Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.kräfte schließlich auch den Staatsfinanzen zu Gute kommen müsse, übersieht kräfte schließlich auch den Staatsfinanzen zu Gute kommen müsse, übersieht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0208" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191438"/> <p xml:id="ID_578" prev="#ID_577" next="#ID_579"> kräfte schließlich auch den Staatsfinanzen zu Gute kommen müsse, übersieht<lb/> dabei aber, daß das Staats- und Voltsvermögen verschiedene Dinge sind, die<lb/> nur mittelbar auf einander Wirten. Allerdings sind im abgelaufenen Monate<lb/> nicht weniger als drei neue Eisenbahnen (Riga-Mttau, Mitau-Libau und Kowno-<lb/> Schaulen-Libau) allein in den Westprovinzen concessionirt und verschiedene Bahn¬<lb/> strecken im Innern des Reichs (unter diesen die wichtige Linie Tiraspol-Bjäla)<lb/> dem Verkehr übergeben worden, — wie weit Nußland aber noch von einer<lb/> gesunden Finanzpolitik entfernt ist, hat sich durch die gleichzeitige Emission von<lb/> 25 Millionen Papiergeld (angeblich zu Handelszwccken gegen bei der Bank<lb/> deponirte Schatzdons) und durch das zähe Festhalten an dem protectionistischen<lb/> Zolltauf bewiesen. Die vielbesprochene Revision desselben, zu welcher dieses<lb/> Mal die Theilnahme der Handelskammern der wichtigsten Plätze erbeten worden<lb/> ist, geschieht eingestandener Maßen in ploleclivniflischcm Sinne und die<lb/> neuerdings aus Petersburg gemeldete Entlassung des Fmcuizministers von Reu¬<lb/> tern, der durch den General Grcigh ersetzt werden soll, hat keineswegs die Be¬<lb/> deutung, welche ihr von der berliner Geschäftswelt zugeschrieben wird. War<lb/> Herr v. Reutern nicht Fachmann, so ist es der General Greigh, e>n ehemaliger<lb/> Gardeoffiz>e>. der im vorigen Sommer aus der Manne in die Finanzverwaltung<lb/> trat, »och sehr viel weniger und die Versicherung, derselbe sei ein „Vertrauens¬<lb/> mann" dir russischen Börsen und Finanzkreise, ist gradezu aus der Lust gegriffen.<lb/> Wenn der bisherige Finanzmirnster Rußlands wenig beliebt war, so rührte e>e<lb/> Unpopulärst desselben weniger von den zahlreichen unglücklichen Unternehmungen<lb/> desselben, wie von gewissen sreihändlenschcn Neigungen her. die ihm von den<lb/> moskauer Protectionistcn nachgesagt wurden. Trotz der harten Schläge, welche<lb/> das russische Finanzwesen seit den letzten vier Jahren erfahren hat und welche<lb/> den Wechselcvurs wiederholt (z. B. wahrend des vorigen Sommers und beim<lb/> Beginn des luxemburger Handels) dio zu 36 Procent unter Pari herabdrückten,<lb/> ist die öffentliche Meinung übrigens noch immer sehr viel lebhafter mit Problemen des<lb/> nationalen Ehrgeizes beschäftigt, als mit wirthschaftlichen und finanziellen Fragen.<lb/> Durchblättert man die russischen Journale der letzten Wochen, so findet man,<lb/> daß nicht von diesen, sondern nur von äußern und innern Eroberungen die<lb/> Rede ist. Die (duich die Aufhebung des warschauer Administrationsrechts nahezu<lb/> vollendete) Assimilation Polens, die Russificirung Lithauens und der neuerdings<lb/> demselben Loose gewidmeten Ostseeprovinzen Liv-,Est' und Kurland, die Eroberungen<lb/> in Buchara und ore orientalische Frage sind unausgesetzt auf der Tages¬<lb/> ordnung und werden immer wieder der öffentlichen Ausmelklamkett empfohlen.<lb/> Hat die Moskaner Zettung, das allmächtige Hauptorgan der Nationalpartei. in<lb/> einer Nummer nachgewiesen, daß Rußland noch vor seinen letzten Siegen bei<lb/> Samaikand um eine Million turtcstanischer Unterthanen und eine jährliche<lb/> Einnahme von 611,700 Rubel S. reicher geworden sei, so dcducirl sie in<lb/> ihrem nächsten Lcitariitel. daß neben dem Machtzuwachs im Osten der im Westen<lb/> (und die orientalische Fiage ist vom moskauer Standpunkte aus eine occidentale)<lb/> nicht vergessen werten dürfe. Grade während der letzten Tage hat die Agitation<lb/> zu Gunsten eines energischen Einschreitens gegen die Psorctc und für die Can-<lb/> divten einen besondern Aufschwung genommen. „Für Frankreich," so heißt es<lb/> in einer der letzten Nun mein des moskauer Blattes, „ist die orientalische Frage<lb/> immer nur ein Mittel zum Zweck gewesen, seine Stellung zu den Dingen im<lb/> Orient hängt ven andern Combinationen ab und kann durch diese stets verar-<lb/> beit werden, während für Nußland alle übrigen europäischen<lb/> Fragen nur in soweit eine Bedeutung haben, als sie auf die<lb/> orientalische einwirken. Unsere Ziele im Orient können durch dieselbe</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0208]
