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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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in anderweiter dienstlicher Stellung beschäftigt werden können, eine ungleich ge-,
ringere sein als jetzt.

Vielleicht erwählt sich auch mancher neu geschaffene Kreis dann einen Beam¬
ten zum Landrath, wenn vom Erfordernisse des größern ^Grundbesitzes abgesehen
wird, und mancher Beamte wird gern solch neuen Wirkungskreis als Ehrenamt
annehmen, zumal wenn ihm daneben -- was unsres Erachtens völlig unbedenk¬
lich -- der Bezug seiner von der Landrathsvergütnng natürlich durchaus geson¬
dert zu haltenden Pension gestattet wird.

Dringend warnen möchten wir aber vor einem Provisorium, wie es von den
Vermittlungsvorschlägen bevorwortet wird, ganz abgesehen von dem absoluten
Werth oder Unwerth derselben. Läßt sich die definitive Ordnung nicht gleich
herstellen, so schaffe man kein neues Provisorium, sondern lasse man die alten
Einrichtungen provisorisch fortbestehen. Dazu kommt, daß der Inhalt der Ver¬
mittlungsvorschläge zu den preußischen Institutionen fast im Gegensatz steht.
Das Grundprincip seiner Lokalverwaltung zu Gunsten oder zum Nachtheil einer
einzelnen Provinz in sein Strickes Gegentheil verwandeln, ist in einem so einheitlich
geschlossenen und an seiner inneren Festigung so emsig arbeitenden Staate, wie
es unser neues Heimathsrcich ist, aus die Dauer unmöglich. Mag man es
wünschen und hoffen, oder fürchten und bedauern, die Landrathsvcrsassung in
ihren Grundzügen wird und muß über kurz oder lang, wenn sie nicht etwa in
den alten Provinzen aufgehoben werden soll, auch die Provinz Hannover um¬
fassen. Wozu also die immer mißliche Hoffnung erregen, das Transitvrische könne
doch vielleicht Definitionen bleiben?

Jede, mit Rücksicht auf die gegenwärtig in der Provinz dawider herrschende
Abneigung und die sonstigen zur Zeit gegen ihre Einführung redenden Gründe,
jetzt eingerichtete anderweite Organisation kann unsrer unerschütterlichen Ueber¬
zeugung nach nur ein Provisorium schaffen, das später doch der Landrathsvcr¬
sassung weichen muß. Wozu aber, wenn doch ein Provisorium nöthig ist, nicht
einfach die bestehende Einrichtung provisorisch belassen und erst eine neue pro¬
visorische Organisation ins Leben rufen und damit Unzufriedenheit und Mi߬
muth wecken? Das aber würde die erste Folge der Ausführung der Vcrmitt-
lungsvorschlcige sein.

Die ganze Zahl der Orte, die den Amtssitz verlieren würden, die sämmt¬
lichen in die Landkreise eingereiheten bislang selbständigen Städte würden auf
Jahre hinaus zu Gegnern der Regierung gemacht werden. Eifersucht und Neid
unter den einzelnen Orten würden dieselbe traurige Rolle spielen, wie bei der
Organisation von 1859. Agitationen für Elhaltung, beziehungsweise Wieder¬
erlangung des Amtssitzes würden in gleicher Weise wie 1869 einen bedeutenden
Umfang gewinnen. Jeder Ort würde den Versuch machen, durch Petitionen
und Deputationen an höchster Stelle für sich etwas zu erreichen; das ganze


in anderweiter dienstlicher Stellung beschäftigt werden können, eine ungleich ge-,
ringere sein als jetzt.

Vielleicht erwählt sich auch mancher neu geschaffene Kreis dann einen Beam¬
ten zum Landrath, wenn vom Erfordernisse des größern ^Grundbesitzes abgesehen
wird, und mancher Beamte wird gern solch neuen Wirkungskreis als Ehrenamt
annehmen, zumal wenn ihm daneben — was unsres Erachtens völlig unbedenk¬
lich — der Bezug seiner von der Landrathsvergütnng natürlich durchaus geson¬
dert zu haltenden Pension gestattet wird.

Dringend warnen möchten wir aber vor einem Provisorium, wie es von den
Vermittlungsvorschlägen bevorwortet wird, ganz abgesehen von dem absoluten
Werth oder Unwerth derselben. Läßt sich die definitive Ordnung nicht gleich
herstellen, so schaffe man kein neues Provisorium, sondern lasse man die alten
Einrichtungen provisorisch fortbestehen. Dazu kommt, daß der Inhalt der Ver¬
mittlungsvorschläge zu den preußischen Institutionen fast im Gegensatz steht.
Das Grundprincip seiner Lokalverwaltung zu Gunsten oder zum Nachtheil einer
einzelnen Provinz in sein Strickes Gegentheil verwandeln, ist in einem so einheitlich
geschlossenen und an seiner inneren Festigung so emsig arbeitenden Staate, wie
es unser neues Heimathsrcich ist, aus die Dauer unmöglich. Mag man es
wünschen und hoffen, oder fürchten und bedauern, die Landrathsvcrsassung in
ihren Grundzügen wird und muß über kurz oder lang, wenn sie nicht etwa in
den alten Provinzen aufgehoben werden soll, auch die Provinz Hannover um¬
fassen. Wozu also die immer mißliche Hoffnung erregen, das Transitvrische könne
doch vielleicht Definitionen bleiben?

Jede, mit Rücksicht auf die gegenwärtig in der Provinz dawider herrschende
Abneigung und die sonstigen zur Zeit gegen ihre Einführung redenden Gründe,
jetzt eingerichtete anderweite Organisation kann unsrer unerschütterlichen Ueber¬
zeugung nach nur ein Provisorium schaffen, das später doch der Landrathsvcr¬
sassung weichen muß. Wozu aber, wenn doch ein Provisorium nöthig ist, nicht
einfach die bestehende Einrichtung provisorisch belassen und erst eine neue pro¬
visorische Organisation ins Leben rufen und damit Unzufriedenheit und Mi߬
muth wecken? Das aber würde die erste Folge der Ausführung der Vcrmitt-
lungsvorschlcige sein.

Die ganze Zahl der Orte, die den Amtssitz verlieren würden, die sämmt¬
lichen in die Landkreise eingereiheten bislang selbständigen Städte würden auf
Jahre hinaus zu Gegnern der Regierung gemacht werden. Eifersucht und Neid
unter den einzelnen Orten würden dieselbe traurige Rolle spielen, wie bei der
Organisation von 1859. Agitationen für Elhaltung, beziehungsweise Wieder¬
erlangung des Amtssitzes würden in gleicher Weise wie 1869 einen bedeutenden
Umfang gewinnen. Jeder Ort würde den Versuch machen, durch Petitionen
und Deputationen an höchster Stelle für sich etwas zu erreichen; das ganze


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/223>, abgerufen am 15.01.2025.