Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.dem Princip, von dem er allein die Lösung erwartete; er dachte damit einen Es ist müßig sich zu fragen, ob Cavvur. wenn er länger am Leben blieb, Aber Ricasoli wagte nun auch den ersten kühnen Versuch, von diesen dem Princip, von dem er allein die Lösung erwartete; er dachte damit einen Es ist müßig sich zu fragen, ob Cavvur. wenn er länger am Leben blieb, Aber Ricasoli wagte nun auch den ersten kühnen Versuch, von diesen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0508" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190667"/> <p xml:id="ID_1690" prev="#ID_1689"> dem Princip, von dem er allein die Lösung erwartete; er dachte damit einen<lb/> Druck auf die Entschließungen Roms auszuüben, aber der Erfolg war der ent¬<lb/> gegengesetzte und ahnliche Widersprüche ziehen sich durch die ganze Gesetzgebung<lb/> bis auf den heutigen Tag.</p><lb/> <p xml:id="ID_1691"> Es ist müßig sich zu fragen, ob Cavvur. wenn er länger am Leben blieb,<lb/> die römische Frage glücklich zum Abschluß gebracht hätte. Gewiß ist, daß sein<lb/> Nachfolger auch in diesem Stück genau in seine Fußiapfen getreten ist; wie<lb/> denn die freie Kirche im freien Staat von nun an das officielle Programm und<lb/> das hundertmal gebrauchte Schlagwort war, auch wenn die Handlungen oft<lb/> wenig mit dem Princip stimmen mochten. Gleich i» seiner ersten großen Rede<lb/> am 2, Juli 1861 sagte Ricasoli: Wir wollen nach Rom. aber nicht zerstören?,<lb/> sondern aufbauend, indem wir der Kirche den Weg der Reform erschließen, in¬<lb/> dem wir ihr die Freiheit und Unabhängigkeit ertheile», die sie zu einer Wieder¬<lb/> geburt in der Reinheit des religiösen Gefühls, in der Einfachheit der Sitten<lb/> und in der Strenge der Disciplin, wodurch sie in ihrer ersten Zeit so ruhm¬<lb/> reich und ehrwürdig, geworden, anregen und sie endlich unumwunden und auf¬<lb/> richtig einer Macht entsagen lehren, welche dem hohen Gedanken ihres Ursprungs<lb/> wiverstreitet. Und in einem Rundschreiben von demselben Monat sagte er: Wir<lb/> haben den Glauben, daß Europa, wenn es uns besser kennen lernt, sich über¬<lb/> zeugen wird, daß wir als wesentlich katholisches Volk besser als jedes andere<lb/> die wahren Interessen der Kirche verstehen, wenn wir von derselben verlangen,<lb/> sich ihrer von der Barbarei erhaltenen und von der Cultur abgesprochenen<lb/> Feudalrechte zu entkleiden, und wenn wir ihr dafür völlige Unabhängigkeit und<lb/> Freiheit in Ausübung ihres heiligen Amts und den Dank und Gehorsam einer<lb/> wiedergeborenen Nation anbieten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1692" next="#ID_1693"> Aber Ricasoli wagte nun auch den ersten kühnen Versuch, von diesen<lb/> Grundsätzen aus direct dem Papst den Vorschlag zu einer Lösung zu machen.<lb/> Er schrieb jenen beredten Brief an den Papst vom 10. September, dessen<lb/> Grundgedanke der Satz war: „Wir wollen, daß die Kirche'frei sei, denn ihre<lb/> Freiheit ist die Bürgschaft der unsrigen", und legte gleichzeitig den Entwurf<lb/> einer Vereinbarung vor, welche jegliche Einmischung der Regierung in die An¬<lb/> gelegenheiten der Kircke. in die Ernennung der Bischöfe, in ihren Verkehr mit<lb/> dem Papst und unter sich u. f. w. ausschloß und dagegen eine Staalsdvtation<lb/> für den P.,pst zusagte, zu welcher auch die anderen katholischen Mächte bei¬<lb/> tragen sollten. Dieser finanzielle Theil war offenbar die schwächste Seite deS<lb/> Entwurfs, denn er schloß eine wirkliche Unabhängigkeit des heiligen Stuhls aus.<lb/> Ueberhaupt war. wie die Motivirung von einer kindlich vertrauenden Wärme,<lb/> so der Entwurf selbst von einer naiven Unreife. Die französische Regierung<lb/> aber wagte es gar nicht, diese „radicalen" Vorschläge nach Rom zu übermitteln:<lb/> das officiöse römische Journal präoicirte sie später als Unverschämtheit, tacher-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0508]
dem Princip, von dem er allein die Lösung erwartete; er dachte damit einen
Druck auf die Entschließungen Roms auszuüben, aber der Erfolg war der ent¬
gegengesetzte und ahnliche Widersprüche ziehen sich durch die ganze Gesetzgebung
bis auf den heutigen Tag.