kräfte schließlich auch den Staatsfinanzen zu Gute kommen müsse, übersieht
dabei aber, daß das Staats- und Voltsvermögen verschiedene Dinge sind, die
nur mittelbar auf einander Wirten. Allerdings sind im abgelaufenen Monate
nicht weniger als drei neue Eisenbahnen (Riga-Mttau, Mitau-Libau und Kowno-
Schaulen-Libau) allein in den Westprovinzen concessionirt und verschiedene Bahn¬
strecken im Innern des Reichs (unter diesen die wichtige Linie Tiraspol-Bjäla)
dem Verkehr übergeben worden, — wie weit Nußland aber noch von einer
gesunden Finanzpolitik entfernt ist, hat sich durch die gleichzeitige Emission von
25 Millionen Papiergeld (angeblich zu Handelszwccken gegen bei der Bank
deponirte Schatzdons) und durch das zähe Festhalten an dem protectionistischen
Zolltauf bewiesen. Die vielbesprochene Revision desselben, zu welcher dieses
Mal die Theilnahme der Handelskammern der wichtigsten Plätze erbeten worden
ist, geschieht eingestandener Maßen in ploleclivniflischcm Sinne und die
neuerdings aus Petersburg gemeldete Entlassung des Fmcuizministers von Reu¬
tern, der durch den General Grcigh ersetzt werden soll, hat keineswegs die Be¬
deutung, welche ihr von der berliner Geschäftswelt zugeschrieben wird. War
Herr v. Reutern nicht Fachmann, so ist es der General Greigh, e>n ehemaliger
Gardeoffiz>e>. der im vorigen Sommer aus der Manne in die Finanzverwaltung
trat, »och sehr viel weniger und die Versicherung, derselbe sei ein „Vertrauens¬
mann" dir russischen Börsen und Finanzkreise, ist gradezu aus der Lust gegriffen.
Wenn der bisherige Finanzmirnster Rußlands wenig beliebt war, so rührte e>e
Unpopulärst desselben weniger von den zahlreichen unglücklichen Unternehmungen
desselben, wie von gewissen sreihändlenschcn Neigungen her. die ihm von den
moskauer Protectionistcn nachgesagt wurden. Trotz der harten Schläge, welche
das russische Finanzwesen seit den letzten vier Jahren erfahren hat und welche
den Wechselcvurs wiederholt (z. B. wahrend des vorigen Sommers und beim
Beginn des luxemburger Handels) dio zu 36 Procent unter Pari herabdrückten,
ist die öffentliche Meinung übrigens noch immer sehr viel lebhafter mit Problemen des
nationalen Ehrgeizes beschäftigt, als mit wirthschaftlichen und finanziellen Fragen.
Durchblättert man die russischen Journale der letzten Wochen, so findet man,
daß nicht von diesen, sondern nur von äußern und innern Eroberungen die
Rede ist. Die (duich die Aufhebung des warschauer Administrationsrechts nahezu
vollendete) Assimilation Polens, die Russificirung Lithauens und der neuerdings
demselben Loose gewidmeten Ostseeprovinzen Liv-,Est' und Kurland, die Eroberungen
in Buchara und ore orientalische Frage sind unausgesetzt auf der Tages¬
ordnung und werden immer wieder der öffentlichen Ausmelklamkett empfohlen.
Hat die Moskaner Zettung, das allmächtige Hauptorgan der Nationalpartei. in
einer Nummer nachgewiesen, daß Rußland noch vor seinen letzten Siegen bei
Samaikand um eine Million turtcstanischer Unterthanen und eine jährliche
Einnahme von 611,700 Rubel S. reicher geworden sei, so dcducirl sie in
ihrem nächsten Lcitariitel. daß neben dem Machtzuwachs im Osten der im Westen
(und die orientalische Fiage ist vom moskauer Standpunkte aus eine occidentale)
nicht vergessen werten dürfe. Grade während der letzten Tage hat die Agitation
zu Gunsten eines energischen Einschreitens gegen die Psorctc und für die Can-
divten einen besondern Aufschwung genommen. „Für Frankreich," so heißt es
in einer der letzten Nun mein des moskauer Blattes, „ist die orientalische Frage
immer nur ein Mittel zum Zweck gewesen, seine Stellung zu den Dingen im
Orient hängt ven andern Combinationen ab und kann durch diese stets verar-
beit werden, während für Nußland alle übrigen europäischen
Fragen nur in soweit eine Bedeutung haben, als sie auf die
orientalische einwirken. Unsere Ziele im Orient können durch dieselbe
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