Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.mußte: welche Wirkung ist nicht erst von den Veröffentlichungen der mexikanischen Trotz aller Abneigung gegen Preußen scheint man sich in Frankreich für mußte: welche Wirkung ist nicht erst von den Veröffentlichungen der mexikanischen Trotz aller Abneigung gegen Preußen scheint man sich in Frankreich für <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0129" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191359"/> <p xml:id="ID_320" prev="#ID_319"> mußte: welche Wirkung ist nicht erst von den Veröffentlichungen der mexikanischen<lb/> Staatsschriften zu erwarten, welche in London niedergelegt und, wie es heißt,<lb/> Louis Blanc übergeben worden sind? Die Friedensliebe, welche aus der letzten<lb/> Rede des Kaisers spricht, und die sicher aufrichtig gemeint ist, wird dem Drang<lb/> der Umstände schwerlich auf die Lange Stand halten und wenn es auch nicht<lb/> zu der pariser Reise Franz Josefs und der Neactivirung Drouyns de Lhuys<lb/> kommt, so werden sich die Chancen für ein freundliches Verhältniß zu Preußen<lb/> doch nicht bessern.</p><lb/> <p xml:id="ID_321" next="#ID_322"> Trotz aller Abneigung gegen Preußen scheint man sich in Frankreich für<lb/> eine Alliance mit Oestreich aber nicht recht begeistern zu können. Selbst die ent¬<lb/> schiedensten Oppositionsblätter verhalten sich in dieser Beziehung ziemlich spröde<lb/> und die Berichte, welche Herr Neffzer neuerdings dem Tcmps über seinen<lb/> wiener Aufenthalt und die an der Donau empfangenen politischen Eindrücke<lb/> zugehen läßt und die nichts weniger als optimistisch lauten, werden schwerlich<lb/> dazu beitragen, den Glauben an die Wiedergeburt Oestreichs durch den Liberalis¬<lb/> mus zu stärken. Die Zurückhaltung, welche die herbst-kaiserfeldsche Partei fort¬<lb/> gesetzt dem Ministerium Beust gegenüber behauptet, bnveist deutlich, daß es<lb/> in Wien mit dem parlamentarischen Regiment noch keineswegs so weit her ist,<lb/> als man uns von gewisser Seite her glauben machen will. So lange die<lb/> inneren Verhältnisse Oestreichs nicht geordnet sind, hat Frankreich von einer<lb/> Alliance mit dem k. k. Cabinet aber nicht viel zu erwarten. Bezeichnend genug<lb/> ist es, daß Franz Josefs Reife in die französische Hauptstadt von der wiener<lb/> Presse sehr viel eifriger besprochen und betrieben wird, als von den pariser<lb/> Journalen: nicht von diesen, sondern zuerst von den bcustschen Ofsiciösen ist<lb/> betont worden, daß das tragische Ende des kaiserliche» Bruders keinen Einfluß<lb/> auf den Gang der Politik und die Beziehungen der beiden Kaiserreiche haben<lb/> dürfe, daß die pariser Reise nicht aufgegeben, sondern blos vertagt sei. Auch<lb/> die unabhängigen wiener Blätter scheinen den Zeitpunkt, in welchem Oestreich<lb/> Wieder in die große europäische Politik eingreift, nicht abwarten zu können und<lb/> sehen der Annäherung an Frankreich ungeduldig entgegen. Der Gewinn, der<lb/> aus derselben für die liberalen Deutsch-Oestreicher abfallen wird, dürfte aber nicht<lb/> allzu groß sein und grade im Interesse der inneren Wiedergeburt des Reichs,<lb/> der Ordnung der Finanzen und der Kräftigung der materiellen Verhältnisse ist<lb/> die Wiederaufnahme einer großen auswärtigen Action im gegenwärtigen Augen¬<lb/> blick nicht zu wünschen. Dazu kommt, daß die Zustände an der Ostgrenze des<lb/> Kaiserstaats und namentlich in Galizien eine höchst beunruhigende Physiognomie<lb/> annehmen; sehr viel gefährlicher als die panslawistische Großsprecherei der<lb/> Czechen ist die Haltung der ruthenischen Bauern in Ostgalizien, die mit ihren<lb/> Wünschen nach einer Vereinigung mit dem Czaarenreich immer offener und<lb/> stürmischer hervortreten. Die Demonstrationen, mit welchen die Durchreise der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0129]
mußte: welche Wirkung ist nicht erst von den Veröffentlichungen der mexikanischen
Staatsschriften zu erwarten, welche in London niedergelegt und, wie es heißt,
Louis Blanc übergeben worden sind? Die Friedensliebe, welche aus der letzten
Rede des Kaisers spricht, und die sicher aufrichtig gemeint ist, wird dem Drang
der Umstände schwerlich auf die Lange Stand halten und wenn es auch nicht
zu der pariser Reise Franz Josefs und der Neactivirung Drouyns de Lhuys
kommt, so werden sich die Chancen für ein freundliches Verhältniß zu Preußen
doch nicht bessern.
