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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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im letzten Kriege eine große Zahl gebildeter junger Leute in den Festungen zu
Erarbeiten verwendet worden. Uebrigens werden bei diesen Einziehungen Re-
clamationen wegen Unentbehrlichkeit im Civildienst oder für die Ernährung der
Familie möglichst berücksichtigt.

Zum Offizier muß man übrigens durch Wahl der Offiziere des Regiments,
zu dem man gehört, vorgeschlagen werden. Diese Wahl wird jedoch nur ver¬
weigert, wenn ganz bestimmte Gründe, wie persönliche Mißliebigkeit, oder Be"
scholtenheit vorliegen.

In den nächsten Jahren nach Abdienung des Jahres gehört man zur Re¬
serve, dann tritt man in das erste Aufgebot der Landwehr über und wird nur
bei Mobilmachung eingezogen. Nach weiteren sieben Jahren kommt man zur
Landwehr zweiten Aufgebots, endlich mit vollendetem neununddreißigsten Lebens¬
jahr zum Landsturm, der nur auf besonderen Befehl des Königs zur Landes¬
vertheidigung berufen wird. In diese Kategorie gehören auch die jungen
Leute von 17--20 Jahren.

Werfen wir aber auch einen Blick auf die großen moralischen und phy¬
sischen Errungenschaften, die der militärische Dienst grade für den Gebildeten
mit sich bringt.

Vor allem wird der Körper allseitig ausgebildet, gestärkt und in der Er-
duldung von Kälte und Hitze, Hunger und Durst geübt, doch wird dabei immer
eine Grenze beobachtet, welche eine dauernde Benachtheiligung der Gesundheit
ausschließt. Dieses Moment gewinnt an Bedeutung, wenn man bedenkt, wie
sehr die jungen Leute der Jetztzeit zur Verweichlichung hinneigen. Mag der
Freiwillige Student. Kaufmann oder Beamter sein, fast überall führt ihn sein
Beruf auf eine sitzende Lebensweise, die muß er als Freiwilliger aufgeben, die
freie Lust ist das Medium, in dem naturgemäß der militärische Dienst geübt wird;
der junge Mann ist zu einer gesunden Lebensweise gezwungen. Langes Schla¬
fen und Nachtschwärmereien verbieten sich von selbst, wenn der frühe Morgen
den Mann auf dem Exercirplatze finden muß. Freilich das muß zugegeben
werden, eine einseitige ausschließliche Berufsthätigkeit ist während des Dienst¬
jahrs nicht möglich. Aber grade darin liegt eine nicht leicht zu überschätzende
Lichtseite: wer zu einer einseitigen vom übrigen Leben ausschließenden Thätig¬
keit hinneigt, der wird aus dieser oft so verderblichen Neigung herausgerissen.-
Die Menschen- und Weltkenntnis), besonders das Talent mit Menschen umzu¬
gehen, wird durch das Dienstjahr ungemein gefördert. Wo hat sonst der Ge¬
bildete Gelegenheit mit dem gemeinen Mann zu verkehren und als Gleichstehen¬
der zu verkehren? Ais Freiwilliger hat er nicht nur die Gelegenheit, er muß,
er mag wollen oder nicht, sich dazu bequemen, mit dem sich auf einen leid¬
lichen Fuß zu stellen, aus den er in seiner bürgerlichen Stellung herabsehen
würde, mit ihm aus einer Flasche zu trinken, von einem Brode zu essen, die-


im letzten Kriege eine große Zahl gebildeter junger Leute in den Festungen zu
Erarbeiten verwendet worden. Uebrigens werden bei diesen Einziehungen Re-
clamationen wegen Unentbehrlichkeit im Civildienst oder für die Ernährung der
Familie möglichst berücksichtigt.

Zum Offizier muß man übrigens durch Wahl der Offiziere des Regiments,
zu dem man gehört, vorgeschlagen werden. Diese Wahl wird jedoch nur ver¬
weigert, wenn ganz bestimmte Gründe, wie persönliche Mißliebigkeit, oder Be«
scholtenheit vorliegen.

In den nächsten Jahren nach Abdienung des Jahres gehört man zur Re¬
serve, dann tritt man in das erste Aufgebot der Landwehr über und wird nur
bei Mobilmachung eingezogen. Nach weiteren sieben Jahren kommt man zur
Landwehr zweiten Aufgebots, endlich mit vollendetem neununddreißigsten Lebens¬
jahr zum Landsturm, der nur auf besonderen Befehl des Königs zur Landes¬
vertheidigung berufen wird. In diese Kategorie gehören auch die jungen
Leute von 17—20 Jahren.

Werfen wir aber auch einen Blick auf die großen moralischen und phy¬
sischen Errungenschaften, die der militärische Dienst grade für den Gebildeten
mit sich bringt.

Vor allem wird der Körper allseitig ausgebildet, gestärkt und in der Er-
duldung von Kälte und Hitze, Hunger und Durst geübt, doch wird dabei immer
eine Grenze beobachtet, welche eine dauernde Benachtheiligung der Gesundheit
ausschließt. Dieses Moment gewinnt an Bedeutung, wenn man bedenkt, wie
sehr die jungen Leute der Jetztzeit zur Verweichlichung hinneigen. Mag der
Freiwillige Student. Kaufmann oder Beamter sein, fast überall führt ihn sein
Beruf auf eine sitzende Lebensweise, die muß er als Freiwilliger aufgeben, die
freie Lust ist das Medium, in dem naturgemäß der militärische Dienst geübt wird;
der junge Mann ist zu einer gesunden Lebensweise gezwungen. Langes Schla¬
fen und Nachtschwärmereien verbieten sich von selbst, wenn der frühe Morgen
den Mann auf dem Exercirplatze finden muß. Freilich das muß zugegeben
werden, eine einseitige ausschließliche Berufsthätigkeit ist während des Dienst¬
jahrs nicht möglich. Aber grade darin liegt eine nicht leicht zu überschätzende
Lichtseite: wer zu einer einseitigen vom übrigen Leben ausschließenden Thätig¬
keit hinneigt, der wird aus dieser oft so verderblichen Neigung herausgerissen.-
Die Menschen- und Weltkenntnis), besonders das Talent mit Menschen umzu¬
gehen, wird durch das Dienstjahr ungemein gefördert. Wo hat sonst der Ge¬
bildete Gelegenheit mit dem gemeinen Mann zu verkehren und als Gleichstehen¬
der zu verkehren? Ais Freiwilliger hat er nicht nur die Gelegenheit, er muß,
er mag wollen oder nicht, sich dazu bequemen, mit dem sich auf einen leid¬
lichen Fuß zu stellen, aus den er in seiner bürgerlichen Stellung herabsehen
würde, mit ihm aus einer Flasche zu trinken, von einem Brode zu essen, die-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/76>, abgerufen am 04.07.2024.