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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Teufel erscheinen in der oberen Reihe statt Pan und des Achelouskopfes; se.t-
wärts hält ein junger Mann von der Höhe des Abhanges eine Anrede an du
unten versammelte andächtige Gemeinde. Ungeachtet der Entstellung zu einem
nürnberger Familienbilde erkennt man fast alle einzelnen Gestalten rü den spä-
teren Abbildungen wieder, und daß für diese Auffassung des Reliefs nicht s>
wohl Cyriacus als Schedel verantwortlich ist, beweist auch das nürnberger
Eostum der Figuren.

Unter den Schedelschen Zeichnungen findet sich nun auch eine Abbildung
jenes Mercurius. welcher bei Cynacus eine so große Rolle spielt. Trotz
aller Entstellungen bedarf es für den Kundigen nicht der Unterschrift: Hermes,
Mercurius. um das Bild eines spitzbärtigen Mercur mit Flügelhut. Flügel-
schuhen und Schlangenstab. in schreitender Stellung zu erkennen, wie ihn die
archaische Kunst zu bilden pflegt, deren eigenthümliche Faltenmotive auch in der ganz
mißverstandenen Gewandung noch hervortreten. Immer bleibt es merkwürdig,
daß grade ein Werk der älteren griechischen Kunst, die nicht durch Formschönhe.t
einen bestechenden Eindruck machen können, auf Cyriacus eine so tiefe Wirkung hatte.

Als Prof. Springer Schedels Zeichnung sah, erkannte er darin sofort das
Vorbild einer interessanten, in Wien befindlichen Handzeichnung Albrecht
Dürers. Dieser hat sich durch eine wunderliche Allegorie Lucians ange¬
zogen gefühlt. die ihm wohl durch Pirkhamer bekannt geworden sein mochte,
einen großen Verehrer Lucians. den er auch übersetzt hat. Lucian erzählt in
einem seiner sophistischen Vorträge, daß er bei den Celten ein Bild gesehen
habe, welches Herkules mit seinen gewöhnlichen Attributen, aber als kahl-
köpfigen Greis darstellte, wie er an einer goldenen an seiner Zunge befestig¬
ten Kette eine Schaar von Menschen, denen die Kette um die Ohren
geschlungen war. nach sich zog. Auf Befragen sei ihm dann berichtet worden,
dieser Hercules sei eigentlich der Gott, welchen die Griechen Hermes (die
Römer Mercurius) benennten, und bedeute die Rede, welche vom Munde
ausgehend und in die Ohren eindringend, die Menschen wie mit goldenen
Ketten fessele und unwiderstehlich nach sich ziehe. Als Albr. Dürer den Ge¬
danken saßte. das Bild des Lucian zu reproduciren, sah er ganz richtig ein,
daß er, um verständlich zu sein, den angeblichen celtischen Herkules beseitigen
und sich an den als Gott der Rede bekannten Mercur halten müsse. Diesen
stellte er also durch die Luft schreitend dar, wie er mit der an seiner Zunge
befestigten Kette vier Menschen, ein junges Weib, einen Ritter, einen Geist-
lichen und einen Bürger, an den Ohren von der Erde fort sich nachzieht. In
der Ecke des Blattes ist mit zierlichen griechischen Uncialen, wenn auch nicht
ganz correct, eine Reihe griechischer Beiworte des Mercur angeschrieben, die
sich ziemlich ebenso bei dem im Jahre 1505 zuerst gedruckten Cornutus finde".
Dieser Mercur nun ist die von Meisterhand gezeichnete, aber in all.n aus


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Teufel erscheinen in der oberen Reihe statt Pan und des Achelouskopfes; se.t-
wärts hält ein junger Mann von der Höhe des Abhanges eine Anrede an du
unten versammelte andächtige Gemeinde. Ungeachtet der Entstellung zu einem
nürnberger Familienbilde erkennt man fast alle einzelnen Gestalten rü den spä-
teren Abbildungen wieder, und daß für diese Auffassung des Reliefs nicht s>
wohl Cyriacus als Schedel verantwortlich ist, beweist auch das nürnberger
Eostum der Figuren.

Unter den Schedelschen Zeichnungen findet sich nun auch eine Abbildung
jenes Mercurius. welcher bei Cynacus eine so große Rolle spielt. Trotz
aller Entstellungen bedarf es für den Kundigen nicht der Unterschrift: Hermes,
Mercurius. um das Bild eines spitzbärtigen Mercur mit Flügelhut. Flügel-
schuhen und Schlangenstab. in schreitender Stellung zu erkennen, wie ihn die
archaische Kunst zu bilden pflegt, deren eigenthümliche Faltenmotive auch in der ganz
mißverstandenen Gewandung noch hervortreten. Immer bleibt es merkwürdig,
daß grade ein Werk der älteren griechischen Kunst, die nicht durch Formschönhe.t
einen bestechenden Eindruck machen können, auf Cyriacus eine so tiefe Wirkung hatte.

Als Prof. Springer Schedels Zeichnung sah, erkannte er darin sofort das
Vorbild einer interessanten, in Wien befindlichen Handzeichnung Albrecht
Dürers. Dieser hat sich durch eine wunderliche Allegorie Lucians ange¬
zogen gefühlt. die ihm wohl durch Pirkhamer bekannt geworden sein mochte,
einen großen Verehrer Lucians. den er auch übersetzt hat. Lucian erzählt in
einem seiner sophistischen Vorträge, daß er bei den Celten ein Bild gesehen
habe, welches Herkules mit seinen gewöhnlichen Attributen, aber als kahl-
köpfigen Greis darstellte, wie er an einer goldenen an seiner Zunge befestig¬
ten Kette eine Schaar von Menschen, denen die Kette um die Ohren
geschlungen war. nach sich zog. Auf Befragen sei ihm dann berichtet worden,
dieser Hercules sei eigentlich der Gott, welchen die Griechen Hermes (die
Römer Mercurius) benennten, und bedeute die Rede, welche vom Munde
ausgehend und in die Ohren eindringend, die Menschen wie mit goldenen
Ketten fessele und unwiderstehlich nach sich ziehe. Als Albr. Dürer den Ge¬
danken saßte. das Bild des Lucian zu reproduciren, sah er ganz richtig ein,
daß er, um verständlich zu sein, den angeblichen celtischen Herkules beseitigen
und sich an den als Gott der Rede bekannten Mercur halten müsse. Diesen
stellte er also durch die Luft schreitend dar, wie er mit der an seiner Zunge
befestigten Kette vier Menschen, ein junges Weib, einen Ritter, einen Geist-
lichen und einen Bürger, an den Ohren von der Erde fort sich nachzieht. In
der Ecke des Blattes ist mit zierlichen griechischen Uncialen, wenn auch nicht
ganz correct, eine Reihe griechischer Beiworte des Mercur angeschrieben, die
sich ziemlich ebenso bei dem im Jahre 1505 zuerst gedruckten Cornutus finde».
Dieser Mercur nun ist die von Meisterhand gezeichnete, aber in all.n aus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/21>, abgerufen am 15.01.2025.