Trotz aller Abneigung gegen Preußen scheint man sich in Frankreich für
eine Alliance mit Oestreich aber nicht recht begeistern zu können. Selbst die ent¬
schiedensten Oppositionsblätter verhalten sich in dieser Beziehung ziemlich spröde
und die Berichte, welche Herr Neffzer neuerdings dem Tcmps über seinen
wiener Aufenthalt und die an der Donau empfangenen politischen Eindrücke
zugehen läßt und die nichts weniger als optimistisch lauten, werden schwerlich
dazu beitragen, den Glauben an die Wiedergeburt Oestreichs durch den Liberalis¬
mus zu stärken. Die Zurückhaltung, welche die herbst-kaiserfeldsche Partei fort¬
gesetzt dem Ministerium Beust gegenüber behauptet, bnveist deutlich, daß es
in Wien mit dem parlamentarischen Regiment noch keineswegs so weit her ist,
als man uns von gewisser Seite her glauben machen will. So lange die
inneren Verhältnisse Oestreichs nicht geordnet sind, hat Frankreich von einer
Alliance mit dem k. k. Cabinet aber nicht viel zu erwarten. Bezeichnend genug
ist es, daß Franz Josefs Reife in die französische Hauptstadt von der wiener
Presse sehr viel eifriger besprochen und betrieben wird, als von den pariser
Journalen: nicht von diesen, sondern zuerst von den bcustschen Ofsiciösen ist
betont worden, daß das tragische Ende des kaiserliche» Bruders keinen Einfluß
auf den Gang der Politik und die Beziehungen der beiden Kaiserreiche haben
dürfe, daß die pariser Reise nicht aufgegeben, sondern blos vertagt sei. Auch
die unabhängigen wiener Blätter scheinen den Zeitpunkt, in welchem Oestreich
Wieder in die große europäische Politik eingreift, nicht abwarten zu können und
sehen der Annäherung an Frankreich ungeduldig entgegen. Der Gewinn, der
aus derselben für die liberalen Deutsch-Oestreicher abfallen wird, dürfte aber nicht
allzu groß sein und grade im Interesse der inneren Wiedergeburt des Reichs,
der Ordnung der Finanzen und der Kräftigung der materiellen Verhältnisse ist
die Wiederaufnahme einer großen auswärtigen Action im gegenwärtigen Augen¬
blick nicht zu wünschen. Dazu kommt, daß die Zustände an der Ostgrenze des
Kaiserstaats und namentlich in Galizien eine höchst beunruhigende Physiognomie
annehmen; sehr viel gefährlicher als die panslawistische Großsprecherei der
Czechen ist die Haltung der ruthenischen Bauern in Ostgalizien, die mit ihren
Wünschen nach einer Vereinigung mit dem Czaarenreich immer offener und
stürmischer hervortreten. Die Demonstrationen, mit welchen die Durchreise der
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |