräsident durchgesetzt, daß die Regierung den<lb/> Geometer für jede landwirtschaftliche ConsolidationSgesellschaft bestätigt oder<lb/> ernennt, wahrend sich ihn bisher jede Gesellschaft selbst wählte. Mit dem gleichen<lb/> Rechte könnte die Negierung sich das Recht beilegen, für jede Actiengesellschaft<lb/> oder für jedes Fabrikgeschäft den technischen Director zu ernennen. Denn die<lb/> Consolidationsgenossenschaft hat mit dem Staat nicht mehr zu schaffen, als ein<lb/> Hüttenverein oder eine Baumwvllspinnereigesellschaft.</p><lb/> <p xml:id="ID_739"> Ich würde es dem Staat, der seiner Natur nach Egoist ist und es sein<lb/> muß, noch nicht einmal so übel nehmen, daß er sich drein mengt, wenn für<lb/> ihn möglicherweise irgend etwas Anderes dabei herausspringen könnte, als die<lb/> Unannehmlichkeit, daß alles, was schief geht, auf seine Rechnung geschrieben<lb/> wird; und die Vermuthung spricht dafür, daß alles schief geht. Denn der<lb/> Staat versteht nichts von der Privatwirtschaft; und der Interessent versteht<lb/> seine Interessen besser, als der Nichtiuteressent.</p><lb/> <p xml:id="ID_740"> Unsere Bauern werden diese Neuerung sehr übel aufnehmen. Denn sie<lb/> nimmt ihnen abermals ein Stückchen ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit, das<lb/> sogar die nassauische Regierung, welche bcvormundungssüchtiger war, als irgend¬<lb/> eine andere, respectirt hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_741"> Und an demselben Tage, an welchem die Negierung die Befugniß, einen<lb/> Geometer zu ernennen, für so unendlich wichtig erachtet, am 24. Juli, wird<lb/> daselbst der im vorigen Jahre nicht gefeierte Geburtstag des Depossedirten ge¬<lb/> feiert, weil die Leute voll Mißstimmung sind gegen die neue preußische Ver¬<lb/> waltung. Man zieht durch die Straßen mit den frühern Farben und Fahnen.<lb/> Auf den Depossedirten singt man Lieder, bringt man Toaste. Der etwas ver¬<lb/> dampfte Particularistischc Patriotismus der Soldaten, welche die Bundesarmee-<lb/> campagne des vorigen Jahres mitgemacht haben und nun die preußische Uniform<lb/> tragen, wird durch'Hofspirituvsen wieder erwärmt und belebt. An demselben<lb/> Tage stellt hier der Deposscdirte bei dem Gericht eine Klage we^er Bcsitzstörung<lb/> an, gestützt auf die Behauptung, der König will in „mem Schloß" ziehen, und<lb/> man' feiert im Schwabenlande die „glorreiche Schlacht von Tauberbischofsheim".<lb/> Der Großherzog von Hessen erklärt, er verwalte die von ihm eingetauschten<lb/> vormals kurhessischen Territorien nur interimistisch für seinen theuren Better<lb/> den Kurfürsten. An der Tafel des Prinzen von I.- B. in O. tafeln zwei<lb/> Depoffedirte und toastircn auf die rothen Hosen.</p><lb/> <p xml:id="ID_742"> Aber die Regierung---nun. sie hat ihr ganzes Augenmerk auf<lb/> oben vemeldeten Cvnsolidativnsgcometer gerichtet. Sie hat ihr Bestätigungsrecht<lb/> durchgesetzt. Was liegt an allem Uebrigen? Es fällt nicht in die Wagschale<lb/> gegenüber einem solchen Triumphe.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_743"> „Nun, höre ich Sie fragen, und nach allen diesen Erlebnissen sind Sie<lb/> immer noch nicht von Ihrem preußischen Großinachtschwindel geheilt, schlagen<lb/> Sie immer noch den Takt zum Trommelwirbel der Gewalt?"</p><lb/> <p xml:id="ID_744"> Nein, verehrtester Herr, alle diese kleinen Leiden, womit wir heimgesucht<lb/> sind, haben mein felsenfestes Vertrauen in die Misston der preußischen Monarchie<lb/> auch noch nicht einen Augenblick erschüttert. Fast möchte ich sagen: Es geht<lb/> mir. wie dem Juden, der in Rom katholisch ward, weil er dachte: wenn alles<lb/> das, was ich hier gesehn, einer Religion passiren darf, und sie dabei doch nicht<lb/> Noth leidet, dann muß sie vortrefflich sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_745" next="#ID_746"> Ich weiß nicht, was an dem Gerede von den zwei Seelen des Ministeriums<lb/> ist; aber das weiß ich, wenn der Staat Preußen zwei Seelen hat, dann wird<lb/> die gute und große Seele über die böse und kleine Seele siegen. Denn das<lb/> erfordert der Selbsterhaltungstrieb dieses spartanisch-jugendkrästtgen Gemein-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0247]
hat es gestern der neue Regierungspräsident durchgesetzt, daß die Regierung den
Geometer für jede landwirtschaftliche ConsolidationSgesellschaft bestätigt oder
ernennt, wahrend sich ihn bisher jede Gesellschaft selbst wählte. Mit dem gleichen
Rechte könnte die Negierung sich das Recht beilegen, für jede Actiengesellschaft
oder für jedes Fabrikgeschäft den technischen Director zu ernennen. Denn die
Consolidationsgenossenschaft hat mit dem Staat nicht mehr zu schaffen, als ein
Hüttenverein oder eine Baumwvllspinnereigesellschaft.
