Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.daß sie eines Tags gelassen zusieht, wie der Stein ins Rollen kommt, und Tonellos Ambassade hatte in erster Linie keinen andern Zweck, als der Sollte nun die Sendung Tonellos ihre nächste Absicht erreichen, nämlich Man erinnert sich noch, welches der Gegenstand der Sendung Vegczzis 63*
daß sie eines Tags gelassen zusieht, wie der Stein ins Rollen kommt, und Tonellos Ambassade hatte in erster Linie keinen andern Zweck, als der Sollte nun die Sendung Tonellos ihre nächste Absicht erreichen, nämlich Man erinnert sich noch, welches der Gegenstand der Sendung Vegczzis 63*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0501" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190660"/> <p xml:id="ID_1671" prev="#ID_1670"> daß sie eines Tags gelassen zusieht, wie der Stein ins Rollen kommt, und<lb/> nicht auf die Länge wäre sie wohl im Stande die Elemente der Ungeduld zu<lb/> zügeln. Aber in diesem Augenblick, so lange die Versuche zu einem friedlichen<lb/> Abkommen mit Rom nicht aufgegeben sind, müßte sie ihre ganze Autorität auf¬<lb/> bieten, um die Ruhe aufrecht zu erhalten. So lauge sie verhandelt, muß die<lb/> Macht, mit der sie verhandelt, in voller souveräner Freiheit sich bewegen, eben<lb/> durch die loyale Haltung Italiens sollte die Curie über die Aufrichtigkeit ihrer<lb/> Absichten beruhigt und einem Abkommen zugänglich gemacht werden, und die<lb/> Römer waren es ihrerseits der florentiner Regierung schuldig, sie nicht bloßzu¬<lb/> stellen, so lange ein Abgesandter derselben in ihren Mauern weilte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1672"> Tonellos Ambassade hatte in erster Linie keinen andern Zweck, als der<lb/> Curie Vertrauen in die Absichten Italiens einzuflößen und damit den Boden<lb/> für die eigcniliche Transaction zu bereiten. Sie ist nur die Einleitung zu dem<lb/> Werk des Ausgleichs, eine persönliche Captatio des Papstes, während die Ver¬<lb/> handlung selbst, dieser persönlichen Sphäre entrückt, zwischen dem Staat und<lb/> dem Episcvpat geführt zu werden scheint und andrerseits ein Gegenstand der<lb/> italienischen Gesetzgebung ist. Es sind also drei Momente dieser kirchenpoli-<lb/> tischen Action zu unterscheiden: die Sendung Tonellos als die Ouvertüre, als<lb/> erster Annäherungsversuch Italiens, sodann die principielle Auseinandersetzung<lb/> zwischen Kirche und Staat, endlich die praktische Anwendung davon auf das<lb/> Kirctengut. Daß es in letzterer Beziehung für den jungen Nationalstaat sich<lb/> zugleich wesentlich um ein finanzielles Interesse handelte, gab der ganzen Ver¬<lb/> handlung zwar den Charakter praktischer Dringlichkeit, hat sie aber zugleich nicht<lb/> wenig erschweren und verwickeln müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1673"> Sollte nun die Sendung Tonellos ihre nächste Absicht erreichen, nämlich<lb/> das loyale Entgegenkommen der italienischen Regierung zu beweisen und wie¬<lb/> der Fühlung zu erlangen mit dem erbitterten und mißtrauischen, durch Bann¬<lb/> flüche und E'rcyt'litem compromittirten Vatican, so mußte er vor allem Träger<lb/> andrer Jnstructionen sein, als diejenigen waren, mit welchen sein Vorgänger<lb/> Vegezzi gescheitert war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1674" next="#ID_1675"> Man erinnert sich noch, welches der Gegenstand der Sendung Vegczzis<lb/> war und warum sie mißglückte. Die kirchliche Anarchie, die seit den Annexionen<lb/> in einem Theil des Königreichs eingerissen war, indem eine größere Anzahl<lb/> von Bischofssitzen unbesetzt blieb, hatte den nächsten Anlaß zu einer