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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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führte. Noch einem Abstecher nach Calabrien kehrte er in seine Vaterstadt zu¬
rück, wo wir ihn in einer angesehenen Magistratur finden. Aber nur auf
kurze Zeit; im Jahre 1439 siedelte er nach Florenz über, der glänzenden Me¬
tropole der classischen Studien. Hier im lebendigen Verkehr mit den bedeu¬
tendsten Humanisten, denen er bereitwillig nach allen Seiten von seinen Reisc-
früchten mittheilte und die ihn durch Ueberreichung eines Lorbeerkranzes mit
obligaten Lobgedichten ehrten, machte er sich an die Ausarbeitung seiner Auf¬
zeichnungen zu einem geordneten Bericht, welcher an Eugen den Vierten ge¬
richtet war. Allein diese Arbeit wurde ihm wieder nur eine Vorbereitung für
neue Reisen, welche die ihm nun erst klar gewordenen Lücken seiner Forschungen
durch erneute Anschauung ausfüllen sollten. Im Jahre 1442 bereiste er zu¬
nächst das alte Etrurien. ferner ganz Oberitalien und ging wieder über Ancona
1444 nach Griechenland und den Inseln, dehnte aber diesmal seine Reise weiter
aus und besuchte Konstantinopel, Kleinasien -- 1447 war er in Ephesus --,
Kreta. Wann er wieder nach Italien zurückkehrte, ist nicht bekannt, wie uns
denn von jetzt an die Nachrichten über ihn im Stich lassen. Wir hören, daß
er sich fortwährend mit Plänen zu immer weiteren Reisen trug, wir finden ihn
im Jahre 1449 zu Ferrara, und erfahren, daß er in Cremona gestorben sei, aber
weder über das Jahr seines Todes, noch über die letzten Schicksale seines viel¬
bewegten Lebens ist Näheres bekannt.

Aus den verhältnißmäßig geringfügigen Ueberbleibseln seiner mannigfachen
Aufzeichnungen, soweit sie erhalten und zugänglich gemacht sind, läßt sich der
Umfang seiner Thätigkeit und das Erträgniß seiner Entdeckungen und Unter¬
suchungen zwar nicht mehr vollständig darlegen, aber ein Bild des Mannes in
den Hauptzügen gewähren sie doch. Ueberall tritt eine schwärmerische Be¬
geisterung für alles, was dem Alterthum irgendwie angehört hat, zu Tage; ver¬
leitet sie ihn auch zu Mißgriffen, wie sie in den Anfängen einer sich zur Methode
und Kritik erst heranbildenden wissenschaftlichen Thätigkeit unvermeidlich sind,
so giebt sie ihm auch den lebhaften Eifer und die zähe Ausdauer, welche auch
um Kleines zu erreichen keine Mühe scheut. Sie ist verbunden mit dem spe¬
cifischen Trieb und Jnstinct des Reifens, die ihre Befriedigung grade in diesem
Mittel der Forschung finden, welches die wissenschaftliche Aufgabe zu einer emi¬
nent persönlichen Leistung macht, Schwierigkeiten und Mühseligkeiten als einen
Reiz empfindet und immer Mittel aufzutreiben weiß, um dahin zu gelangen, wo
etwas zu finden ist. Als ihm einmal ein Reisender erzählt, daß er eine In¬
schrift an einem Orte, von dem er eben herkam, übersehen habe, kehrt er aus
der Stelle um, reist mehre Tagereisen zurück, um sein Gewissen zu beruhigen,
daß er wissentlich nichts außer Acht gelassen habe. Seine Aufmerksamkeit ist
fast gleichmäßig allen Spuren des Alterthums zugewandt. Griechische und la¬
teinische Handschriften sucht er wo möglich zu erwerben oder er schreibt sie ab.


führte. Noch einem Abstecher nach Calabrien kehrte er in seine Vaterstadt zu¬
rück, wo wir ihn in einer angesehenen Magistratur finden. Aber nur auf
kurze Zeit; im Jahre 1439 siedelte er nach Florenz über, der glänzenden Me¬
tropole der classischen Studien. Hier im lebendigen Verkehr mit den bedeu¬
tendsten Humanisten, denen er bereitwillig nach allen Seiten von seinen Reisc-
früchten mittheilte und die ihn durch Ueberreichung eines Lorbeerkranzes mit
obligaten Lobgedichten ehrten, machte er sich an die Ausarbeitung seiner Auf¬
zeichnungen zu einem geordneten Bericht, welcher an Eugen den Vierten ge¬
richtet war. Allein diese Arbeit wurde ihm wieder nur eine Vorbereitung für
neue Reisen, welche die ihm nun erst klar gewordenen Lücken seiner Forschungen
durch erneute Anschauung ausfüllen sollten. Im Jahre 1442 bereiste er zu¬
nächst das alte Etrurien. ferner ganz Oberitalien und ging wieder über Ancona
1444 nach Griechenland und den Inseln, dehnte aber diesmal seine Reise weiter
aus und besuchte Konstantinopel, Kleinasien — 1447 war er in Ephesus —,
Kreta. Wann er wieder nach Italien zurückkehrte, ist nicht bekannt, wie uns
denn von jetzt an die Nachrichten über ihn im Stich lassen. Wir hören, daß
er sich fortwährend mit Plänen zu immer weiteren Reisen trug, wir finden ihn
im Jahre 1449 zu Ferrara, und erfahren, daß er in Cremona gestorben sei, aber
weder über das Jahr seines Todes, noch über die letzten Schicksale seines viel¬
bewegten Lebens ist Näheres bekannt.

Aus den verhältnißmäßig geringfügigen Ueberbleibseln seiner mannigfachen
Aufzeichnungen, soweit sie erhalten und zugänglich gemacht sind, läßt sich der
Umfang seiner Thätigkeit und das Erträgniß seiner Entdeckungen und Unter¬
suchungen zwar nicht mehr vollständig darlegen, aber ein Bild des Mannes in
den Hauptzügen gewähren sie doch. Ueberall tritt eine schwärmerische Be¬
geisterung für alles, was dem Alterthum irgendwie angehört hat, zu Tage; ver¬
leitet sie ihn auch zu Mißgriffen, wie sie in den Anfängen einer sich zur Methode
und Kritik erst heranbildenden wissenschaftlichen Thätigkeit unvermeidlich sind,
so giebt sie ihm auch den lebhaften Eifer und die zähe Ausdauer, welche auch
um Kleines zu erreichen keine Mühe scheut. Sie ist verbunden mit dem spe¬
cifischen Trieb und Jnstinct des Reifens, die ihre Befriedigung grade in diesem
Mittel der Forschung finden, welches die wissenschaftliche Aufgabe zu einer emi¬
nent persönlichen Leistung macht, Schwierigkeiten und Mühseligkeiten als einen
Reiz empfindet und immer Mittel aufzutreiben weiß, um dahin zu gelangen, wo
etwas zu finden ist. Als ihm einmal ein Reisender erzählt, daß er eine In¬
schrift an einem Orte, von dem er eben herkam, übersehen habe, kehrt er aus
der Stelle um, reist mehre Tagereisen zurück, um sein Gewissen zu beruhigen,
daß er wissentlich nichts außer Acht gelassen habe. Seine Aufmerksamkeit ist
fast gleichmäßig allen Spuren des Alterthums zugewandt. Griechische und la¬
teinische Handschriften sucht er wo möglich zu erwerben oder er schreibt sie ab.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/15>, abgerufen am 15.01.2025.