Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.führerischen Lockungen so überreich ist, so muß das den Leuten als etwas gleich¬ Eitelkeit und Selbstüberschätzung auf der einen, Unfähigkeit Widerspruch "Ueber einen Punkt werde ich nicht aufhören, Dich zu vermahnen. Denn Vielleicht veranlassen Sie diese wenigen Proben aus dem Briefe an Quintus, Die in den neuen Provinzen allerdings im Wachsen begriffene Mißstimmung Gestatten Sie mir es zu wiederholen: Ein großer Theil von Preußens führerischen Lockungen so überreich ist, so muß das den Leuten als etwas gleich¬ Eitelkeit und Selbstüberschätzung auf der einen, Unfähigkeit Widerspruch „Ueber einen Punkt werde ich nicht aufhören, Dich zu vermahnen. Denn Vielleicht veranlassen Sie diese wenigen Proben aus dem Briefe an Quintus, Die in den neuen Provinzen allerdings im Wachsen begriffene Mißstimmung Gestatten Sie mir es zu wiederholen: Ein großer Theil von Preußens <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0246" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191476"/> <p xml:id="ID_732" prev="#ID_731"> führerischen Lockungen so überreich ist, so muß das den Leuten als etwas gleich¬<lb/> sam Göttliches erscheinen."</p><lb/> <p xml:id="ID_733"> Eitelkeit und Selbstüberschätzung auf der einen, Unfähigkeit Widerspruch<lb/> zu ertragen und Hastigkeit auf der andern Seite scheinen die Hauptfehler des<lb/> durch die Protection seiner Clique aus Subalterner Stellung zum Statthalter<lb/> einer neu annectirten Provinz emporgekommenen Quintus zu sein. Denn Marcus<lb/> schreibt ihm weiter:</p><lb/> <p xml:id="ID_734"> „Ueber einen Punkt werde ich nicht aufhören, Dich zu vermahnen. Denn<lb/> ich will, soviel an mir liegt, an dem Lobe, das Dir zukommt, keine Flecken<lb/> dulden. Alle Leute, die aus Deiner Provinz hierherkommen und Deine guten<lb/> Eigenschaften kennen, rühmen, daß den Jähzorn ausgenommen alles an Dir<lb/> gut sei. Dies ist nun freilich leider ein Fehler, der schon im gewöhnlichen<lb/> Privatleben für das Kennzeichen eines eiteln Flachkvpfs gilt. Häßlicher ader<lb/> kann gewiß nichts sein als eine ausgedehnte Amtsgewalt, die mit heftigem<lb/> Sinn geübt wird. Ich will nicht die Zeit damit verthun. Dir nochmals zu<lb/> Gemüthe zu führen, was die weisesten Männer aller Zeiten gegen den Jähzorn<lb/> gesagt und geschrieben. Theils ist mein Brief ohnedies schon zu lang ge¬<lb/> worden; theils giebt es der Bücher genug, worin das Alles zu finden. Der<lb/> das, was so recht der eigentliche Beruf eines Briefs ist, nämlich dem Adressaten<lb/> selbst zu wissen zu thun, was er nicht weiß, das will ich nicht verabsäume».<lb/> Höre also: (und nun folgt eine sehr praktische Darlegung, wie schlimm es für<lb/> eine Obrigkeit sei, wenn sie ihre Leidenschaft nicht beherrschen kann und wenn<lb/> ihre Zunge mit ihr durchgeht.)</p><lb/> <p xml:id="ID_735"> Vielleicht veranlassen Sie diese wenigen Proben aus dem Briefe an Quintus,<lb/> welche ich meinem Briefe an Sie eingeschachtelt habe, das Original zu lesen;<lb/> und Sie werden mir dann beipflichten, wenn ich sage, die preußischen Statt¬<lb/> halter würden wohl thun, wenn sie diesen Brief nicht nur lasen, sondern auch<lb/> befolgten.</p><lb/> <p xml:id="ID_736"> Die in den neuen Provinzen allerdings im Wachsen begriffene Mißstimmung<lb/> ist nicht Folge der Verfassung des norddeutschen Bundes. Denn diese hat mit<lb/> alledem nichts zu schaffen. Wenn man sie auf ein parlamentarisches Conto<lb/> setzen will, so müßte es das des preußischen Abgeordnetenhauses sein, welches<lb/> im vorigen Herbst uns unsere,alte Verfassung und unsere Landstände genommen<lb/> hat, ohne uns neue zu geben, welches uns unter die Ministerien eingepfarrt,<lb/> aber uns diejenigen Volksrechte vorenthalten hat, welche die Ministerialgewalt<lb/> heilsam beschränken. Allein es wäre ohne Zweifel Unrecht, wenn man auf dieses<lb/> Conto alles setzen will.</p><lb/> <p xml:id="ID_737" next="#ID_738"> Gestatten Sie mir es zu wiederholen: Ein großer Theil von Preußens<lb/> Büreaukratie hat noch nicht das politische Bewußtsein des Großstaats gewonnen,<lb/> ist noch in kleinstaatlichen Anschauungen befangen. Nur ein Beispiel. Bei uns</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0246]
führerischen Lockungen so überreich ist, so muß das den Leuten als etwas gleich¬
sam Göttliches erscheinen."
