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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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möge gerechtfertigt werden, indem wir Goethes Wi'rde hier folgen lassen: "Da
Sie einen lebhaften Drcing fühlen, dasjenige, was Ihnen in der sichtbaren
Welt begegnet, nachzubilden, so bitte ich Sie inständig, sich nur an das Be¬
wegte, Thätige, Kräftige und Wirksame zu halten. Um mich verständlich zu
machen, geh ich schnell zu Beispielen: Sehen Sie den Kindern aufmerksam zu,
wenn diese nun im Frühjahr ihre Spiele beginnen; es sei nun, daß sie Ball
werfen und schlage", den Kreisel peitschen, den Reis treiben, aus Stelzen gehen,
sich überschlagen und wozu sie sonst die Ueberfülle der unaus^ebildeten Kräfte
muthwillig verschwenden. Heften Sie ferner Ihre Augen auf solche Handwerker,
welche kräftige, tüchtige Bewegungen nachzubilden Anlaß geben, den Schmiede-
meister, der mit seinen Gesellen um den Ambos her wirkend das Eisen bändigt.
Lauern Sie ihm, wie andere das Charakteristische des Geschäfts ab. Sind Sie
zu ruhigeren Betrachtungen geneigt,-so sehen Sie auf dem Markt Verkäufern
und Käufern zu, dort weiden einem aufmerksamen .geistreichen Blick die an¬
muthigsten Motive sich entdecken.

Nun aber, da ich Sie an die nächste Wirklichkeit hinführe, welche fast-un¬
werth schiene, von Ihnen nachgebildet zu werden, so sage ich noch, daß der
Geist des Wirklichen eigentlich das wahre Ideale ist. Das unmittelbar sichtlich
Sinnliche dürfen wir nicht verschmähen, sonst fahren wir ohne Ballast. Und
auch jenes Wirkliche sollen Sie nicht als gemein nachbilden. Was sich von
dem menschlichen Körper nackt mit Anstand zeichnen läßt, Hals, Nacken,-Brust,
Arme, Schenkel, Füße müssen durch leichte Gewände mehr geziert als versteckt
die freie Menschheit darstellen....., wobei ich denn aber und abermals
wiederhole, daß der bildende Künstler sich zuerst an der kräftigen Wirklichkeit
vollkommen durchüben müsse, um das Ideale daraus zu entwickeln, ja zum
Religiösen endlich aufzusteigen." --

Die sorgsame und correcte Ausführung, mit welcher sich der Herausgeber
seiner Aufgabe unterzogen, verdient alles Lob; er hat, ohne jemals Überflüssiges
zu geben, alles zur Erläuterung Wünschenswerthe in geeigneter Form beigebracht,
namentlich ist von ihm in trefflicher Zusammenfassung geschildert worden, wel¬
ches Interesse Goethe an böhmischer Nationalität nahm und in welcher Weise
die von den Vertretern derselben gewürdigt worden.




Mit Ur. R4 beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im März 1867.Die Verlagshandlung.




Verantwortlicher Redacteur: Gustav Frehtag.
Verlag von F. L. Heriig. -- Druck von Hüthcl Legler in Leipzig.

möge gerechtfertigt werden, indem wir Goethes Wi'rde hier folgen lassen: „Da
Sie einen lebhaften Drcing fühlen, dasjenige, was Ihnen in der sichtbaren
Welt begegnet, nachzubilden, so bitte ich Sie inständig, sich nur an das Be¬
wegte, Thätige, Kräftige und Wirksame zu halten. Um mich verständlich zu
machen, geh ich schnell zu Beispielen: Sehen Sie den Kindern aufmerksam zu,
wenn diese nun im Frühjahr ihre Spiele beginnen; es sei nun, daß sie Ball
werfen und schlage», den Kreisel peitschen, den Reis treiben, aus Stelzen gehen,
sich überschlagen und wozu sie sonst die Ueberfülle der unaus^ebildeten Kräfte
muthwillig verschwenden. Heften Sie ferner Ihre Augen auf solche Handwerker,
welche kräftige, tüchtige Bewegungen nachzubilden Anlaß geben, den Schmiede-
meister, der mit seinen Gesellen um den Ambos her wirkend das Eisen bändigt.
Lauern Sie ihm, wie andere das Charakteristische des Geschäfts ab. Sind Sie
zu ruhigeren Betrachtungen geneigt,-so sehen Sie auf dem Markt Verkäufern
und Käufern zu, dort weiden einem aufmerksamen .geistreichen Blick die an¬
muthigsten Motive sich entdecken.

