Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Das hieß doch eine raffinirte Unparteilichkeit! Aber was half nun solche Derselbe absolute Vorzug, den die römische Kirche für sich beanspruchte, Das hieß doch eine raffinirte Unparteilichkeit! Aber was half nun solche Derselbe absolute Vorzug, den die römische Kirche für sich beanspruchte, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0236" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191466"/> <p xml:id="ID_688"> Das hieß doch eine raffinirte Unparteilichkeit! Aber was half nun solche<lb/> peinliche Gewissenhaftigkeit mit dem Secirmesser und der Goldwage in der Hand?<lb/> Es war zu spät, auf so äußerlich rohe Weise ein Gleichgewicht zu retten, das<lb/> längst zu Gunsten des einen Rivalen definitiv gestört war. Die Kirche mochte<lb/> noch so viele Anstrengungen machen, vor der Welt die Parität zu wahren: in<lb/> ihr Herz hatte sie doch nur den einen geschlossen, der andere blieb ihr der<lb/> lästige Eindringling. In den Homilien des Clemens ist die Sage, daß Petrus<lb/> in Rom gewesen sei und daß er die Gemeinde gestiftet habe, zum ersten Mal<lb/> bis zu der Form gesteigert, daß Petrus der erste Bischof von Rom gewesen<lb/> sei und die Succession des römischen Episcovats eingesetzt habe. Es steht zwar<lb/> noch geraume Zeit an, bis auch diese Form der Sage, die den geschichtlichen<lb/> Verhältnissen gar zu unbefangen Hohn sprach — denn das erste Jahrhundert<lb/> kennt überhaupt noch keinen Epiecopat — die Anerkennung der Kirche erhielt.<lb/> Allein die Konsequenz brachte auch dieses fertig. Der unwiderstehliche Zug der<lb/> Sage, der die Stellung des Petrus fortwährend zu steigern beflissen ist. und<lb/> dem jetzt vie Tendenz einer monarchischen Organisation der Verfassung in die<lb/> Hand arbeitet, führte schließlich auch zu der Anerkennung des Satzes, daß<lb/> Petrus der erste Bischof von Rom. der Stellvertreter des Herrn in der ersten<lb/> Gemeinde gewesen sei. So willkommen die doppelte Autorität der beiden<lb/> Apostel war, als man in Rom zuerst eine Art von Primat in Anspruch zu<lb/> nehmen begann, so konnte das Ziel der Bewegung doch nicht diese, so zusagen<lb/> consularische Führung der Kirche sein: das Einhcitsinteressc, das zuerst auf<lb/> dogmatischen, jetzt auf kirchlichem Gebiet sich geltend machte, verlangte die<lb/> monarchische Spitze, und derselbe römische Geist des Centralismus, der im Staat<lb/> in der Idee des Kaiserthums gipfelte, führte, als das Christenthum seinen<lb/> Schwerpunkt nach der römischen Welt verlegt hatte, zur Concentration der<lb/> Kirchenverfassung im römischen Eviscopat.</p><lb/> <p xml:id="ID_689" next="#ID_690"> Derselbe absolute Vorzug, den die römische Kirche für sich beanspruchte,<lb/> siel so zurück auf den Apostel, der nicht blos ihr Gründer, sondern auch ihr<lb/> erster Bischof gewesen sein sollte. Und merkwürdigerweise, noch in dieser letzten<lb/> Ausgestaltung der Sage kehrt zum Beweis ihres logischen Zusammenhanges<lb/> sichtbar dasselbe Motiv wieder, das dem allerersten Auftauchen derselben zu<lb/> Grunde lag. Wir erinnern uns. der erste Anlaß für die Erhebung des Petrus<lb/> über seine geschichtliche Stellung hinaus war das Bedenken der Jerusalemiten.<lb/> daß sein Gegner, der nicht den persönlichen Umgang mit Jesus genossen, der<lb/> legitime Verbreiter seiner Lehre sein sollte. Nun da die Lehre überall verbreitet,<lb/> aber durch Ketzereien aller Art gefährdet ist, kehrt dasselbe Motiv in der Form<lb/> wieder, daß zur Bewahrung der Lehre eine Autorität gesucht wird, die in un¬<lb/> bestreitbarer Echtheit auf Jesus selbst zurückgeht, unmittelbar an ihn anknüpft.<lb/> Von ihm das Siegel der Beglaubigung erhält. In diesem Interesse wurde</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0236]
Das hieß doch eine raffinirte Unparteilichkeit! Aber was half nun solche
peinliche Gewissenhaftigkeit mit dem Secirmesser und der Goldwage in der Hand?
