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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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Angeben, die einer ausführlichen Erörterung bedürfen. Hervorgehoben sei
nur, daß Magnus zum ersten Mal das Dogma von der immer gleichen Vor.
zugunsten des Oberlichts ohne Rücksicht auf Höhe des Saals und Breite des
Fensters widerlegt und auf das richtige Maß der GiltigM beschränkt, daß er
das Verhältniß des Seitenfensters zur Tiefe des Saals, die Höhe, in der es
über dem Fußboden zu beginnen hat, die Höhe, bis zu welcher die Bilder da¬
für an den Wänden anzubringen sind, normirt und daß er besonders die schräge
Stellung der Bilderwände gegen das Seitenfenster proclamirt hat. Jeder
Maler und Zeichner, der ganz unwillkürlich seine Staffelei beim Arbeiten nicht in
rechtwinklig auf die Ebne des Fensters, sondern in mäßig spitzwinklig darauf
gerichteter Ebne stellt, weiß, welche Bedeutung ein so einfallendes Licht für
seine Arbeit hat. Aber für einen echten Architekten mußte eine unerhörte Ketzerei
in der Zumuthung liegen, die ihm hier gemacht wurde, die beiden Seitenwände
nicht als Parallelen, sondern wie Radien eines Kreises zu einander zu stellen
und so gegen die Fensterwand zu richten. Und dennoch muß eben die schon
erwähnte überzeugende Kraft dieser Sätze doch mächtig genug gewesen sein
Denn sie hat die Architekten der Nationalgallerie bestimmt, ihnen in
ihrem" Plan durchweg Folge zu geben: in sämmtlichen Bildersälen mit
Seitenlicht ist die Schrägstellung der Seitenwände gegen das beleuchtende
Fenster hin durchgeführt, ja in der an die nördliche Wand gelegten halb¬
runden Apsis mit ihrer originellen und ansprechenden fächerförmiger Raum¬
eintheilung mit lauter Wänden, die in der Richtung der Radien gegen ihren
äußern Halbkreis stehen, haben die von Magnus in seinem zweiten Vortrag
entwickelten und durch Zeichnung erläuterten Vorschläge die genaueste Verwirk¬
lichung erhalten.

In den kolossalen Oberlichtsälen freilich mochte das bereits unabänderlich
Festgestellte sich nicht mehr genau nach den magnusschen Angaben ummodeln lassen.
Aber so viel kann schon jetzt angesichts dieser Pläne behauptet werden, daß im
Durchschnitt in keinem unsrer Museen und Gallerten Kunstwerke eine bessere,
günstigere Beleuchtung als in diesem finden werden.

Ebenso wichtig wie diese neuen Einrichtungen für den innern Organismus
und die Erfüllung des Zweckes dieses Gebäudes, wird sich der zweite Punkt,
den ich betonte, die Ausführung in Werkstücken, statt in Ziegel mit Stuck- und
Mörtelputz für seine äußere monumentale Erscheinung erweisen. Es war Zeit,
daß diese berüchtigte Schein- und Lügenarchitektur, die unsern schönsten Baudenk¬
malen und der Stadt zur schmachvollen Unzierde gereicht, endlich wenigstens an
den öffentlichen Gebäuden aufhört, wenn sich Geiz und das eitle Bedürfniß, mit
dem leeren Schein zu prunken, auch bei Privatbauten noch lang genug an die Pflege
und Erhaltung jener Bauweise klammern wird. Wenn ein starker Herbstregen an
den sogenannten "Palastartigen" Villen unsrer Reichen oder den mit Säulen,


Angeben, die einer ausführlichen Erörterung bedürfen. Hervorgehoben sei
nur, daß Magnus zum ersten Mal das Dogma von der immer gleichen Vor.
zugunsten des Oberlichts ohne Rücksicht auf Höhe des Saals und Breite des
Fensters widerlegt und auf das richtige Maß der GiltigM beschränkt, daß er
das Verhältniß des Seitenfensters zur Tiefe des Saals, die Höhe, in der es
über dem Fußboden zu beginnen hat, die Höhe, bis zu welcher die Bilder da¬
für an den Wänden anzubringen sind, normirt und daß er besonders die schräge
Stellung der Bilderwände gegen das Seitenfenster proclamirt hat. Jeder
Maler und Zeichner, der ganz unwillkürlich seine Staffelei beim Arbeiten nicht in
rechtwinklig auf die Ebne des Fensters, sondern in mäßig spitzwinklig darauf
gerichteter Ebne stellt, weiß, welche Bedeutung ein so einfallendes Licht für
seine Arbeit hat. Aber für einen echten Architekten mußte eine unerhörte Ketzerei
in der Zumuthung liegen, die ihm hier gemacht wurde, die beiden Seitenwände
nicht als Parallelen, sondern wie Radien eines Kreises zu einander zu stellen
und so gegen die Fensterwand zu richten. Und dennoch muß eben die schon
erwähnte überzeugende Kraft dieser Sätze doch mächtig genug gewesen sein
Denn sie hat die Architekten der Nationalgallerie bestimmt, ihnen in
ihrem" Plan durchweg Folge zu geben: in sämmtlichen Bildersälen mit
Seitenlicht ist die Schrägstellung der Seitenwände gegen das beleuchtende
Fenster hin durchgeführt, ja in der an die nördliche Wand gelegten halb¬
runden Apsis mit ihrer originellen und ansprechenden fächerförmiger Raum¬
eintheilung mit lauter Wänden, die in der Richtung der Radien gegen ihren
äußern Halbkreis stehen, haben die von Magnus in seinem zweiten Vortrag
entwickelten und durch Zeichnung erläuterten Vorschläge die genaueste Verwirk¬
lichung erhalten.