Es ist müßig sich zu fragen, ob Cavvur. wenn er länger am Leben blieb,
die römische Frage glücklich zum Abschluß gebracht hätte. Gewiß ist, daß sein
Nachfolger auch in diesem Stück genau in seine Fußiapfen getreten ist; wie
denn die freie Kirche im freien Staat von nun an das officielle Programm und
das hundertmal gebrauchte Schlagwort war, auch wenn die Handlungen oft
wenig mit dem Princip stimmen mochten. Gleich i» seiner ersten großen Rede
am 2, Juli 1861 sagte Ricasoli: Wir wollen nach Rom. aber nicht zerstören?,
sondern aufbauend, indem wir der Kirche den Weg der Reform erschließen, in¬
dem wir ihr die Freiheit und Unabhängigkeit ertheile», die sie zu einer Wieder¬
geburt in der Reinheit des religiösen Gefühls, in der Einfachheit der Sitten
und in der Strenge der Disciplin, wodurch sie in ihrer ersten Zeit so ruhm¬
reich und ehrwürdig, geworden, anregen und sie endlich unumwunden und auf¬
richtig einer Macht entsagen lehren, welche dem hohen Gedanken ihres Ursprungs
wiverstreitet. Und in einem Rundschreiben von demselben Monat sagte er: Wir
haben den Glauben, daß Europa, wenn es uns besser kennen lernt, sich über¬
zeugen wird, daß wir als wesentlich katholisches Volk besser als jedes andere
die wahren Interessen der Kirche verstehen, wenn wir von derselben verlangen,
sich ihrer von der Barbarei erhaltenen und von der Cultur abgesprochenen
Feudalrechte zu entkleiden, und wenn wir ihr dafür völlige Unabhängigkeit und
Freiheit in Ausübung ihres heiligen Amts und den Dank und Gehorsam einer
wiedergeborenen Nation anbieten.
Aber Ricasoli wagte nun auch den ersten kühnen Versuch, von diesen
Grundsätzen aus direct dem Papst den Vorschlag zu einer Lösung zu machen.
Er schrieb jenen beredten Brief an den Papst vom 10. September, dessen
Grundgedanke der Satz war: „Wir wollen, daß die Kirche'frei sei, denn ihre
Freiheit ist die Bürgschaft der unsrigen", und legte gleichzeitig den Entwurf
einer Vereinbarung vor, welche jegliche Einmischung der Regierung in die An¬
gelegenheiten der Kircke. in die Ernennung der Bischöfe, in ihren Verkehr mit
dem Papst und unter sich u. f. w. ausschloß und dagegen eine Staalsdvtation
für den P.,pst zusagte, zu welcher auch die anderen katholischen Mächte bei¬
tragen sollten. Dieser finanzielle Theil war offenbar die schwächste Seite deS
Entwurfs, denn er schloß eine wirkliche Unabhängigkeit des heiligen Stuhls aus.
Ueberhaupt war. wie die Motivirung von einer kindlich vertrauenden Wärme,
so der Entwurf selbst von einer naiven Unreife. Die französische Regierung
aber wagte es gar nicht, diese „radicalen" Vorschläge nach Rom zu übermitteln:
das officiöse römische Journal präoicirte sie später als Unverschämtheit, tacher-
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