Es war zu spät, auf so äußerlich rohe Weise ein Gleichgewicht zu retten, das
längst zu Gunsten des einen Rivalen definitiv gestört war. Die Kirche mochte
noch so viele Anstrengungen machen, vor der Welt die Parität zu wahren: in
ihr Herz hatte sie doch nur den einen geschlossen, der andere blieb ihr der
lästige Eindringling. In den Homilien des Clemens ist die Sage, daß Petrus
in Rom gewesen sei und daß er die Gemeinde gestiftet habe, zum ersten Mal
bis zu der Form gesteigert, daß Petrus der erste Bischof von Rom gewesen
sei und die Succession des römischen Episcovats eingesetzt habe. Es steht zwar
noch geraume Zeit an, bis auch diese Form der Sage, die den geschichtlichen
Verhältnissen gar zu unbefangen Hohn sprach — denn das erste Jahrhundert
kennt überhaupt noch keinen Epiecopat — die Anerkennung der Kirche erhielt.
Allein die Konsequenz brachte auch dieses fertig. Der unwiderstehliche Zug der
Sage, der die Stellung des Petrus fortwährend zu steigern beflissen ist. und
dem jetzt vie Tendenz einer monarchischen Organisation der Verfassung in die
Hand arbeitet, führte schließlich auch zu der Anerkennung des Satzes, daß
Petrus der erste Bischof von Rom. der Stellvertreter des Herrn in der ersten
Gemeinde gewesen sei. So willkommen die doppelte Autorität der beiden
Apostel war, als man in Rom zuerst eine Art von Primat in Anspruch zu
nehmen begann, so konnte das Ziel der Bewegung doch nicht diese, so zusagen
consularische Führung der Kirche sein: das Einhcitsinteressc, das zuerst auf
dogmatischen, jetzt auf kirchlichem Gebiet sich geltend machte, verlangte die
monarchische Spitze, und derselbe römische Geist des Centralismus, der im Staat
in der Idee des Kaiserthums gipfelte, führte, als das Christenthum seinen
Schwerpunkt nach der römischen Welt verlegt hatte, zur Concentration der
Kirchenverfassung im römischen Eviscopat.
Derselbe absolute Vorzug, den die römische Kirche für sich beanspruchte,
siel so zurück auf den Apostel, der nicht blos ihr Gründer, sondern auch ihr
erster Bischof gewesen sein sollte. Und merkwürdigerweise, noch in dieser letzten
Ausgestaltung der Sage kehrt zum Beweis ihres logischen Zusammenhanges
sichtbar dasselbe Motiv wieder, das dem allerersten Auftauchen derselben zu
Grunde lag. Wir erinnern uns. der erste Anlaß für die Erhebung des Petrus
über seine geschichtliche Stellung hinaus war das Bedenken der Jerusalemiten.
daß sein Gegner, der nicht den persönlichen Umgang mit Jesus genossen, der
legitime Verbreiter seiner Lehre sein sollte. Nun da die Lehre überall verbreitet,
aber durch Ketzereien aller Art gefährdet ist, kehrt dasselbe Motiv in der Form
wieder, daß zur Bewahrung der Lehre eine Autorität gesucht wird, die in un¬
bestreitbarer Echtheit auf Jesus selbst zurückgeht, unmittelbar an ihn anknüpft.
Von ihm das Siegel der Beglaubigung erhält. In diesem Interesse wurde
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