Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.nicht tin einziges Mal durch ihr offizielles Organ dem Lande eine Andeutung Am meisten hat auffallen müssen, daß die Regierung die Stuttgarter Be¬ nicht tin einziges Mal durch ihr offizielles Organ dem Lande eine Andeutung Am meisten hat auffallen müssen, daß die Regierung die Stuttgarter Be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0520" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190679"/> <p xml:id="ID_1721" prev="#ID_1720"> nicht tin einziges Mal durch ihr offizielles Organ dem Lande eine Andeutung<lb/> gemacht, daß andere Wege eingeschlagen seien. Mag sie es nun nicht für der<lb/> Mühe werth halten, über solche Kleinigkeiten das Kolk aufzuklären, oder den<lb/> Muth nicht finden, offen Farbe zu bekennen, auffallend bleibt dieses völlige<lb/> Stillschweigen im höchsten Maße, und ich spreche nur eine Thatsache aus. wenn<lb/> ich sage, daß dieses Stillschweigen in Verbindung mit anderen Symptomen das<lb/> tiefste Mißtrauen in die eigentlichen Gesinnungen des Ministeriums wachruft.<lb/> Seitdem der berüchtigte franzosenfreundlibe Culturhistoriker die Redaction des<lb/> officiellen Blattes wieder mit seiner Landpfarre vertauscht hat, enthält dasselbe<lb/> sich ängstlich jeder Bemerkung, die wie eine Parteinahme gedeutet werden<lb/> könnte. Dagegen fährt jene unreinliche Localpresse, die für höhere Inspirationen<lb/> nicht unzugänglich und sonst als der Barometer für die Stimmung in den lei¬<lb/> tenden Kreisen gilt, ihren Kleinkrieg gegen Preußen und die preußische Partei<lb/> mit den bekannten Mitteln munter fort. Auch die Verzögerung in der Ein¬<lb/> berufung der Kammern wird in dem Sinne gedeutet, daß die Negierung ab¬<lb/> warten und noch in keiner Weise öffentlich vor dem Lande sich binden will.<lb/> Nimmt man dazu das gemüthliche Tempo und die zeitraubenden Experimente<lb/> in der Heeresfrage, so kommt man nothwendig zu dem Geständniß. daß, wenn<lb/> ja die Kriegsgefahr rasch hereinbrechen sollte, zumal wenn man die geographi¬<lb/> schen Verhältnisse ins Auge faßt, in Würtemberg gradezu noch alles mög¬<lb/> lich ist. Sicher wird die Negierung bei jedem Druck von preußischer Seite<lb/> aufs entgegenkommendste sich benehmen, sie wird es nicht an Zusicherungen<lb/> fehlen lassen, sie wird weit entfernt von hannoverscher Widerspenstigkeit sein. Aber<lb/> der Gedanke ist unabweisbar, daß sie gleichzeitig noch mit allerlei Eventualitäten<lb/> spielt, und es wäre daher mehr als beruhigend gewesen, wenn Graf Bismarck<lb/> auch von festen Garantien gesprochen hätte, welche eine gemeinsame deutsche<lb/> ActiiR im Kriegsfalle sichern.</p><lb/> <p xml:id="ID_1722"> Am meisten hat auffallen müssen, daß die Regierung die Stuttgarter Be¬<lb/> schlüsse veröffentlicht hat, ohne irgendwie eine Organisation zu motiviren, welche<lb/> dem Lande so bedeutende Opfer auferlegen wird, und grade beim schwäbischen<lb/> Volk nicht auf den freudigsten Willkomm rechnen kann. Die Annahme des<lb/> preußischen Systems zu befürworten, hat die Regierung bisher durchaus der<lb/> nationalen Presse überlassen. Sie selbst thut nichts, um der Agitation, welche<lb/> der radicale Particularismus eröffnet bat. ihrerseits mit Gründen entgegenzu¬<lb/> treten und der zu erwartenden Vorlage einen günstigeren Boden in der Bevöl¬<lb/> kerung zu bereiten. Offen fordert das Blatt, dem der Graf Bismarck die Ehre<lb/> einer Erwähnung angethan hat, das Volk in Fettschrift zur Auswanderung<lb/> auf, und die Negierung schweigt, läßt Monat um Monat verstreichen und sieht<lb/> gelassen zu, wie das Volk inzwischen von Demagogen gegen eine Reform be¬<lb/> arbeitet wird, für die sie sich selbst engagirt hat. Das sieht wahrlich nicht aus,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0520]
nicht tin einziges Mal durch ihr offizielles Organ dem Lande eine Andeutung
gemacht, daß andere Wege eingeschlagen seien. Mag sie es nun nicht für der
Mühe werth halten, über solche Kleinigkeiten das Kolk aufzuklären, oder den
Muth nicht finden, offen Farbe zu bekennen, auffallend bleibt dieses völlige
Stillschweigen im höchsten Maße, und ich spreche nur eine Thatsache aus. wenn
ich sage, daß dieses Stillschweigen in Verbindung mit anderen Symptomen das
tiefste Mißtrauen in die eigentlichen Gesinnungen des Ministeriums wachruft.
