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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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welche augenblicklich Rücksichten der äußeren zwischen Süden und Norden auf¬
gerichtet haben.

Neben mancherlei kleineren Mängeln des Entwurfs hebt er als einen ent¬
scheidenden die Bestimmung des Normalbudgets heraus. Mit dem Rechte der
Geldbewilligung fleht und fällt die verfassungsmäßige Freiheit im Staat;
nimmt man es hinweg, "so kann man das Ständichaus zuschließen" (Dahlmann).
Von dieser ihrer wichtigsten Ueberlieferung dürfen sich die Liberalen nicht allzu
weit entfernen. (Hört!) Von den Erfahrungen des budgetlosen Regiments kann
dagegen kein stichhaltiger Einwand hergenommen werden. Solches wagt eine
Regierung, die sich sonst ihrer verfassungsmäßigen Schranken bewußt ist, nur
in ausnahmsweisen Fällen wie hier; in untergeordneten Dingen wird sie, trotz
etwaiger absolutistischer Neigungen, stets die nothwendige Verständigung mit
der Volksvertretung suchen. Versetze man sie aber in die Lage, daß sie ver¬
fassungsmäßig einer solchen nicht bedarf, so wird sie sich auch in unter¬
geordneten Dingen durch nichts gebunden erachten und auch hier wie dort ab¬
solutistisch sein.

Sollte die Regierung in der Frage des Normalbudgets einer Nachgiebigkeit
abgeneigt bleiben, so würde sie sich der Gefahr aussetzen, den ganzen Entwurf
wenn nicht vom Reichstag, so doch aller Wahrscheinlichkeit nach vom preußischen
Abgeordnetenhause abgelehnt zu sehen. Die militärische Einheit Norddeutsch¬
lands, auf die ihr am meisten ankomme und die durch die drohende Weltlage
geboten sei, werde sie dessen unbeschadet durch das bereits im Gang befindliche
System der Militärconventioncn befestigen und ausbauen können.

In Erwägung der dringenden sachlichen Motive, die für eine Verständigung
sprechen, sei er zu einem Kompromiß auf der Grundlage bereit, daß er gegen
ausdrückliche principielle Anerkennung des Budgctrechts als Übergangsbestim¬
mung auf eine bestimmte kürzere Zeit ein Pauschquantum für das Bundesheer¬
wesen bewillige, falls die Negierung eine eingehende Vorlage über die Organi¬
sation des norddeutschen Heeres und deren Kosten machen würde.

Auf diesem Boden werde derselben ein Zusammenwirken mit den Liberalen
von ganz Deutschland möglich werden und dieses nicht blos die Lösung der
großen nationalen Frage ebnen, sondern auch die Staatsmacht Preußens wesent¬
lich erhöhen. Referent schließt mit dem Wunsche, daß die königliche Regierung
durch Erklärung gleich hier und durch spätere Vorlagen in diesem Sinne die
schweren Wolken zerstreuen möchte, welche einem großen Theile des preußischen
Volkes die Freudigkeit der Zustimmung zu dem großen Werk der Neugestaltung
Deutschlands getrübt haben.

Die folgende Rede des Abgeordneten Waldeck war belehrend für die Art,
wie ein Theil der entschiedensten preußischen Demokratie den deutschen Beruf
Preußens anschaut. Seine Ausführungen erinnerten uns lebhaft an das Wort


61*

welche augenblicklich Rücksichten der äußeren zwischen Süden und Norden auf¬
gerichtet haben.

Neben mancherlei kleineren Mängeln des Entwurfs hebt er als einen ent¬
scheidenden die Bestimmung des Normalbudgets heraus. Mit dem Rechte der
Geldbewilligung fleht und fällt die verfassungsmäßige Freiheit im Staat;
nimmt man es hinweg, „so kann man das Ständichaus zuschließen" (Dahlmann).
Von dieser ihrer wichtigsten Ueberlieferung dürfen sich die Liberalen nicht allzu
weit entfernen. (Hört!) Von den Erfahrungen des budgetlosen Regiments kann
dagegen kein stichhaltiger Einwand hergenommen werden. Solches wagt eine
Regierung, die sich sonst ihrer verfassungsmäßigen Schranken bewußt ist, nur
in ausnahmsweisen Fällen wie hier; in untergeordneten Dingen wird sie, trotz
etwaiger absolutistischer Neigungen, stets die nothwendige Verständigung mit
der Volksvertretung suchen. Versetze man sie aber in die Lage, daß sie ver¬
fassungsmäßig einer solchen nicht bedarf, so wird sie sich auch in unter¬
geordneten Dingen durch nichts gebunden erachten und auch hier wie dort ab¬
solutistisch sein.