In den kolossalen Oberlichtsälen freilich mochte das bereits unabänderlich
Festgestellte sich nicht mehr genau nach den magnusschen Angaben ummodeln lassen.
Aber so viel kann schon jetzt angesichts dieser Pläne behauptet werden, daß im
Durchschnitt in keinem unsrer Museen und Gallerten Kunstwerke eine bessere,
günstigere Beleuchtung als in diesem finden werden.

Ebenso wichtig wie diese neuen Einrichtungen für den innern Organismus
und die Erfüllung des Zweckes dieses Gebäudes, wird sich der zweite Punkt,
den ich betonte, die Ausführung in Werkstücken, statt in Ziegel mit Stuck- und
Mörtelputz für seine äußere monumentale Erscheinung erweisen. Es war Zeit,
daß diese berüchtigte Schein- und Lügenarchitektur, die unsern schönsten Baudenk¬
malen und der Stadt zur schmachvollen Unzierde gereicht, endlich wenigstens an
den öffentlichen Gebäuden aufhört, wenn sich Geiz und das eitle Bedürfniß, mit
dem leeren Schein zu prunken, auch bei Privatbauten noch lang genug an die Pflege
und Erhaltung jener Bauweise klammern wird. Wenn ein starker Herbstregen an
den sogenannten „Palastartigen" Villen unsrer Reichen oder den mit Säulen,


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[0114] Angeben, die einer ausführlichen Erörterung bedürfen. Hervorgehoben sei nur, daß Magnus zum ersten Mal das Dogma von der immer gleichen Vor. zugunsten des Oberlichts ohne Rücksicht auf Höhe des Saals und Breite des Fensters widerlegt und auf das richtige Maß der GiltigM beschränkt, daß er das Verhältniß des Seitenfensters zur Tiefe des Saals, die Höhe, in der es über dem Fußboden zu beginnen hat, die Höhe, bis zu welcher die Bilder da¬ für an den Wänden anzubringen sind, normirt und daß er besonders die schräge Stellung der Bilderwände gegen das Seitenfenster proclamirt hat. Jeder Maler und Zeichner, der ganz unwillkürlich seine Staffelei beim Arbeiten nicht in rechtwinklig auf die Ebne des Fensters, sondern in mäßig spitzwinklig darauf gerichteter Ebne stellt, weiß, welche Bedeutung ein so einfallendes Licht für seine Arbeit hat. Aber für einen echten Architekten mußte eine unerhörte Ketzerei in der Zumuthung liegen, die ihm hier gemacht wurde, die beiden Seitenwände nicht als Parallelen, sondern wie Radien eines Kreises zu einander zu stellen und so gegen die Fensterwand zu richten. Und dennoch muß eben die schon erwähnte überzeugende Kraft dieser Sätze doch mächtig genug gewesen sein Denn sie hat die Architekten der Nationalgallerie bestimmt, ihnen in ihrem" Plan durchweg Folge zu geben: in sämmtlichen Bildersälen mit Seitenlicht ist die Schrägstellung der Seitenwände gegen das beleuchtende Fenster hin durchgeführt, ja in der an die nördliche Wand gelegten halb¬ runden Apsis mit ihrer originellen und ansprechenden fächerförmiger Raum¬ eintheilung mit lauter Wänden, die in der Richtung der Radien gegen ihren äußern Halbkreis stehen, haben die von Magnus in seinem zweiten Vortrag entwickelten und durch Zeichnung erläuterten Vorschläge die genaueste Verwirk¬ lichung erhalten. In den kolossalen Oberlichtsälen freilich mochte das bereits unabänderlich Festgestellte sich nicht mehr genau nach den magnusschen Angaben ummodeln lassen. Aber so viel kann schon jetzt angesichts dieser Pläne behauptet werden, daß im Durchschnitt in keinem unsrer Museen und Gallerten Kunstwerke eine bessere, günstigere Beleuchtung als in diesem finden werden. Ebenso wichtig wie diese neuen Einrichtungen für den innern Organismus und die Erfüllung des Zweckes dieses Gebäudes, wird sich der zweite Punkt, den ich betonte, die Ausführung in Werkstücken, statt in Ziegel mit Stuck- und Mörtelputz für seine äußere monumentale Erscheinung erweisen. Es war Zeit, daß diese berüchtigte Schein- und Lügenarchitektur, die unsern schönsten Baudenk¬ malen und der Stadt zur schmachvollen Unzierde gereicht, endlich wenigstens an den öffentlichen Gebäuden aufhört, wenn sich Geiz und das eitle Bedürfniß, mit dem leeren Schein zu prunken, auch bei Privatbauten noch lang genug an die Pflege und Erhaltung jener Bauweise klammern wird. Wenn ein starker Herbstregen an den sogenannten „Palastartigen" Villen unsrer Reichen oder den mit Säulen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/114>, abgerufen am 15.01.2025.