Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.Abgeordneten der süddeutschen Staaten "ohne Unterschied der Parteirichtung" Der ganze Plan ist nun freilich gar zu durchsichtig; es ist nicht zu fürch¬ Politische Rundschau. X Die Neigung, den nächsten Gegner für den gefährlichsten oder wohl gar Abgeordneten der süddeutschen Staaten „ohne Unterschied der Parteirichtung" Der ganze Plan ist nun freilich gar zu durchsichtig; es ist nicht zu fürch¬ Politische Rundschau. X Die Neigung, den nächsten Gegner für den gefährlichsten oder wohl gar <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0122" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191352"/> <p xml:id="ID_304" prev="#ID_303"> Abgeordneten der süddeutschen Staaten „ohne Unterschied der Parteirichtung"<lb/> zu veranlassen, welche zugleich das ideale Surrogat für den schmerzlich ver¬<lb/> mißten Südbund wäre. Es soll auf dieser Versammlung die Gemeinsamkeit<lb/> der süddeutschen Interessen betont und als Ausgangspunkt für das künftige<lb/> Verhältniß zu Norddeutschland in den Vordergrund gestellt werden. Es soll<lb/> ferner — und dies ist die Hauptsache — darauf hinzewirkt werden, daß die<lb/> süddeutschen Abgeordneten zum Zollparlament nicht durch das allgemeine<lb/> Stimm recht, sondern durch Delegation der Einzelkammern gewählt<lb/> würden. Als angebliches Motiv wird ausgestreut, es sei für die schlichten Land¬<lb/> leute doch unmöglich, in eine Versammlung für Fachgegcnstände zu wählen, für<lb/> welche sie kein Verständniß besäßen. Als ob nicht grade in den materiellen<lb/> Fragen auch der schlichte Landmann sehr wohl verstände, was seine Interessen<lb/> verlangen. Man frage nur den Bauer vom Schwarzwald oder vom Allgäu,<lb/> was der Zollverein für ihn werth ist. Der wahre Grund für dieses Manöver<lb/> liegt vielmehr auf der Hand. Man will eine neue Schranke zwischen Süd-<lb/> und Norddeutschland aufrichten. Die intime Annäherung soll verhindert werden.<lb/> Man braucht Dämme, damit die Wasser nicht zu rasch in einander laufen. Es<lb/> soll unmöglich gemacht werden, daß das Zollparlament eines schönen Morgens<lb/> als deutscher Reichstag sich entpuppe. Die Delegation der Einzelkammern soll<lb/> die Einheit des Parlaments verhüten.</p><lb/> <p xml:id="ID_305"> Der ganze Plan ist nun freilich gar zu durchsichtig; es ist nicht zu fürch¬<lb/> ten, daß die Abgeordneten von Baden und Bayern Geschmack daran finden<lb/> werden. Aber interessant ist es doch, daß diese schwarzrothgoldenen Republika¬<lb/> ner endlich so weit gekommen sind, als Gegner des allgemeinen Stimmrechts,<lb/> als Gegner des Parlamentsgedankens auftreten zu müssen. Vorauszusehen war<lb/> dies freilich von dem Tage an, da sie erklärten, der preußische Parlamentsvor¬<lb/> schlag könne nur „mit Ironie" aufgenommen werden. Damit die Einheit nicht<lb/> weide, soll lieber auch die Freiheit nicht werden — dies ist das praktische Ende<lb/> d<note type="byline"/> er Phrase: durch die Freiheit zur Einheit.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Politische Rundschau.</head><lb/> <note type="byline"> X </note><lb/> <p xml:id="ID_306" next="#ID_307"> Die Neigung, den nächsten Gegner für den gefährlichsten oder wohl gar<lb/> den allein gefährlichen anzusehen und über dem Eifer der Fehde gegen diesen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0122]
Abgeordneten der süddeutschen Staaten „ohne Unterschied der Parteirichtung"
zu veranlassen, welche zugleich das ideale Surrogat für den schmerzlich ver¬
mißten Südbund wäre. Es soll auf dieser Versammlung die Gemeinsamkeit
der süddeutschen Interessen betont und als Ausgangspunkt für das künftige
Verhältniß zu Norddeutschland in den Vordergrund gestellt werden. Es soll
ferner — und dies ist die Hauptsache — darauf hinzewirkt werden, daß die
süddeutschen Abgeordneten zum Zollparlament nicht durch das allgemeine
Stimm recht, sondern durch Delegation der Einzelkammern gewählt
würden. Als angebliches Motiv wird ausgestreut, es sei für die schlichten Land¬
leute doch unmöglich, in eine Versammlung für Fachgegcnstände zu wählen, für
welche sie kein Verständniß besäßen. Als ob nicht grade in den materiellen
Fragen auch der schlichte Landmann sehr wohl verstände, was seine Interessen
verlangen. Man frage nur den Bauer vom Schwarzwald oder vom Allgäu,
was der Zollverein für ihn werth ist. Der wahre Grund für dieses Manöver
liegt vielmehr auf der Hand. Man will eine neue Schranke zwischen Süd-
und Norddeutschland aufrichten. Die intime Annäherung soll verhindert werden.
Man braucht Dämme, damit die Wasser nicht zu rasch in einander laufen. Es
soll unmöglich gemacht werden, daß das Zollparlament eines schönen Morgens
als deutscher Reichstag sich entpuppe. Die Delegation der Einzelkammern soll
die Einheit des Parlaments verhüten.
Der ganze Plan ist nun freilich gar zu durchsichtig; es ist nicht zu fürch¬
ten, daß die Abgeordneten von Baden und Bayern Geschmack daran finden
werden. Aber interessant ist es doch, daß diese schwarzrothgoldenen Republika¬
ner endlich so weit gekommen sind, als Gegner des allgemeinen Stimmrechts,
als Gegner des Parlamentsgedankens auftreten zu müssen. Vorauszusehen war
dies freilich von dem Tage an, da sie erklärten, der preußische Parlamentsvor¬
schlag könne nur „mit Ironie" aufgenommen werden. Damit die Einheit nicht
weide, soll lieber auch die Freiheit nicht werden — dies ist das praktische Ende
d er Phrase: durch die Freiheit zur Einheit.
Politische Rundschau.
X
Die Neigung, den nächsten Gegner für den gefährlichsten oder wohl gar
den allein gefährlichen anzusehen und über dem Eifer der Fehde gegen diesen
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