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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Von dem Stammeln der nationalen Idee in der "Landtagsstube" eines Klein¬
staats unterscheiden, der hat es bei dieser Gelegenheit unfehlbar gelernt.

Von den Reden der Abgeordneten Köster, Grvvte, v. Goldberg abgesehen,
machte die Debatte einen wahrhaft imposanten Eindruck, Nach Laster, der
in seiner scharfsinnigen geistvollen Weise mir ähnlichen Vorbehalten über den
Entwurf sprach wie Toaste", ergriff Braun ans Wiesbaden das Wort.
Seine wiederholt von rauschendem Beifall unterbrochene Rede bewies wie die
des Abgeordneten Miquöl vom vorigen Sonnabend, mit welch einer Fülle Von
Talent und gereifter Einsicht die preußische Landesvertretung durch die An¬
nexion vom vorigen Sommer bereichert worden ist. Die Männer, die ein
jahrelanger Kampf gegen Mißregiment und Verfassungsbruch gestählt hat, und
die in der segenlvsen Sisyphusarbcit, dem Winkeldespotismus Vernunft zu
predigen, nicht irre geworden sind in dem Glauben an die Zukunft unsrer Na¬
tion, die dürfen ein besonderes Gewicht beanspruchn, für ihre Stimme und
ihren Rath, und darum war es mehr als eine Phrase, wenn Braun seine
Rede mit den Worten schloß: "Stellen wir das Ganze über das Einzelne, seien
wir nicht mehr eine Nation von Dichtern und Träumern, die, wenn ihr einmal
das Glück die Stirn mit der wallenden Locke bietet, nicht zugreift, sondern
wartet bis es Vorüber ist und nur noch den kahlen Scheitel zeigt."

Braun findet den Entwurf weder correct, "och elegant, aber er fragt mit
Recht, was our'de uns der corrccteste und eleganteste nützen, wenn er wie die
Reichsverfassung von 1849 eben nur ein Stück Papier bliebe? Die Kritik,
der er die Vorlage unterzog, unterschied sich sehr erheblich von der seiner Vor¬
redner. Der Grund, weshalb dieselbe der Motive entbehrt, errieth er aus
einem Umstände, den nachher die Erklärungen des Grafen Bismarck bestätigten,
aus der Unmöglichkeit, aus 22 Regierungen einen übereinstimmenden Text da¬
für herzustellen. Wie es mit der Einmütigkeit der Contrahenten ausgesehen
habe, das verriethen hier die Protokolle mit ihren Klauseln und Vorbehalten,
"diese Eierschalen, die dem Küchlein des Entwurfs ankleben". Als die Aufgabe
des Parlaments bezeichnet er die Pflicht, darüber zu wachen, daß von den ver¬
fassungsmäßigen Rechten des deutschen Volks bei ihrem Transport aus den
Landtagen in den Reichstag nicht allzuviel verlöre" gehe, und als das geeig¬
netste Mittel, gleichzeitig den Kern dieser Rechte zu retten und dem Verfassungs¬
werk die Bundesgenossenschaft der Nation zu sichern, empfahl er statt der Matri-
cuiarumiage die Einführung einer allgemeinen unmittelbaren Neichssteuer,
welche sich nicht die "Nömermonate" der Landesfürsten aus der Zeit des Ver¬
falls, sondern den "gemeinen Pfennig" aus der Zeit der Blüthe des alten
Reichs zum Vorbild nehme und deren Erhebung jedes Jahr der Bundesgewalt
durch den Reichstag bewilligt werden müsse.

Unmittelbar nach dem Abgeordneten Groote, während dessen Rede die


Von dem Stammeln der nationalen Idee in der „Landtagsstube" eines Klein¬
staats unterscheiden, der hat es bei dieser Gelegenheit unfehlbar gelernt.

Von den Reden der Abgeordneten Köster, Grvvte, v. Goldberg abgesehen,
machte die Debatte einen wahrhaft imposanten Eindruck, Nach Laster, der
in seiner scharfsinnigen geistvollen Weise mir ähnlichen Vorbehalten über den
Entwurf sprach wie Toaste», ergriff Braun ans Wiesbaden das Wort.
Seine wiederholt von rauschendem Beifall unterbrochene Rede bewies wie die
des Abgeordneten Miquöl vom vorigen Sonnabend, mit welch einer Fülle Von
Talent und gereifter Einsicht die preußische Landesvertretung durch die An¬
nexion vom vorigen Sommer bereichert worden ist. Die Männer, die ein
jahrelanger Kampf gegen Mißregiment und Verfassungsbruch gestählt hat, und
die in der segenlvsen Sisyphusarbcit, dem Winkeldespotismus Vernunft zu
predigen, nicht irre geworden sind in dem Glauben an die Zukunft unsrer Na¬
tion, die dürfen ein besonderes Gewicht beanspruchn, für ihre Stimme und
ihren Rath, und darum war es mehr als eine Phrase, wenn Braun seine
Rede mit den Worten schloß: „Stellen wir das Ganze über das Einzelne, seien
wir nicht mehr eine Nation von Dichtern und Träumern, die, wenn ihr einmal
das Glück die Stirn mit der wallenden Locke bietet, nicht zugreift, sondern
wartet bis es Vorüber ist und nur noch den kahlen Scheitel zeigt."

Braun findet den Entwurf weder correct, »och elegant, aber er fragt mit
Recht, was our'de uns der corrccteste und eleganteste nützen, wenn er wie die
Reichsverfassung von 1849 eben nur ein Stück Papier bliebe? Die Kritik,
der er die Vorlage unterzog, unterschied sich sehr erheblich von der seiner Vor¬
redner. Der Grund, weshalb dieselbe der Motive entbehrt, errieth er aus
einem Umstände, den nachher die Erklärungen des Grafen Bismarck bestätigten,
aus der Unmöglichkeit, aus 22 Regierungen einen übereinstimmenden Text da¬
für herzustellen. Wie es mit der Einmütigkeit der Contrahenten ausgesehen
habe, das verriethen hier die Protokolle mit ihren Klauseln und Vorbehalten,
„diese Eierschalen, die dem Küchlein des Entwurfs ankleben". Als die Aufgabe
des Parlaments bezeichnet er die Pflicht, darüber zu wachen, daß von den ver¬
fassungsmäßigen Rechten des deutschen Volks bei ihrem Transport aus den
Landtagen in den Reichstag nicht allzuviel verlöre» gehe, und als das geeig¬
netste Mittel, gleichzeitig den Kern dieser Rechte zu retten und dem Verfassungs¬
werk die Bundesgenossenschaft der Nation zu sichern, empfahl er statt der Matri-
cuiarumiage die Einführung einer allgemeinen unmittelbaren Neichssteuer,
welche sich nicht die „Nömermonate" der Landesfürsten aus der Zeit des Ver¬
falls, sondern den „gemeinen Pfennig" aus der Zeit der Blüthe des alten
Reichs zum Vorbild nehme und deren Erhebung jedes Jahr der Bundesgewalt
durch den Reichstag bewilligt werden müsse.

Unmittelbar nach dem Abgeordneten Groote, während dessen Rede die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/494>, abgerufen am 23.12.2024.