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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band.

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tuas zugänglich gemacht eine der beliebtesten "Sehenswürdigkeiten" Berlins
bildete, vermachte bei seinem im Jahre 1861 erfolgten Tode testamentarisch die¬
sen ganzen stattlichen Kunstbesitz dem Staate mit dem direct ausgesprochenen
Wunsche, der einer Bedingung ziemlich ähnlich sah, daß diese Samen'ung den
Stamm zu einer preußischen Nationalgallerie bilden und in einem passenden
würdigen Lokal öffentlich aufgestellt werden sollte zum Genuß für jeden, zu
Studium und Lehre der Künstler. Die preußische Negierung nahm dies Ge¬
schenk an -- und damit war sie auf den Weg zur Begründung einer National¬
gallerie gedrängt und konnte ehrenhafterweise nicht mehr davon zurück. Die
Sache hatte zunächst ihre Unbequemlichkeiten. Die Errichtung eines "neuesten"
dritten Museums für solchen Zweck lag vorläufig im weiten Felde. Ein pro¬
viforisches Unterkommen fand das kostbare Geschenk in den beiden ersten
Sälen der Akademie der Künste. Für das Studium und besonders das Copiren
der Bilder, das der Testator ausdrücklich betont hatte, gaben diese Säle freilich
keinen Raum. Und eine unwirthliche Stätte wurden sie für die aus den be¬
haglichen, sorglich eingerichteten Zimmern der wagnerschen Villa Hierherversetzten!
Eine Heizung während des Winters war unmöglich, und immer nach zwei
Jahren zog die^ große Kunstausstellung in diese Raume ein und verjagte die
ganze junge Nationalgallerie in das oberste Geschoß des Akademiegebäudes, jene
dachlammerähnlichen Zimmer, welche sonst die akademische Bibliothek beherbergen.

Inzwischen vermehrten fort und fort kleine Geschenke, von Privaten und
Mitgliedern der königlichen Familie gemacht, den Bestand dieser Gallerte, und
besonders seit der vor etwa fünf Jahren gesetzlich gewordenen Bewilligung von
26.000 Thlr. jährlich zur Förderung von Kunstzwecken wächst die Zahl ihrer
Kunstwerke mit einer gewissen Regelmäßigkeit durch die davon gemachten An¬
käufe oder ausgeführten Regierungsaufträge. Es mußte allmälig ernstlich daran
gedacht werden, der provisorischen Beherbergung dieses immer vermehrten Besitzes
ein Ende zu machen.

Noch ein andres Motiv kam hinzu, das Gefühl dieser Verpflichtung zu schär¬
fen. Seit zwanzig Jahren arbeitete der große deutsche Künstler, den FriedrichWilhelm
der Vierte aus seiner glanzvollen wirkungsreichen Stellung in München hier¬
hergezogen hatte, Peter von Cornelius, unter uns, einsam und von der großen
Masse fast vergessen mitten im Gewühl des ihm innerlich fremden Lebens
der modernen, kritischen, pietätlosen norddeutschen Großstadt. Unbekümmert um
sie und um das immer fraglicher gewordene Endschicksal seiner Arbeiten, zu deren
Ausführung er hierher gerufen war, zeichnete er weiter an den mächtigen Ge.
bilden einer von den erhabensten Anschauungen ganz erfüllten Phantasie, den
kolossalen Zeichnungen, welche nach der Apokalypse und den Evangelien "die
letzten Dinge" der Menschheit schildern. Zur malerischen Ausschmückung des
Camposanto am Lustgarten bestimmt, blieben sie Cartons, wie jenes Ruine


tuas zugänglich gemacht eine der beliebtesten „Sehenswürdigkeiten" Berlins
bildete, vermachte bei seinem im Jahre 1861 erfolgten Tode testamentarisch die¬
sen ganzen stattlichen Kunstbesitz dem Staate mit dem direct ausgesprochenen
Wunsche, der einer Bedingung ziemlich ähnlich sah, daß diese Samen'ung den
Stamm zu einer preußischen Nationalgallerie bilden und in einem passenden
würdigen Lokal öffentlich aufgestellt werden sollte zum Genuß für jeden, zu
Studium und Lehre der Künstler. Die preußische Negierung nahm dies Ge¬
schenk an — und damit war sie auf den Weg zur Begründung einer National¬
gallerie gedrängt und konnte ehrenhafterweise nicht mehr davon zurück. Die
Sache hatte zunächst ihre Unbequemlichkeiten. Die Errichtung eines „neuesten"
dritten Museums für solchen Zweck lag vorläufig im weiten Felde. Ein pro¬
viforisches Unterkommen fand das kostbare Geschenk in den beiden ersten
Sälen der Akademie der Künste. Für das Studium und besonders das Copiren
der Bilder, das der Testator ausdrücklich betont hatte, gaben diese Säle freilich
keinen Raum. Und eine unwirthliche Stätte wurden sie für die aus den be¬
haglichen, sorglich eingerichteten Zimmern der wagnerschen Villa Hierherversetzten!
Eine Heizung während des Winters war unmöglich, und immer nach zwei
Jahren zog die^ große Kunstausstellung in diese Raume ein und verjagte die
ganze junge Nationalgallerie in das oberste Geschoß des Akademiegebäudes, jene
dachlammerähnlichen Zimmer, welche sonst die akademische Bibliothek beherbergen.