Ich würde es dem Staat, der seiner Natur nach Egoist ist und es sein
muß, noch nicht einmal so übel nehmen, daß er sich drein mengt, wenn für
ihn möglicherweise irgend etwas Anderes dabei herausspringen könnte, als die
Unannehmlichkeit, daß alles, was schief geht, auf seine Rechnung geschrieben
wird; und die Vermuthung spricht dafür, daß alles schief geht. Denn der
Staat versteht nichts von der Privatwirtschaft; und der Interessent versteht
seine Interessen besser, als der Nichtiuteressent.
Unsere Bauern werden diese Neuerung sehr übel aufnehmen. Denn sie
nimmt ihnen abermals ein Stückchen ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit, das
sogar die nassauische Regierung, welche bcvormundungssüchtiger war, als irgend¬
eine andere, respectirt hatte.
Und an demselben Tage, an welchem die Negierung die Befugniß, einen
Geometer zu ernennen, für so unendlich wichtig erachtet, am 24. Juli, wird
daselbst der im vorigen Jahre nicht gefeierte Geburtstag des Depossedirten ge¬
feiert, weil die Leute voll Mißstimmung sind gegen die neue preußische Ver¬
waltung. Man zieht durch die Straßen mit den frühern Farben und Fahnen.
Auf den Depossedirten singt man Lieder, bringt man Toaste. Der etwas ver¬
dampfte Particularistischc Patriotismus der Soldaten, welche die Bundesarmee-
campagne des vorigen Jahres mitgemacht haben und nun die preußische Uniform
tragen, wird durch'Hofspirituvsen wieder erwärmt und belebt. An demselben
Tage stellt hier der Deposscdirte bei dem Gericht eine Klage we^er Bcsitzstörung
an, gestützt auf die Behauptung, der König will in „mem Schloß" ziehen, und
man' feiert im Schwabenlande die „glorreiche Schlacht von Tauberbischofsheim".
Der Großherzog von Hessen erklärt, er verwalte die von ihm eingetauschten
vormals kurhessischen Territorien nur interimistisch für seinen theuren Better
den Kurfürsten. An der Tafel des Prinzen von I.- B. in O. tafeln zwei
Depoffedirte und toastircn auf die rothen Hosen.
Aber die Regierung---nun. sie hat ihr ganzes Augenmerk auf
oben vemeldeten Cvnsolidativnsgcometer gerichtet. Sie hat ihr Bestätigungsrecht
durchgesetzt. Was liegt an allem Uebrigen? Es fällt nicht in die Wagschale
gegenüber einem solchen Triumphe.
„Nun, höre ich Sie fragen, und nach allen diesen Erlebnissen sind Sie
immer noch nicht von Ihrem preußischen Großinachtschwindel geheilt, schlagen
Sie immer noch den Takt zum Trommelwirbel der Gewalt?"
Nein, verehrtester Herr, alle diese kleinen Leiden, womit wir heimgesucht
sind, haben mein felsenfestes Vertrauen in die Misston der preußischen Monarchie
auch noch nicht einen Augenblick erschüttert. Fast möchte ich sagen: Es geht
mir. wie dem Juden, der in Rom katholisch ward, weil er dachte: wenn alles
das, was ich hier gesehn, einer Religion passiren darf, und sie dabei doch nicht
Noth leidet, dann muß sie vortrefflich sein.
Ich weiß nicht, was an dem Gerede von den zwei Seelen des Ministeriums
ist; aber das weiß ich, wenn der Staat Preußen zwei Seelen hat, dann wird
die gute und große Seele über die böse und kleine Seele siegen. Denn das
erfordert der Selbsterhaltungstrieb dieses spartanisch-jugendkrästtgen Gemein-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |