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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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theilung des Romancyklus "Deutschland in Sturm und Drang" (4 Bde.).
Hiernach ist zu hoffen, daß noch weitere Abtheilungen folgenwerden. Leider schließt
sich die Lücke in der Literatur, die durch derartige Werke ausgefüllt werden soll,
nicht und wenn man noch Hekatomben von historischen Romanen hineinwitft;
es kann nur dadurch geholfen werden, daß die Verfasser ihr Handwerkszeug
selbst opfern.

Der Lyrik und Epik fruchtbarer Boden wird ebenfalls wie bisher kräftig
angebaut. Wenn auch die Dichter unserer Tage schon längst über den Stand¬
punkt jenes goetheschen Sängers hinaus sind und sich durch das Lied, das
aus der Kehle dringt, nicht reichlich belohnt sehen, so führt sie der Verleger zu
dieser alten Ansicht doch dadurch zurück, daß er meist keine Honorare zahlt;
vielleicht gar muß der Dichter selber noch ausstatten, was ihm seine Muse
geboren. Da es aber des Buchhändlers Aufgabe ist, Gedrucktes unter die Leute
zu bringen, so mag aus Verschiedenem Einiges herausgegriffen sein. Manches
wird man nicht unbefriedigt aus der Hand legen. Ich nenne: "Blüthen Girier
Weltanschauung. Dichtungen" von U. R. Schmid, "Blätter und Blättchen,
gefunden in guten und bösen Tagen", "Gedichte" von Vorbrodt, "Leyer und
Herz. Gedichte" von C- Hering. .Balladen" von F. Meyer, schlesische (Dialekt.)
Gedichte unter dem Titel: "Aus Krieg und Frieden" von N. Nößler. Auch
die Dichtung "Jrad und Zilla" von Büttner, das harmlose Epos "Samiel
hilf" von Baumbach und Bornemann "Borussia" mögen genannt sein. In
letzterer findet sich unter anderen folgende Stanze:


"Vom Süden aber nahm in mächtgen Zügen
Die Bayern und das achte Bundescorps.
Die kleine Preußenschaar muß unterliegen,
So wähnen sie; es traf ihr gläubig Ohr
Die Lügenmähr von Oestreichs großen Siegen
In Böhmen, und der Zeitungsschreiber Chor
Verbreitet Wiens Depeschen mit Behagen:
"Die Preußen sind total aufs Haupt geschlagen."

Goethe sagt wahrhaftig mit Recht in seinem Gedichte "Musen und Grazien
in der Mark":


"Ob sich gleich auf deutsch nichts reimet,
Reime der Deutsche dennoch fort."

Ein fast Verschollener mag den Bericht schließen. Niclas Müller sendet
aus Amerika ein hübsches Bändchen "Neue Lieder und Gedichte", die er selbst
gedruckt. Sie zeigen, daß auch in der Prosa des amerikanischen Lebens noch
Zeit zum Dichten bleibt und enthalten manches Schöne. Vor allem erfreut
aber die Liebe zum alten Vaterland und gerne schließen wir mit dem übers
Meer kommenden Rufe;


theilung des Romancyklus „Deutschland in Sturm und Drang" (4 Bde.).
Hiernach ist zu hoffen, daß noch weitere Abtheilungen folgenwerden. Leider schließt
sich die Lücke in der Literatur, die durch derartige Werke ausgefüllt werden soll,
nicht und wenn man noch Hekatomben von historischen Romanen hineinwitft;
es kann nur dadurch geholfen werden, daß die Verfasser ihr Handwerkszeug
selbst opfern.

Der Lyrik und Epik fruchtbarer Boden wird ebenfalls wie bisher kräftig
angebaut. Wenn auch die Dichter unserer Tage schon längst über den Stand¬
punkt jenes goetheschen Sängers hinaus sind und sich durch das Lied, das
aus der Kehle dringt, nicht reichlich belohnt sehen, so führt sie der Verleger zu
dieser alten Ansicht doch dadurch zurück, daß er meist keine Honorare zahlt;
vielleicht gar muß der Dichter selber noch ausstatten, was ihm seine Muse
geboren. Da es aber des Buchhändlers Aufgabe ist, Gedrucktes unter die Leute
zu bringen, so mag aus Verschiedenem Einiges herausgegriffen sein. Manches
wird man nicht unbefriedigt aus der Hand legen. Ich nenne: „Blüthen Girier
Weltanschauung. Dichtungen" von U. R. Schmid, „Blätter und Blättchen,
gefunden in guten und bösen Tagen", „Gedichte" von Vorbrodt, „Leyer und
Herz. Gedichte" von C- Hering. .Balladen" von F. Meyer, schlesische (Dialekt.)
Gedichte unter dem Titel: „Aus Krieg und Frieden" von N. Nößler. Auch
die Dichtung „Jrad und Zilla" von Büttner, das harmlose Epos „Samiel
hilf" von Baumbach und Bornemann „Borussia" mögen genannt sein. In
letzterer findet sich unter anderen folgende Stanze:


„Vom Süden aber nahm in mächtgen Zügen
Die Bayern und das achte Bundescorps.
Die kleine Preußenschaar muß unterliegen,
So wähnen sie; es traf ihr gläubig Ohr
Die Lügenmähr von Oestreichs großen Siegen
In Böhmen, und der Zeitungsschreiber Chor
Verbreitet Wiens Depeschen mit Behagen:
„Die Preußen sind total aufs Haupt geschlagen."

Goethe sagt wahrhaftig mit Recht in seinem Gedichte „Musen und Grazien
in der Mark":


„Ob sich gleich auf deutsch nichts reimet,
Reime der Deutsche dennoch fort."

Ein fast Verschollener mag den Bericht schließen. Niclas Müller sendet
aus Amerika ein hübsches Bändchen „Neue Lieder und Gedichte", die er selbst
gedruckt. Sie zeigen, daß auch in der Prosa des amerikanischen Lebens noch
Zeit zum Dichten bleibt und enthalten manches Schöne. Vor allem erfreut
aber die Liebe zum alten Vaterland und gerne schließen wir mit dem übers
Meer kommenden Rufe;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/200>, abgerufen am 15.01.2025.