Inzwischen vermehrten fort und fort kleine Geschenke, von Privaten und
Mitgliedern der königlichen Familie gemacht, den Bestand dieser Gallerte, und
besonders seit der vor etwa fünf Jahren gesetzlich gewordenen Bewilligung von
26.000 Thlr. jährlich zur Förderung von Kunstzwecken wächst die Zahl ihrer
Kunstwerke mit einer gewissen Regelmäßigkeit durch die davon gemachten An¬
käufe oder ausgeführten Regierungsaufträge. Es mußte allmälig ernstlich daran
gedacht werden, der provisorischen Beherbergung dieses immer vermehrten Besitzes
ein Ende zu machen.

Noch ein andres Motiv kam hinzu, das Gefühl dieser Verpflichtung zu schär¬
fen. Seit zwanzig Jahren arbeitete der große deutsche Künstler, den FriedrichWilhelm
der Vierte aus seiner glanzvollen wirkungsreichen Stellung in München hier¬
hergezogen hatte, Peter von Cornelius, unter uns, einsam und von der großen
Masse fast vergessen mitten im Gewühl des ihm innerlich fremden Lebens
der modernen, kritischen, pietätlosen norddeutschen Großstadt. Unbekümmert um
sie und um das immer fraglicher gewordene Endschicksal seiner Arbeiten, zu deren
Ausführung er hierher gerufen war, zeichnete er weiter an den mächtigen Ge.
bilden einer von den erhabensten Anschauungen ganz erfüllten Phantasie, den
kolossalen Zeichnungen, welche nach der Apokalypse und den Evangelien „die
letzten Dinge" der Menschheit schildern. Zur malerischen Ausschmückung des
Camposanto am Lustgarten bestimmt, blieben sie Cartons, wie jenes Ruine


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[0108] tuas zugänglich gemacht eine der beliebtesten „Sehenswürdigkeiten" Berlins bildete, vermachte bei seinem im Jahre 1861 erfolgten Tode testamentarisch die¬ sen ganzen stattlichen Kunstbesitz dem Staate mit dem direct ausgesprochenen Wunsche, der einer Bedingung ziemlich ähnlich sah, daß diese Samen'ung den Stamm zu einer preußischen Nationalgallerie bilden und in einem passenden würdigen Lokal öffentlich aufgestellt werden sollte zum Genuß für jeden, zu Studium und Lehre der Künstler. Die preußische Negierung nahm dies Ge¬ schenk an — und damit war sie auf den Weg zur Begründung einer National¬ gallerie gedrängt und konnte ehrenhafterweise nicht mehr davon zurück. Die Sache hatte zunächst ihre Unbequemlichkeiten. Die Errichtung eines „neuesten" dritten Museums für solchen Zweck lag vorläufig im weiten Felde. Ein pro¬ viforisches Unterkommen fand das kostbare Geschenk in den beiden ersten Sälen der Akademie der Künste. Für das Studium und besonders das Copiren der Bilder, das der Testator ausdrücklich betont hatte, gaben diese Säle freilich keinen Raum. Und eine unwirthliche Stätte wurden sie für die aus den be¬ haglichen, sorglich eingerichteten Zimmern der wagnerschen Villa Hierherversetzten! Eine Heizung während des Winters war unmöglich, und immer nach zwei Jahren zog die^ große Kunstausstellung in diese Raume ein und verjagte die ganze junge Nationalgallerie in das oberste Geschoß des Akademiegebäudes, jene dachlammerähnlichen Zimmer, welche sonst die akademische Bibliothek beherbergen. Inzwischen vermehrten fort und fort kleine Geschenke, von Privaten und Mitgliedern der königlichen Familie gemacht, den Bestand dieser Gallerte, und besonders seit der vor etwa fünf Jahren gesetzlich gewordenen Bewilligung von 26.000 Thlr. jährlich zur Förderung von Kunstzwecken wächst die Zahl ihrer Kunstwerke mit einer gewissen Regelmäßigkeit durch die davon gemachten An¬ käufe oder ausgeführten Regierungsaufträge. Es mußte allmälig ernstlich daran gedacht werden, der provisorischen Beherbergung dieses immer vermehrten Besitzes ein Ende zu machen. Noch ein andres Motiv kam hinzu, das Gefühl dieser Verpflichtung zu schär¬ fen. Seit zwanzig Jahren arbeitete der große deutsche Künstler, den FriedrichWilhelm der Vierte aus seiner glanzvollen wirkungsreichen Stellung in München hier¬ hergezogen hatte, Peter von Cornelius, unter uns, einsam und von der großen Masse fast vergessen mitten im Gewühl des ihm innerlich fremden Lebens der modernen, kritischen, pietätlosen norddeutschen Großstadt. Unbekümmert um sie und um das immer fraglicher gewordene Endschicksal seiner Arbeiten, zu deren Ausführung er hierher gerufen war, zeichnete er weiter an den mächtigen Ge. bilden einer von den erhabensten Anschauungen ganz erfüllten Phantasie, den kolossalen Zeichnungen, welche nach der Apokalypse und den Evangelien „die letzten Dinge" der Menschheit schildern. Zur malerischen Ausschmückung des Camposanto am Lustgarten bestimmt, blieben sie Cartons, wie jenes Ruine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_191229/108>, abgerufen am 15.01.2025.