Eitelkeit und Selbstüberschätzung auf der einen, Unfähigkeit Widerspruch
zu ertragen und Hastigkeit auf der andern Seite scheinen die Hauptfehler des
durch die Protection seiner Clique aus Subalterner Stellung zum Statthalter
einer neu annectirten Provinz emporgekommenen Quintus zu sein. Denn Marcus
schreibt ihm weiter:
„Ueber einen Punkt werde ich nicht aufhören, Dich zu vermahnen. Denn
ich will, soviel an mir liegt, an dem Lobe, das Dir zukommt, keine Flecken
dulden. Alle Leute, die aus Deiner Provinz hierherkommen und Deine guten
Eigenschaften kennen, rühmen, daß den Jähzorn ausgenommen alles an Dir
gut sei. Dies ist nun freilich leider ein Fehler, der schon im gewöhnlichen
Privatleben für das Kennzeichen eines eiteln Flachkvpfs gilt. Häßlicher ader
kann gewiß nichts sein als eine ausgedehnte Amtsgewalt, die mit heftigem
Sinn geübt wird. Ich will nicht die Zeit damit verthun. Dir nochmals zu
Gemüthe zu führen, was die weisesten Männer aller Zeiten gegen den Jähzorn
gesagt und geschrieben. Theils ist mein Brief ohnedies schon zu lang ge¬
worden; theils giebt es der Bücher genug, worin das Alles zu finden. Der
das, was so recht der eigentliche Beruf eines Briefs ist, nämlich dem Adressaten
selbst zu wissen zu thun, was er nicht weiß, das will ich nicht verabsäume».
Höre also: (und nun folgt eine sehr praktische Darlegung, wie schlimm es für
eine Obrigkeit sei, wenn sie ihre Leidenschaft nicht beherrschen kann und wenn
ihre Zunge mit ihr durchgeht.)
Vielleicht veranlassen Sie diese wenigen Proben aus dem Briefe an Quintus,
welche ich meinem Briefe an Sie eingeschachtelt habe, das Original zu lesen;
und Sie werden mir dann beipflichten, wenn ich sage, die preußischen Statt¬
halter würden wohl thun, wenn sie diesen Brief nicht nur lasen, sondern auch
befolgten.
Die in den neuen Provinzen allerdings im Wachsen begriffene Mißstimmung
ist nicht Folge der Verfassung des norddeutschen Bundes. Denn diese hat mit
alledem nichts zu schaffen. Wenn man sie auf ein parlamentarisches Conto
setzen will, so müßte es das des preußischen Abgeordnetenhauses sein, welches
im vorigen Herbst uns unsere,alte Verfassung und unsere Landstände genommen
hat, ohne uns neue zu geben, welches uns unter die Ministerien eingepfarrt,
aber uns diejenigen Volksrechte vorenthalten hat, welche die Ministerialgewalt
heilsam beschränken. Allein es wäre ohne Zweifel Unrecht, wenn man auf dieses
Conto alles setzen will.
Gestatten Sie mir es zu wiederholen: Ein großer Theil von Preußens
Büreaukratie hat noch nicht das politische Bewußtsein des Großstaats gewonnen,
ist noch in kleinstaatlichen Anschauungen befangen. Nur ein Beispiel. Bei uns
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