Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.worden sind, die wahrscheinlich schon bis Nikolsbürg hinaufgehen und vielleicht Hat man sich in Stuttgart grade über die praktischen Fragen nicht einigen worden sind, die wahrscheinlich schon bis Nikolsbürg hinaufgehen und vielleicht Hat man sich in Stuttgart grade über die praktischen Fragen nicht einigen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0519" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190678"/> <p xml:id="ID_1719" prev="#ID_1718"> worden sind, die wahrscheinlich schon bis Nikolsbürg hinaufgehen und vielleicht<lb/> seitdem bestimmter erneuert worden sind. Allein zur Zeit fehlt es noch ganz<lb/> an der thatsächlichen Voraussetzung, welche die Erfüllung dieser Zusage von<lb/> Seite des Südens erst ermöglicht. Diese thatsächliche Voraussetzung ist die<lb/> Umbildung der süddeutschen Wehrkräfte nach dem preußischen System, und in<lb/> welchem Stadium diese sich befindet, ist jetzt durch die Veröffentlichung der heute><lb/> garder Conferenzbeschlüsse zur Genüge aufgedeckt. Es hat sich gezeigt, daß man<lb/> sich in Stuttgart im Grunde über nichts geeinigt hat; — über nichts als<lb/> die Annahme der preußischen Wehrvcrfassung im Princip. Was die Ausführung<lb/> im Einzelnen betrifft, ist immer nur von „möglichster" Gleichartigkeit die Rede,<lb/> oder es ist ein Maximum und ein Minimum bestimmt, innerhalb deren den<lb/> einzelnen Staaten Raum für ihre Stamincseigcnthümlichkciten bleibt. Kurz es<lb/> ist kein rechter Ernst mit dieser Umformung; in allen Detailfragen hat man<lb/> keine Uebereinstimmung erzielt, und die Ansehung des 1. October als Termin<lb/> für die Wiederaufnahme der Verhandlungen zeigt am besten, welche E>le die<lb/> Regierungen haben, ihre Heere in die Verfassung zu setze», die sie fähig macht,<lb/> in einem deutschen Kriege mitzuwirken. Die beste Zeit geht verloren mit Nichts¬<lb/> thun. Oder nein, nicht mit Nichtsthun. Auf dem würtembergischen Kriegs¬<lb/> ministerium haben alle Hände zu thun mit Erledigung der Rechnungen und<lb/> Schreibereien, die aus dem Feldzug von Tauberbischvfsheim bergehoch auf¬<lb/> gelaufen sind, und die, wie man sagt, noch Jahr und Tag in Anspruch nehmen<lb/> werden. Und außerdem ist man beschäftigt, alle erdenklichen Arten von Schie߬<lb/> gewehren zu probiren und womöglich den definitiven idealen Hinterlader zu er¬<lb/> finden, der die verächtliche, schon vor zwanzig Jahren erfundene preußische<lb/> Schußwaffe weit hinter sich lassen wird, der aber vor allem die Bedingung<lb/> erfüllen muß, ohne Nadel construirt zu sein; denn schlechthin unüberwindlich ist<lb/> am Ncscnbach der Abscheu vor der Nadel, die den deutschen Bund todt-<lb/> gestochen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1720" next="#ID_1721"> Hat man sich in Stuttgart grade über die praktischen Fragen nicht einigen<lb/> können, so geht wenigstens Baden einfach praktisch zu Werke. Es läßt seine<lb/> Gewehre in preußische Hinterlader verwandeln und borgt sich inzwischen preu¬<lb/> ßische Waffen, mit denen allmälig sein ganzes Heer einexercirt wird. Dort und<lb/> in Bayern ist das Ministerium eine Gewähr für ehrlichen guten Willen, auch<lb/> ist in München der Kammerausschuß über die Wchrfrage ernstlich an der Arbeit<lb/> und auf gutem Weg. Ganz anders in Würtemberg. Hier allein — mit Aus¬<lb/> nahme des unschädlich gemachten Hessens — ist immer noch dasselbe Ministerium<lb/> am Ruder, das mit lustiger Zuversicht das Land in den Krieg getrieben, das<lb/> im Voraus sein höhnisches Drohwort nach Berlin gerufen und dann nach der<lb/> Niederlage die Unterstützung Frankreichs in den Friedensverhandlungen an¬<lb/> gesprochen hat. Seit jenen offenkundiger Thatsachen aber hat die Regierung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0519]
