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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Beziehung stehen, die durch das Vertrauen des Kreises zu solchem Amte berufen
werden und die dies Amt als Ehrenamt bekleiden im Gegensatz zu den bis¬
herigen Berufsbcamten. Als unwesentlich scheint uns dabei das entschiedene
Vorwiegen der Grundaristokratic beim activen und passiven Wahlrecht des Land¬
raths. In diesem Sinne möchten wir zwischen der preußischen Einrichtung und
dem Bedürfnisse unsrer Provinz vermitteln sehn.

Wie in den alten Provinzen theils die Gutsbesitzer, theils die Kreisstände
den Landrath zu wählen haben, wie diese wieder verschieden in den einzelnen
Provinzen componirt sind, so wird bei Schaffung dieses Jnstitus für die Provinz
Hannover nothwendig den bürgerlichen Elementen der kleinen Städte und Flecken
und dem bäuerlichen Grundbesitz der ihm nach den realen Verhältnissen ge¬
bührende Einfluß gesichert werden müssen. Und diese Verhältnisse liegen hier
wesentlich anders, wie in den alten Provinzen.

Der rittcrschaftliche Grundbesitz sämmtlicher Ackergüter, die kleinsten Bauer-
steilen eingeschlossen, betrug nach Procenten im Jahre 1887:

in der Provinz Pommern os Procent.
., " Posen 53
" " " Schlesien 61
" " " Brandenburg 38'/-- "
" " " Preußen 29
" " .. Sachsen 23'/2 "
" " Westfalen 8

In der Provinz Hannover beträgt das gestimmte Areal der Rittergüter an
Ackerland und Wiesen nur etwa S°/<> des Gesammt-Grund und Bodens.

Die alten Provinzen sind also weit stärker mit ritterschaftlichen Grund-
besitz versehen als Hannover, und da liegt es auf der Hand, daß den Ritter¬
gutsbesitzern hier nicht derselbe überwiegende Einfluß zugestanden werden kann.
Dazu kommt, daß in den alten Provinzen das Landrathssystem seit langen
Jahren Wurzel geschlagen hat, daß der preußische Adel seit Generationen seine
Ehre und seinen Stolz darein gesetzt hat, in dem Ehrenamt als Landrath seinem
Kreise seine besten Kräfte zu widmen.

Leider liegt dies in Hannover wesentlich anders; persönliche Beziehungen
zwischen Gutsbesitzer und Bauer giebt es nach den Ablösungen kaum noch; von
einigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen, haben sich die Gutsbesitzer meist
weder um die Gemeindeangelegenheiten noch um die Zwecke der Amtsvertretung
gekümmert, und ein aufrichtiges Vertrauen zwischen einem durch die Ritterschaft
erwählten ritterschaftlichen Landrath und der großen Menge des Bürger- und
Bauernstandes hervorzurufen, würde in vielen Bezirken mindestens lange Zeit
erfordern.

Das Wahlrecht den auf Grund der realen Verhältnisse zu organisirenden


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Beziehung stehen, die durch das Vertrauen des Kreises zu solchem Amte berufen
werden und die dies Amt als Ehrenamt bekleiden im Gegensatz zu den bis¬
herigen Berufsbcamten. Als unwesentlich scheint uns dabei das entschiedene
Vorwiegen der Grundaristokratic beim activen und passiven Wahlrecht des Land¬
raths. In diesem Sinne möchten wir zwischen der preußischen Einrichtung und
dem Bedürfnisse unsrer Provinz vermitteln sehn.

Wie in den alten Provinzen theils die Gutsbesitzer, theils die Kreisstände
den Landrath zu wählen haben, wie diese wieder verschieden in den einzelnen
Provinzen componirt sind, so wird bei Schaffung dieses Jnstitus für die Provinz
Hannover nothwendig den bürgerlichen Elementen der kleinen Städte und Flecken
und dem bäuerlichen Grundbesitz der ihm nach den realen Verhältnissen ge¬
bührende Einfluß gesichert werden müssen. Und diese Verhältnisse liegen hier
wesentlich anders, wie in den alten Provinzen.

Der rittcrschaftliche Grundbesitz sämmtlicher Ackergüter, die kleinsten Bauer-
steilen eingeschlossen, betrug nach Procenten im Jahre 1887:

in der Provinz Pommern os Procent.
., „ Posen 53
„ „ „ Schlesien 61
„ „ „ Brandenburg 38'/-- „
„ „ „ Preußen 29
„ „ .. Sachsen 23'/2 „
„ „ Westfalen 8

In der Provinz Hannover beträgt das gestimmte Areal der Rittergüter an
Ackerland und Wiesen nur etwa S°/<> des Gesammt-Grund und Bodens.

Die alten Provinzen sind also weit stärker mit ritterschaftlichen Grund-
besitz versehen als Hannover, und da liegt es auf der Hand, daß den Ritter¬
gutsbesitzern hier nicht derselbe überwiegende Einfluß zugestanden werden kann.
Dazu kommt, daß in den alten Provinzen das Landrathssystem seit langen
Jahren Wurzel geschlagen hat, daß der preußische Adel seit Generationen seine
Ehre und seinen Stolz darein gesetzt hat, in dem Ehrenamt als Landrath seinem
Kreise seine besten Kräfte zu widmen.

Leider liegt dies in Hannover wesentlich anders; persönliche Beziehungen
zwischen Gutsbesitzer und Bauer giebt es nach den Ablösungen kaum noch; von
einigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen, haben sich die Gutsbesitzer meist
weder um die Gemeindeangelegenheiten noch um die Zwecke der Amtsvertretung
gekümmert, und ein aufrichtiges Vertrauen zwischen einem durch die Ritterschaft
erwählten ritterschaftlichen Landrath und der großen Menge des Bürger- und
Bauernstandes hervorzurufen, würde in vielen Bezirken mindestens lange Zeit
erfordern.

Das Wahlrecht den auf Grund der realen Verhältnisse zu organisirenden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/219>, abgerufen am 15.01.2025.