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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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tum. Die Vorgesetzten coordinirter Dienststellen schreiben aneinander, ihre
Correspondenz heißt "Schreiben". Der subordinirte Beamte berichtet an
die vorgesetzte Stelle. Der Amtmann in Reichelsheim war in der glücklichen
Lage, daß er an sich selbst berichten, schreiben und rescribiren konnte.
Und das hat der Mann nicht unterlassen, und wahrend die anderen Beamten,
welche alle für Bureauaufwand ein Aversum beziehen, auf schlechtes Papier
schreiben lassen und sich schlechte, d. h. billige Schreiber zu halten Pflegten, sorgte
der Neichelsheimer für das Aeußere seiner schriftlichen Ausfertigungen auf das
glänzendste.

Er hatte eine in ritterlichen Kreisen seltene benausische Neigung und trieb
in seinen Mußestunden, deren er trotz der vielen Aemter immer noch mehre
des Tages hatte, die edle Buchdruckerkunst, und so ließ er sich nicht verdrießen,
in schönen großen Lettern die Köpfe seiner amtlichen Schreiben zu drucken und
hatte daran eine dreifache Freude, denn es erquickt den Menschen das Bewußt¬
sein. Schönes geschaffen zu haben, und es erfreut den Schreiber, auch äußerlich
die Spur seiner geistigen Thätigkeit in schönem Gewand zu erblicken und dem
Adressaten macht ein schönes sauberes Schriftstück auch mehr Vergnügen als
schlechtes Gekritzel auf schlechtem Papier. In dieser Privatofficin entstanden
darum zahlreiche Impressen und Formulancn und auf schönem Papier die Köpfe
der Berichte an Regierung, Staatsministerium, Finanzcollegium, Obergericht
(Hof- und Appellationsgericht), Knegsdepartement, Oberjägermeisteramt u. f. w.
an alle Staats- und Hofstellen. Davon reichten aber stets wenige Exemplare
aus, der Verkehr der Localstellen unter einander ist natürlich bedeutender und
seine schriftlichen Pioducte sind massenhafter. Dafür war ebenfalls gesorgt und
schöne Bogen mit den zierlichen Aufschriften "Das herzogliche Amt zu
Reichelsheim an die herzogliche Landoberschult heißerei daselbst",
"Das herzogliche Amt zu Reichelsheim an die herzogliche Necep-
tur daselbst", "An herzogliches Amt zu Reichelsheim gehorsam¬
ster Bericht der herzoglichen La n d o be r schuld hei ß e r e i dasebst"
lagen auf den verschiedenen Bureaus des einen und doch dreifältigen Beamten.

Wenn ein Unterthan mit Hinterlassung minderjähriger Kinder gestorben, so
machte der Bürgermeister davon vorschriftsmäßig die Anzeige an das Amt. Der
Amtmann nahm einen sauberen Kopfbogen mit der Aufschrift "Das herzog¬
liche Amt an die herzogliche La ut ob erschulth eißerei" und schrieb
darauf: "Ich beauftrage Sie mit der Vornahme der Jnventarisation und Thei¬
lung und sehe der Vorlage der Theilungsacten innerhalb vier Wochen entgegen."
Er hatte sich selbst einen Auftrag gegeben und nachdem er ihn vollzogen, nahm
er einen Bogen mit der Aufschrift: "An herzogliches Amt gehormsamster Be¬
richt der herzoglichen Landoberschultheißerei" und schrieb darauf, nachdem er
rechts oben die Rubrik gesetzt: "Die entstandenen Acten lege ich gehorsamst


tum. Die Vorgesetzten coordinirter Dienststellen schreiben aneinander, ihre
Correspondenz heißt „Schreiben". Der subordinirte Beamte berichtet an
die vorgesetzte Stelle. Der Amtmann in Reichelsheim war in der glücklichen
Lage, daß er an sich selbst berichten, schreiben und rescribiren konnte.
Und das hat der Mann nicht unterlassen, und wahrend die anderen Beamten,
welche alle für Bureauaufwand ein Aversum beziehen, auf schlechtes Papier
schreiben lassen und sich schlechte, d. h. billige Schreiber zu halten Pflegten, sorgte
der Neichelsheimer für das Aeußere seiner schriftlichen Ausfertigungen auf das
glänzendste.

Er hatte eine in ritterlichen Kreisen seltene benausische Neigung und trieb
in seinen Mußestunden, deren er trotz der vielen Aemter immer noch mehre
des Tages hatte, die edle Buchdruckerkunst, und so ließ er sich nicht verdrießen,
in schönen großen Lettern die Köpfe seiner amtlichen Schreiben zu drucken und
hatte daran eine dreifache Freude, denn es erquickt den Menschen das Bewußt¬
sein. Schönes geschaffen zu haben, und es erfreut den Schreiber, auch äußerlich
die Spur seiner geistigen Thätigkeit in schönem Gewand zu erblicken und dem
Adressaten macht ein schönes sauberes Schriftstück auch mehr Vergnügen als
schlechtes Gekritzel auf schlechtem Papier. In dieser Privatofficin entstanden
darum zahlreiche Impressen und Formulancn und auf schönem Papier die Köpfe
der Berichte an Regierung, Staatsministerium, Finanzcollegium, Obergericht
(Hof- und Appellationsgericht), Knegsdepartement, Oberjägermeisteramt u. f. w.
an alle Staats- und Hofstellen. Davon reichten aber stets wenige Exemplare
aus, der Verkehr der Localstellen unter einander ist natürlich bedeutender und
seine schriftlichen Pioducte sind massenhafter. Dafür war ebenfalls gesorgt und
schöne Bogen mit den zierlichen Aufschriften „Das herzogliche Amt zu
Reichelsheim an die herzogliche Landoberschult heißerei daselbst",
„Das herzogliche Amt zu Reichelsheim an die herzogliche Necep-
tur daselbst", „An herzogliches Amt zu Reichelsheim gehorsam¬
ster Bericht der herzoglichen La n d o be r schuld hei ß e r e i dasebst"
lagen auf den verschiedenen Bureaus des einen und doch dreifältigen Beamten.

Wenn ein Unterthan mit Hinterlassung minderjähriger Kinder gestorben, so
machte der Bürgermeister davon vorschriftsmäßig die Anzeige an das Amt. Der
Amtmann nahm einen sauberen Kopfbogen mit der Aufschrift „Das herzog¬
liche Amt an die herzogliche La ut ob erschulth eißerei" und schrieb
darauf: „Ich beauftrage Sie mit der Vornahme der Jnventarisation und Thei¬
lung und sehe der Vorlage der Theilungsacten innerhalb vier Wochen entgegen."
Er hatte sich selbst einen Auftrag gegeben und nachdem er ihn vollzogen, nahm
er einen Bogen mit der Aufschrift: „An herzogliches Amt gehormsamster Be¬
richt der herzoglichen Landoberschultheißerei" und schrieb darauf, nachdem er
rechts oben die Rubrik gesetzt: „Die entstandenen Acten lege ich gehorsamst


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/95>, abgerufen am 23.12.2024.