worden sind, die wahrscheinlich schon bis Nikolsbürg hinaufgehen und vielleicht
seitdem bestimmter erneuert worden sind. Allein zur Zeit fehlt es noch ganz
an der thatsächlichen Voraussetzung, welche die Erfüllung dieser Zusage von
Seite des Südens erst ermöglicht. Diese thatsächliche Voraussetzung ist die
Umbildung der süddeutschen Wehrkräfte nach dem preußischen System, und in
welchem Stadium diese sich befindet, ist jetzt durch die Veröffentlichung der heute>
garder Conferenzbeschlüsse zur Genüge aufgedeckt. Es hat sich gezeigt, daß man
sich in Stuttgart im Grunde über nichts geeinigt hat; — über nichts als
die Annahme der preußischen Wehrvcrfassung im Princip. Was die Ausführung
im Einzelnen betrifft, ist immer nur von „möglichster" Gleichartigkeit die Rede,
oder es ist ein Maximum und ein Minimum bestimmt, innerhalb deren den
einzelnen Staaten Raum für ihre Stamincseigcnthümlichkciten bleibt. Kurz es
ist kein rechter Ernst mit dieser Umformung; in allen Detailfragen hat man
keine Uebereinstimmung erzielt, und die Ansehung des 1. October als Termin
für die Wiederaufnahme der Verhandlungen zeigt am besten, welche E>le die
Regierungen haben, ihre Heere in die Verfassung zu setze», die sie fähig macht,
in einem deutschen Kriege mitzuwirken. Die beste Zeit geht verloren mit Nichts¬
thun. Oder nein, nicht mit Nichtsthun. Auf dem würtembergischen Kriegs¬
ministerium haben alle Hände zu thun mit Erledigung der Rechnungen und
Schreibereien, die aus dem Feldzug von Tauberbischvfsheim bergehoch auf¬
gelaufen sind, und die, wie man sagt, noch Jahr und Tag in Anspruch nehmen
werden. Und außerdem ist man beschäftigt, alle erdenklichen Arten von Schie߬
gewehren zu probiren und womöglich den definitiven idealen Hinterlader zu er¬
finden, der die verächtliche, schon vor zwanzig Jahren erfundene preußische
Schußwaffe weit hinter sich lassen wird, der aber vor allem die Bedingung
erfüllen muß, ohne Nadel construirt zu sein; denn schlechthin unüberwindlich ist
am Ncscnbach der Abscheu vor der Nadel, die den deutschen Bund todt-
gestochen hat.
Hat man sich in Stuttgart grade über die praktischen Fragen nicht einigen
können, so geht wenigstens Baden einfach praktisch zu Werke. Es läßt seine
Gewehre in preußische Hinterlader verwandeln und borgt sich inzwischen preu¬
ßische Waffen, mit denen allmälig sein ganzes Heer einexercirt wird. Dort und
in Bayern ist das Ministerium eine Gewähr für ehrlichen guten Willen, auch
ist in München der Kammerausschuß über die Wchrfrage ernstlich an der Arbeit
und auf gutem Weg. Ganz anders in Würtemberg. Hier allein — mit Aus¬
nahme des unschädlich gemachten Hessens — ist immer noch dasselbe Ministerium
am Ruder, das mit lustiger Zuversicht das Land in den Krieg getrieben, das
im Voraus sein höhnisches Drohwort nach Berlin gerufen und dann nach der
Niederlage die Unterstützung Frankreichs in den Friedensverhandlungen an¬
gesprochen hat. Seit jenen offenkundiger Thatsachen aber hat die Regierung
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