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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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mit sofortiger Abführung auf den Hohenasberg, wo von dem Dichter Schubart
bis zu dem aus der Paulskirche bekannten Neichscanarienvogel Rösler von Oels
schon so mancher Patriot hinreichende Muße hatte, über den Sonnenschein der
Freiheit und den Duodezdespotiöm nachzudenken. Es half nichts. Da aber
der Kreisrichter auf seiner Weigerung beharrte, sich nicht dem 1- 1- 1- Bundes¬
tag verschreiben zu wollen, so verbannte ihn der Graf aus dem Bundesgebiete;
und da Preußen zu letzterem nicht mehr gehörte, so ging der Richter einfach
nach Koblenz. Der Gras-Bundescommissarius aber setzte yuasi dene gösta
seinen Eroberungszug fort nach Sigmaringen, wohin ihm übrigens die Fama
von seiner gamertinger Heldenthat bereits vorausgeeilt war. Auch dort galt sein
erster Griff der Svortclkasse. Er fand aber in derselben nur 2 Kr., sage und
schreibe: Zwei Kreuzer. Den übrigen Geldvorrat!) hatte man, da der Graf bereits
signalisirt war, eiligst zu theils fälligen, theils auch noch nicht fälligen Staats¬
auegaben verbraucht, weil man meinte, es sei besser, ein wenig zu früh zu zahlen,
als zu borgen an ein Haus, das bereits so wackelig war, wie der Bundestag.
Alle Zahlungen hatte man sorgfältig gebucht, die Kassabücher aber einigen zu¬
verlässigen Bürgern anvertraut, die alle "richtige Schwaben, aber dennoch sehr
eifrige Preußen waren und das Geheimniß mit Sorgfalt bewahrten. Als nun
Graf Leutrum nichts fand, als zwei Kreuzer, ergrimmte er gegen den Kassen-
rendanten; dieser aber entschlüpfte über die nahegelegene Grenze. Einen
Regierungsrath, welcher es für Abgötterei erklärte, dem Bundestag zu huldigen,
wies der Graf aus und schrieb ihm eine Zwangsrvute nach Preußen vor.
Allein obgleich er dieselbe sorgsam einhielt, blieb er auch hier noch nicht ein¬
mal unbehelligt. In Stuttgart wurde er durch einen geheimnißvoll bis oben
hin zugeknöpften höheren Polizeibeamten genöthigt, auszusteigen. Er und seine
Sachen wurden auf das sorgfältigste untersucht. Offenbar glaubte man, er
wolle die Kassabücher heimlich exportiren. Daß man diese Visitation für eine
Haupt- und Staatsaffaire in dem Feldzuge Württembergs gegen Hohenzollern
hielt, beweist der Umstand, daß der württembergische Premier, Herr von Varnbüler,
der damals noch sein/ "Vas piceis" über Preußen rief, um zwei Monate
später mit ihm ein Schutz- und Trutzbündniß zu schließen, der polizeilichen
Nachforschung in hocheigcner Person beizuwohnen für nicht zu gering erachtete.
Trotzdem fand man nichts. Nach langem Hin und Herhandeln zwischen dem
gräflichen Bundescommissar und den preußischen Beamten verpflichteten einige
der letzteren sich "nichts Feindseliges gegen den Bundestag zu thun" (was
übrigens ja auch gar nicht nöthig war, da derselbe damals kaum noch existirte),
daß aber die Richter vor wie nach im Namen Seiner Majestät des Königs von
Preußen Recht sprachen, die Verwaltungsbeamten unter dessen Autorität admi-
nistrirten, und daß überhaupt nicht ein Einziger, weder ein Staats-, noch ein
Communal-, noch ein sonstiger öffentlicher Beamter, daß kein Bürgermeister,


mit sofortiger Abführung auf den Hohenasberg, wo von dem Dichter Schubart
bis zu dem aus der Paulskirche bekannten Neichscanarienvogel Rösler von Oels
schon so mancher Patriot hinreichende Muße hatte, über den Sonnenschein der
Freiheit und den Duodezdespotiöm nachzudenken. Es half nichts. Da aber
der Kreisrichter auf seiner Weigerung beharrte, sich nicht dem 1- 1- 1- Bundes¬
tag verschreiben zu wollen, so verbannte ihn der Graf aus dem Bundesgebiete;
und da Preußen zu letzterem nicht mehr gehörte, so ging der Richter einfach
nach Koblenz. Der Gras-Bundescommissarius aber setzte yuasi dene gösta
seinen Eroberungszug fort nach Sigmaringen, wohin ihm übrigens die Fama
von seiner gamertinger Heldenthat bereits vorausgeeilt war. Auch dort galt sein
erster Griff der Svortclkasse. Er fand aber in derselben nur 2 Kr., sage und
schreibe: Zwei Kreuzer. Den übrigen Geldvorrat!) hatte man, da der Graf bereits
signalisirt war, eiligst zu theils fälligen, theils auch noch nicht fälligen Staats¬
auegaben verbraucht, weil man meinte, es sei besser, ein wenig zu früh zu zahlen,
als zu borgen an ein Haus, das bereits so wackelig war, wie der Bundestag.
Alle Zahlungen hatte man sorgfältig gebucht, die Kassabücher aber einigen zu¬
verlässigen Bürgern anvertraut, die alle "richtige Schwaben, aber dennoch sehr
eifrige Preußen waren und das Geheimniß mit Sorgfalt bewahrten. Als nun
Graf Leutrum nichts fand, als zwei Kreuzer, ergrimmte er gegen den Kassen-
rendanten; dieser aber entschlüpfte über die nahegelegene Grenze. Einen
Regierungsrath, welcher es für Abgötterei erklärte, dem Bundestag zu huldigen,
wies der Graf aus und schrieb ihm eine Zwangsrvute nach Preußen vor.
Allein obgleich er dieselbe sorgsam einhielt, blieb er auch hier noch nicht ein¬
mal unbehelligt. In Stuttgart wurde er durch einen geheimnißvoll bis oben
hin zugeknöpften höheren Polizeibeamten genöthigt, auszusteigen. Er und seine
Sachen wurden auf das sorgfältigste untersucht. Offenbar glaubte man, er
wolle die Kassabücher heimlich exportiren. Daß man diese Visitation für eine
Haupt- und Staatsaffaire in dem Feldzuge Württembergs gegen Hohenzollern
hielt, beweist der Umstand, daß der württembergische Premier, Herr von Varnbüler,
der damals noch sein/ „Vas piceis" über Preußen rief, um zwei Monate
später mit ihm ein Schutz- und Trutzbündniß zu schließen, der polizeilichen
Nachforschung in hocheigcner Person beizuwohnen für nicht zu gering erachtete.
Trotzdem fand man nichts. Nach langem Hin und Herhandeln zwischen dem
gräflichen Bundescommissar und den preußischen Beamten verpflichteten einige
der letzteren sich „nichts Feindseliges gegen den Bundestag zu thun" (was
übrigens ja auch gar nicht nöthig war, da derselbe damals kaum noch existirte),
daß aber die Richter vor wie nach im Namen Seiner Majestät des Königs von
Preußen Recht sprachen, die Verwaltungsbeamten unter dessen Autorität admi-
nistrirten, und daß überhaupt nicht ein Einziger, weder ein Staats-, noch ein
Communal-, noch ein sonstiger öffentlicher Beamter, daß kein Bürgermeister,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/148>, abgerufen am 15.01.2025.