Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Kurhessen als Preußische Provinz. Die "Grenzboten" bringen von Zeit zu Zeit eingehende Berichte über die Kurhessen hat Lustra hindurch an einer mindestens ebenso schweren Mi߬ Grenzl>o!er III, 1867, ^
Kurhessen als Preußische Provinz. Die „Grenzboten" bringen von Zeit zu Zeit eingehende Berichte über die Kurhessen hat Lustra hindurch an einer mindestens ebenso schweren Mi߬ Grenzl>o!er III, 1867, ^
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Kurhessen als Preußische Provinz.
Die „Grenzboten" bringen von Zeit zu Zeit eingehende Berichte über die
Zustände in den neuen preußischen Provinzen, namentlich über Schleswig-Hol¬
stein und über Nassau, wo so vieles äußerst reformbedürftig ist. Lassen Sie
mich diese Berichte durch einen solchen aus Kurhessen vervollständigen. Ich bin,
wie Sie wissen, nicht Kurhesse, kenne aber dieses Land aus eigener Anschauung
und glaube für die Nichtigkeit meiner Schilderung einstehen zu können. Jeden¬
falls ist meine Auffassung eine unbefangene, und soweit ich genöthigt bin, gegen
das Vorgehen der preußischen Negierung mich tadelnd auszusprechen, werden
Sie überzeugt sein, daß dies in nationalem und nicht in particularistischcm
Interesse geschieht.
Kurhessen hat Lustra hindurch an einer mindestens ebenso schweren Mi߬
regierung gelitten, wie Nassau. Herr Hassenpflug mit seinen Muckern und
Herr Werren mit seinen Klerikalen geben einander nichts heraus. Allein die
Mißregicrung hatte in Hessen nicht solche Verheerungen angerichtet, wie in
Nassau. Es gab dort Bollwerke, welche von der schmutzigen Sündfluth der
Reaction weder überschwemmt, noch unterwühlt worden sind. Die Verfassung
von 1831 und die gleichzeitig mit deren Vereinbarung zwischen dem Fürsten und
den Landständen geschlossenen Verträge waren dort in Fleisch und Blut über¬
gegangen, sie hatten in dem Rechtsbewußtsein der Bevölkerung sehr tiefe Wurzeln
geschlagen; und dieser altkattische Volksstamm hat sich stets durch sein eisernes
Rechtsbewußtsein ausgezeichnet und durch den zwar etwas passiven, aber desto
unerschütterlicheren Muth in den schweren Leiden, weiche eine höchst eigenthüm¬
lich geartete Dynastie unter den drei letzten Regenten über das unglückliche
Land heraufbeschworen, und die das Voll, oder wenigstens große Schichten
desselben fast wieder vergessen zu haben scheint; denn sein Gemüth ist stets zum
Vergeben geneigt und sein Gedächtniß ist kurz — fast zu kurz möchten wir
sagen — für erlittenes Unbild. - Als es sich darum handelte, ob das Land
Grenzl>o!er III, 1867, ^
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