Seitdem der berüchtigte franzosenfreundlibe Culturhistoriker die Redaction des
officiellen Blattes wieder mit seiner Landpfarre vertauscht hat, enthält dasselbe
sich ängstlich jeder Bemerkung, die wie eine Parteinahme gedeutet werden
könnte. Dagegen fährt jene unreinliche Localpresse, die für höhere Inspirationen
nicht unzugänglich und sonst als der Barometer für die Stimmung in den lei¬
tenden Kreisen gilt, ihren Kleinkrieg gegen Preußen und die preußische Partei
mit den bekannten Mitteln munter fort. Auch die Verzögerung in der Ein¬
berufung der Kammern wird in dem Sinne gedeutet, daß die Negierung ab¬
warten und noch in keiner Weise öffentlich vor dem Lande sich binden will.
Nimmt man dazu das gemüthliche Tempo und die zeitraubenden Experimente
in der Heeresfrage, so kommt man nothwendig zu dem Geständniß. daß, wenn
ja die Kriegsgefahr rasch hereinbrechen sollte, zumal wenn man die geographi¬
schen Verhältnisse ins Auge faßt, in Würtemberg gradezu noch alles mög¬
lich ist. Sicher wird die Negierung bei jedem Druck von preußischer Seite
aufs entgegenkommendste sich benehmen, sie wird es nicht an Zusicherungen
fehlen lassen, sie wird weit entfernt von hannoverscher Widerspenstigkeit sein. Aber
der Gedanke ist unabweisbar, daß sie gleichzeitig noch mit allerlei Eventualitäten
spielt, und es wäre daher mehr als beruhigend gewesen, wenn Graf Bismarck
auch von festen Garantien gesprochen hätte, welche eine gemeinsame deutsche
ActiiR im Kriegsfalle sichern.
Am meisten hat auffallen müssen, daß die Regierung die Stuttgarter Be¬
schlüsse veröffentlicht hat, ohne irgendwie eine Organisation zu motiviren, welche
dem Lande so bedeutende Opfer auferlegen wird, und grade beim schwäbischen
Volk nicht auf den freudigsten Willkomm rechnen kann. Die Annahme des
preußischen Systems zu befürworten, hat die Regierung bisher durchaus der
nationalen Presse überlassen. Sie selbst thut nichts, um der Agitation, welche
der radicale Particularismus eröffnet bat. ihrerseits mit Gründen entgegenzu¬
treten und der zu erwartenden Vorlage einen günstigeren Boden in der Bevöl¬
kerung zu bereiten. Offen fordert das Blatt, dem der Graf Bismarck die Ehre
einer Erwähnung angethan hat, das Volk in Fettschrift zur Auswanderung
auf, und die Negierung schweigt, läßt Monat um Monat verstreichen und sieht
gelassen zu, wie das Volk inzwischen von Demagogen gegen eine Reform be¬
arbeitet wird, für die sie sich selbst engagirt hat. Das sieht wahrlich nicht aus,
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