Verhand¬<lb/> lung mit Rom geboten. War es dem Königreich daran gelegen, daß jener Zu¬<lb/> stand ein Ende nahm, so schien noch mehr dem heiligen Stuhl daran liegen<lb/> zu müssen. In der That war es der Papst selbst, der durch seinen Brief an<lb/> Victor Emanuel die Hand zu einer Verständigung bot. Auch war man auf<lb/> dem Punkt, über die Bischofsfrage sich zu verständigen. Die italienische Regie¬<lb/> rung war namentlich bereit (was sie nachher wirklich ausführte), die vertriebenen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 63*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0501]
daß sie eines Tags gelassen zusieht, wie der Stein ins Rollen kommt, und
nicht auf die Länge wäre sie wohl im Stande die Elemente der Ungeduld zu
zügeln. Aber in diesem Augenblick, so lange die Versuche zu einem friedlichen
Abkommen mit Rom nicht aufgegeben sind, müßte sie ihre ganze Autorität auf¬
bieten, um die Ruhe aufrecht zu erhalten. So lauge sie verhandelt, muß die
Macht, mit der sie verhandelt, in voller souveräner Freiheit sich bewegen, eben
durch die loyale Haltung Italiens sollte die Curie über die Aufrichtigkeit ihrer
Absichten beruhigt und einem Abkommen zugänglich gemacht werden, und die
Römer waren es ihrerseits der florentiner Regierung schuldig, sie nicht bloßzu¬
stellen, so lange ein Abgesandter derselben in ihren Mauern weilte.
Tonellos Ambassade hatte in erster Linie keinen andern Zweck, als der
Curie Vertrauen in die Absichten Italiens einzuflößen und damit den Boden
für die eigcniliche Transaction zu bereiten. Sie ist nur die Einleitung zu dem
Werk des Ausgleichs, eine persönliche Captatio des Papstes, während die Ver¬
handlung selbst, dieser persönlichen Sphäre entrückt, zwischen dem Staat und
dem Episcvpat geführt zu werden scheint und andrerseits ein Gegenstand der
italienischen Gesetzgebung ist. Es sind also drei Momente dieser kirchenpoli-
tischen Action zu unterscheiden: die Sendung Tonellos als die Ouvertüre, als
erster Annäherungsversuch Italiens, sodann die principielle Auseinandersetzung
zwischen Kirche und Staat, endlich die praktische Anwendung davon auf das
Kirctengut. Daß es in letzterer Beziehung für den jungen Nationalstaat sich
zugleich wesentlich um ein finanzielles Interesse handelte, gab der ganzen Ver¬
handlung zwar den Charakter praktischer Dringlichkeit, hat sie aber zugleich nicht
wenig erschweren und verwickeln müssen.
Sollte nun die Sendung Tonellos ihre nächste Absicht erreichen, nämlich
das loyale Entgegenkommen der italienischen Regierung zu beweisen und wie¬
der Fühlung zu erlangen mit dem erbitterten und mißtrauischen, durch Bann¬
flüche und E'rcyt'litem compromittirten Vatican, so mußte er vor allem Träger
andrer Jnstructionen sein, als diejenigen waren, mit welchen sein Vorgänger
Vegezzi gescheitert war.
Man erinnert sich noch, welches der Gegenstand der Sendung Vegczzis
war und warum sie mißglückte. Die kirchliche Anarchie, die seit den Annexionen
in einem Theil des Königreichs eingerissen war, indem eine größere Anzahl
von Bischofssitzen unbesetzt blieb, hatte den nächsten Anlaß zu einer Verhand¬
lung mit Rom geboten. War es dem Königreich daran gelegen, daß jener Zu¬
stand ein Ende nahm, so schien noch mehr dem heiligen Stuhl daran liegen
zu müssen. In der That war es der Papst selbst, der durch seinen Brief an
Victor Emanuel die Hand zu einer Verständigung bot. Auch war man auf
dem Punkt, über die Bischofsfrage sich zu verständigen. Die italienische Regie¬
rung war namentlich bereit (was sie nachher wirklich ausführte), die vertriebenen
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