Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.allgemein im Rufe, der gelehrteste Kenner des griechischen Alterthums und der allgemein im Rufe, der gelehrteste Kenner des griechischen Alterthums und der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0017" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191247"/> <p xml:id="ID_23" prev="#ID_22" next="#ID_24"> allgemein im Rufe, der gelehrteste Kenner des griechischen Alterthums und der<lb/> eleganteste Stilist zu sein, ein Ruf, welchen er durch Schriften antiquarischer<lb/> und politisch-theologischer Richtung rechtfertigte. Als eine Autorität ersten<lb/> Ranges wurde er, wiewohl kein Geistlicher und als Freidenker bekannt, vom<lb/> Kaiser Johannes Paläologus über die Vereinigung der römischen und griechischen<lb/> Kirche zu Rathe gezogen und 1437 zum Concil nach Florenz abgeordnet. Er<lb/> hatte sich immer gegen die Vereinigung ausgesprochen und deshalb auf die<lb/> Verhandlungen des Concils, obgleich er sich an den Arbeiten betheiligte, einen<lb/> bestimmenden Einfluß weder gesucht noch geübt. Seine Aussichten gingen wei¬<lb/> ter; man hatte von ihm in Florenz die Aeußerung gehört, binnen kurzer Zeit<lb/> werde weder vom Christenthum, noch Islam, noch Judenthum die Rede sein,<lb/> eine neue, reinere Religion werde herrschen, die dem Heidemhum am nächsten<lb/> verwandt sei. Von tief eingreifender Bedeutung aber war sein Aufenthalt in<lb/> Florenz dadurch, daß seine Begeisterung für Plato und platonische Philo¬<lb/> sophie, die er wie ein Evangelium verkündigte, in geistreichen Florentinern<lb/> zündete und ein neues, mächtig wirkendes Ferment in den Bildungsproceß des<lb/> Abendlandes warf. Die nächste Folge seines Auftretens war einerseits der<lb/> mit der heftigsten Leidenschaft zunächst von den Griechen geführte Streit um die<lb/> Autorität des Pi.alö und Aristoteles, anderseits die Stiftung der plato¬<lb/> nischen Aka.de mie, zu deren Propheten Cosinus von Medici den jungen<lb/> Marsiglio Ficino förmlich heranziehen ließ. Diese rief zwar eine mystische<lb/> Dämmerung hervor, in deren Halbtraum geistreiche Männer schwelgen konnten,<lb/> die es auch nicht für Raub an ihrer Kirche achteten, ihrem Heiligen Plato eine<lb/> ewige Lampe anzuzünden und das Rauchfaß zu schwingen; aber die geistige<lb/> Kraft des großen Philosophen, einmal zur Geltung gebracht, drang durch allen<lb/> Nebel hindurch, wie sie heute noch belebend wirkt. Plethon, der nach dem<lb/> Concil wieder nach Sparta zurückkehrte, trat nicht mehr an die Oeffent-<lb/> lichkeit, allein nach seinem Tode fand sich ein ausgearbeitetes Wert vor, das<lb/> die von ihm beabsichtigte und offenbar für ausführbar gehaltene Refor¬<lb/> mation darlegte und begründete. Es wurde seinem erbitterten aristotelischen<lb/> Gegner, dem damaligen Patriarchen Gennadios ausgeliefert, der es<lb/> vernichtete und mit dem Bann belegte. Allein es müssen doch wenigstens<lb/> theilweise Abschriften existirt haben, und die Bruchstücke, welche davon bekannt<lb/> geworden sind, geben mehr als hinreichenden Aufschluß über die Phantasmen<lb/> des bethörten Mannes. Seine geistige Kraft hatte er an das Studium Platos<lb/> und dessen, was ihm als platonische Philosophie galt d. h. was Ncupythagoräer,<lb/> Neuplatoniker und andere wundersame philosophische und theologische Secten<lb/> daraus verspeculirt hatten, gesetzt. Für das Gebräu, welches in diesem Misch¬<lb/> kessel theologische Grübelei und philosophischer Mysticismus gemengt haben, sind<lb/> wenige Köpfe stark genug gewesen: den des Plethon hatte es völlig umnebelt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0017]
allgemein im Rufe, der gelehrteste Kenner des griechischen Alterthums und der
eleganteste Stilist zu sein, ein Ruf, welchen er durch Schriften antiquarischer
und politisch-theologischer Richtung rechtfertigte. Als eine Autorität ersten
Ranges wurde er, wiewohl kein Geistlicher und als Freidenker bekannt, vom
Kaiser Johannes Paläologus über die Vereinigung der römischen und griechischen
Kirche zu Rathe gezogen und 1437 zum Concil nach Florenz abgeordnet. Er
hatte sich immer gegen die Vereinigung ausgesprochen und deshalb auf die
Verhandlungen des Concils, obgleich er sich an den Arbeiten betheiligte, einen
bestimmenden Einfluß weder gesucht noch geübt. Seine Aussichten gingen wei¬
ter; man hatte von ihm in Florenz die Aeußerung gehört, binnen kurzer Zeit
werde weder vom Christenthum, noch Islam, noch Judenthum die Rede sein,
eine neue, reinere Religion werde herrschen, die dem Heidemhum am nächsten
verwandt sei. Von tief eingreifender Bedeutung aber war sein Aufenthalt in
Florenz dadurch, daß seine Begeisterung für Plato und platonische Philo¬
sophie, die er wie ein Evangelium verkündigte, in geistreichen Florentinern
zündete und ein neues, mächtig wirkendes Ferment in den Bildungsproceß des
Abendlandes warf. Die nächste Folge seines Auftretens war einerseits der
mit der heftigsten Leidenschaft zunächst von den Griechen geführte Streit um die
Autorität des Pi.alö und Aristoteles, anderseits die Stiftung der plato¬
nischen Aka.de mie, zu deren Propheten Cosinus von Medici den jungen
Marsiglio Ficino förmlich heranziehen ließ. Diese rief zwar eine mystische
Dämmerung hervor, in deren Halbtraum geistreiche Männer schwelgen konnten,
die es auch nicht für Raub an ihrer Kirche achteten, ihrem Heiligen Plato eine
ewige Lampe anzuzünden und das Rauchfaß zu schwingen; aber die geistige
Kraft des großen Philosophen, einmal zur Geltung gebracht, drang durch allen
Nebel hindurch, wie sie heute noch belebend wirkt. Plethon, der nach dem
Concil wieder nach Sparta zurückkehrte, trat nicht mehr an die Oeffent-
lichkeit, allein nach seinem Tode fand sich ein ausgearbeitetes Wert vor, das
die von ihm beabsichtigte und offenbar für ausführbar gehaltene Refor¬
mation darlegte und begründete. Es wurde seinem erbitterten aristotelischen
Gegner, dem damaligen Patriarchen Gennadios ausgeliefert, der es
vernichtete und mit dem Bann belegte. Allein es müssen doch wenigstens
theilweise Abschriften existirt haben, und die Bruchstücke, welche davon bekannt
geworden sind, geben mehr als hinreichenden Aufschluß über die Phantasmen
des bethörten Mannes. Seine geistige Kraft hatte er an das Studium Platos
und dessen, was ihm als platonische Philosophie galt d. h. was Ncupythagoräer,
Neuplatoniker und andere wundersame philosophische und theologische Secten
daraus verspeculirt hatten, gesetzt. Für das Gebräu, welches in diesem Misch¬
kessel theologische Grübelei und philosophischer Mysticismus gemengt haben, sind
wenige Köpfe stark genug gewesen: den des Plethon hatte es völlig umnebelt.
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