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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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zeugt ihm sogar, daß er grade zum Zweck der Bekämpfung des Magiers und
andrer falschen Apostel und Propheten von Christus bekehrt worden sei. Freilich
die Anerkennung als Bruder erhält Paulus nur um den Preis seiner Unter¬
ordnung unter Petrus. Als die beiden Apostel sich zum letzten Hauptact der
Besiegung des Magiers anschicken, sagt Paulus zu Petrus: "Mir kommt es zu,
auf den Knien zu Gott zu flehen, dir aber, die Werke des Magiers zu nichte
zu machen, weil du zuerst von dem Herrn erwählt worden bist." Petrus ist
also der eigentliche Ueberwinder des Magiers. Dieser will fliegend sich zum
Himmel erheben, stürzt aber auf des Petrus Gebot todt zur Erde herab und
wird in vier Stücke getheilt, in einen aus vier Kieseln bestehenden Stein ver¬
wandelt. Aber auch die beiden Apostel müssen auf Neros Befehl als Märtyrer
sterben. Petrus wird dabei noch einer Erscheinung Christi gewürdigt. Er will
anfänglich fliehen, begegnet aber vor dem appischen Thore dem Herrn, welcher
der Stadt zugeht, und aus die Frage: "Herr, wohin gehst du?" erwidert: "nach
Rom, um noch einmal gekreuzigt zu werden", worauf Petrus beschämt um¬
kehrt und dem Märtyrertod entgegengeht. Die kleine Kirche, welche an dieser
Stelle vor Porta San Sebastiano steht, trägt noch heute den Namen ovinus
puo pactis. Vor dem Altar wird ein Fußtapfen in Marmor gezeigt, der sich
eindrückte., als der Herr wieder gen Himmel fuhr. Noch innerhalb der Stadt,
nahe bei Lsir Oiovlmni 6 ?".vio, steht eine andere Kirche, den Heiligen Achilleus
und Nereus geweiht, an der Stelle, wo Pitrus auf seiner beabsichtigten Flucht
eine Binde von dem durch die Fesseln verwundeten Fuße verlor.

In solcher Darstellung hat sich nun freilich keine Spur mehr von der ur¬
sprünglichen Bedeutung des Magiers erhalten. Sie ist absichtlich ausgelöscht,
in einer Zeit, da die K>rede nach den Parteikämpfen der ersten Zeit ihr Interesse
vielmehr darin fand, die Einigkeit der beiden Hauptapostel zum Grundstein der
Einheit der Kirche zu machen. Wir konnten so die Sage von dem Magier
Simon verfolgen von ihren ersten Elementen bis dahin, wo sie, umgebildet nach
den Interessen der Parteien und genau dem Gang der kirchlichen Entwicklung
folgend, ihren eigentlichen Sinn verloren hatte.

Eine Form der Sage bleibt uns noch zu erwähnen übrig. Neben dem
Parteiinteresse gegen den Apostel Paulus, dem sie ihren Ursprung verdankt, ist
nicht minder charakteristisch die Consequenz, mit welcher dieselbe der Stadt Rom
als ihrem Endpunkt zusteuert. Hier erfolgt die Entscheidung zwischen Petrus
und dem Magier, die Reise des letztem ist die Veranlassung, welche den Petrus
überhaupt nach Rom führt, und die Ueberlieferung, daß dieser in Rom gewesen
und die dortige Gemeinde gegründet habe, hängt so aufs engste mit der Simon¬
sage zusammen. Hier in Rom wurde ihr denn auch das größte Interesse ge¬
schenkt, hier erhielt sie ihre höchste Ausbildung. Noch in der zweiten Hälfte des
zweiten Jahrhunderts begegnet uns in Rom eine judenchristliche Partei, die


zeugt ihm sogar, daß er grade zum Zweck der Bekämpfung des Magiers und
andrer falschen Apostel und Propheten von Christus bekehrt worden sei. Freilich
die Anerkennung als Bruder erhält Paulus nur um den Preis seiner Unter¬
ordnung unter Petrus. Als die beiden Apostel sich zum letzten Hauptact der
Besiegung des Magiers anschicken, sagt Paulus zu Petrus: „Mir kommt es zu,
auf den Knien zu Gott zu flehen, dir aber, die Werke des Magiers zu nichte
zu machen, weil du zuerst von dem Herrn erwählt worden bist." Petrus ist
also der eigentliche Ueberwinder des Magiers. Dieser will fliegend sich zum
Himmel erheben, stürzt aber auf des Petrus Gebot todt zur Erde herab und
wird in vier Stücke getheilt, in einen aus vier Kieseln bestehenden Stein ver¬
wandelt. Aber auch die beiden Apostel müssen auf Neros Befehl als Märtyrer
sterben. Petrus wird dabei noch einer Erscheinung Christi gewürdigt. Er will
anfänglich fliehen, begegnet aber vor dem appischen Thore dem Herrn, welcher
der Stadt zugeht, und aus die Frage: „Herr, wohin gehst du?" erwidert: „nach
Rom, um noch einmal gekreuzigt zu werden", worauf Petrus beschämt um¬
kehrt und dem Märtyrertod entgegengeht. Die kleine Kirche, welche an dieser
Stelle vor Porta San Sebastiano steht, trägt noch heute den Namen ovinus
puo pactis. Vor dem Altar wird ein Fußtapfen in Marmor gezeigt, der sich
eindrückte., als der Herr wieder gen Himmel fuhr. Noch innerhalb der Stadt,
nahe bei Lsir Oiovlmni 6 ?».vio, steht eine andere Kirche, den Heiligen Achilleus
und Nereus geweiht, an der Stelle, wo Pitrus auf seiner beabsichtigten Flucht
eine Binde von dem durch die Fesseln verwundeten Fuße verlor.

In solcher Darstellung hat sich nun freilich keine Spur mehr von der ur¬
sprünglichen Bedeutung des Magiers erhalten. Sie ist absichtlich ausgelöscht,
in einer Zeit, da die K>rede nach den Parteikämpfen der ersten Zeit ihr Interesse
vielmehr darin fand, die Einigkeit der beiden Hauptapostel zum Grundstein der
Einheit der Kirche zu machen. Wir konnten so die Sage von dem Magier
Simon verfolgen von ihren ersten Elementen bis dahin, wo sie, umgebildet nach
den Interessen der Parteien und genau dem Gang der kirchlichen Entwicklung
folgend, ihren eigentlichen Sinn verloren hatte.

Eine Form der Sage bleibt uns noch zu erwähnen übrig. Neben dem
Parteiinteresse gegen den Apostel Paulus, dem sie ihren Ursprung verdankt, ist
nicht minder charakteristisch die Consequenz, mit welcher dieselbe der Stadt Rom
als ihrem Endpunkt zusteuert. Hier erfolgt die Entscheidung zwischen Petrus
und dem Magier, die Reise des letztem ist die Veranlassung, welche den Petrus
überhaupt nach Rom führt, und die Ueberlieferung, daß dieser in Rom gewesen
und die dortige Gemeinde gegründet habe, hängt so aufs engste mit der Simon¬
sage zusammen. Hier in Rom wurde ihr denn auch das größte Interesse ge¬
schenkt, hier erhielt sie ihre höchste Ausbildung. Noch in der zweiten Hälfte des
zweiten Jahrhunderts begegnet uns in Rom eine judenchristliche Partei, die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/144>, abgerufen am 15.01.2025.