Nun aber, da ich Sie an die nächste Wirklichkeit hinführe, welche fast-un¬
werth schiene, von Ihnen nachgebildet zu werden, so sage ich noch, daß der
Geist des Wirklichen eigentlich das wahre Ideale ist. Das unmittelbar sichtlich
Sinnliche dürfen wir nicht verschmähen, sonst fahren wir ohne Ballast. Und
auch jenes Wirkliche sollen Sie nicht als gemein nachbilden. Was sich von
dem menschlichen Körper nackt mit Anstand zeichnen läßt, Hals, Nacken,-Brust,
Arme, Schenkel, Füße müssen durch leichte Gewände mehr geziert als versteckt
die freie Menschheit darstellen....., wobei ich denn aber und abermals
wiederhole, daß der bildende Künstler sich zuerst an der kräftigen Wirklichkeit
vollkommen durchüben müsse, um das Ideale daraus zu entwickeln, ja zum
Religiösen endlich aufzusteigen." —

Die sorgsame und correcte Ausführung, mit welcher sich der Herausgeber
seiner Aufgabe unterzogen, verdient alles Lob; er hat, ohne jemals Überflüssiges
zu geben, alles zur Erläuterung Wünschenswerthe in geeigneter Form beigebracht,
namentlich ist von ihm in trefflicher Zusammenfassung geschildert worden, wel¬
ches Interesse Goethe an böhmischer Nationalität nahm und in welcher Weise
die von den Vertretern derselben gewürdigt worden.




Mit Ur. R4 beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal,
welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬
ziehen ist.
Leipzig, im März 1867.Die Verlagshandlung.




Verantwortlicher Redacteur: Gustav Frehtag.
Verlag von F. L. Heriig. — Druck von Hüthcl Legler in Leipzig.
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[0534] möge gerechtfertigt werden, indem wir Goethes Wi'rde hier folgen lassen: „Da Sie einen lebhaften Drcing fühlen, dasjenige, was Ihnen in der sichtbaren Welt begegnet, nachzubilden, so bitte ich Sie inständig, sich nur an das Be¬ wegte, Thätige, Kräftige und Wirksame zu halten. Um mich verständlich zu machen, geh ich schnell zu Beispielen: Sehen Sie den Kindern aufmerksam zu, wenn diese nun im Frühjahr ihre Spiele beginnen; es sei nun, daß sie Ball werfen und schlage», den Kreisel peitschen, den Reis treiben, aus Stelzen gehen, sich überschlagen und wozu sie sonst die Ueberfülle der unaus^ebildeten Kräfte muthwillig verschwenden. Heften Sie ferner Ihre Augen auf solche Handwerker, welche kräftige, tüchtige Bewegungen nachzubilden Anlaß geben, den Schmiede- meister, der mit seinen Gesellen um den Ambos her wirkend das Eisen bändigt. Lauern Sie ihm, wie andere das Charakteristische des Geschäfts ab. Sind Sie zu ruhigeren Betrachtungen geneigt,-so sehen Sie auf dem Markt Verkäufern und Käufern zu, dort weiden einem aufmerksamen .geistreichen Blick die an¬ muthigsten Motive sich entdecken. Nun aber, da ich Sie an die nächste Wirklichkeit hinführe, welche fast-un¬ werth schiene, von Ihnen nachgebildet zu werden, so sage ich noch, daß der Geist des Wirklichen eigentlich das wahre Ideale ist. Das unmittelbar sichtlich Sinnliche dürfen wir nicht verschmähen, sonst fahren wir ohne Ballast. Und auch jenes Wirkliche sollen Sie nicht als gemein nachbilden. Was sich von dem menschlichen Körper nackt mit Anstand zeichnen läßt, Hals, Nacken,-Brust, Arme, Schenkel, Füße müssen durch leichte Gewände mehr geziert als versteckt die freie Menschheit darstellen....., wobei ich denn aber und abermals wiederhole, daß der bildende Künstler sich zuerst an der kräftigen Wirklichkeit vollkommen durchüben müsse, um das Ideale daraus zu entwickeln, ja zum Religiösen endlich aufzusteigen." — Die sorgsame und correcte Ausführung, mit welcher sich der Herausgeber seiner Aufgabe unterzogen, verdient alles Lob; er hat, ohne jemals Überflüssiges zu geben, alles zur Erläuterung Wünschenswerthe in geeigneter Form beigebracht, namentlich ist von ihm in trefflicher Zusammenfassung geschildert worden, wel¬ ches Interesse Goethe an böhmischer Nationalität nahm und in welcher Weise die von den Vertretern derselben gewürdigt worden. Mit Ur. R4 beginnt diese Zeitschrift ein neues Quartal, welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu be¬ ziehen ist. Leipzig, im März 1867.Die Verlagshandlung. Verantwortlicher Redacteur: Gustav Frehtag. Verlag von F. L. Heriig. — Druck von Hüthcl Legler in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/534>, abgerufen am 22.12.2024.