Sollte die Regierung in der Frage des Normalbudgets einer Nachgiebigkeit
abgeneigt bleiben, so würde sie sich der Gefahr aussetzen, den ganzen Entwurf
wenn nicht vom Reichstag, so doch aller Wahrscheinlichkeit nach vom preußischen
Abgeordnetenhause abgelehnt zu sehen. Die militärische Einheit Norddeutsch¬
lands, auf die ihr am meisten ankomme und die durch die drohende Weltlage
geboten sei, werde sie dessen unbeschadet durch das bereits im Gang befindliche
System der Militärconventioncn befestigen und ausbauen können.

In Erwägung der dringenden sachlichen Motive, die für eine Verständigung
sprechen, sei er zu einem Kompromiß auf der Grundlage bereit, daß er gegen
ausdrückliche principielle Anerkennung des Budgctrechts als Übergangsbestim¬
mung auf eine bestimmte kürzere Zeit ein Pauschquantum für das Bundesheer¬
wesen bewillige, falls die Negierung eine eingehende Vorlage über die Organi¬
sation des norddeutschen Heeres und deren Kosten machen würde.

Auf diesem Boden werde derselben ein Zusammenwirken mit den Liberalen
von ganz Deutschland möglich werden und dieses nicht blos die Lösung der
großen nationalen Frage ebnen, sondern auch die Staatsmacht Preußens wesent¬
lich erhöhen. Referent schließt mit dem Wunsche, daß die königliche Regierung
durch Erklärung gleich hier und durch spätere Vorlagen in diesem Sinne die
schweren Wolken zerstreuen möchte, welche einem großen Theile des preußischen
Volkes die Freudigkeit der Zustimmung zu dem großen Werk der Neugestaltung
Deutschlands getrübt haben.

Die folgende Rede des Abgeordneten Waldeck war belehrend für die Art,
wie ein Theil der entschiedensten preußischen Demokratie den deutschen Beruf
Preußens anschaut. Seine Ausführungen erinnerten uns lebhaft an das Wort


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[0489] welche augenblicklich Rücksichten der äußeren zwischen Süden und Norden auf¬ gerichtet haben. Neben mancherlei kleineren Mängeln des Entwurfs hebt er als einen ent¬ scheidenden die Bestimmung des Normalbudgets heraus. Mit dem Rechte der Geldbewilligung fleht und fällt die verfassungsmäßige Freiheit im Staat; nimmt man es hinweg, „so kann man das Ständichaus zuschließen" (Dahlmann). Von dieser ihrer wichtigsten Ueberlieferung dürfen sich die Liberalen nicht allzu weit entfernen. (Hört!) Von den Erfahrungen des budgetlosen Regiments kann dagegen kein stichhaltiger Einwand hergenommen werden. Solches wagt eine Regierung, die sich sonst ihrer verfassungsmäßigen Schranken bewußt ist, nur in ausnahmsweisen Fällen wie hier; in untergeordneten Dingen wird sie, trotz etwaiger absolutistischer Neigungen, stets die nothwendige Verständigung mit der Volksvertretung suchen. Versetze man sie aber in die Lage, daß sie ver¬ fassungsmäßig einer solchen nicht bedarf, so wird sie sich auch in unter¬ geordneten Dingen durch nichts gebunden erachten und auch hier wie dort ab¬ solutistisch sein. Sollte die Regierung in der Frage des Normalbudgets einer Nachgiebigkeit abgeneigt bleiben, so würde sie sich der Gefahr aussetzen, den ganzen Entwurf wenn nicht vom Reichstag, so doch aller Wahrscheinlichkeit nach vom preußischen Abgeordnetenhause abgelehnt zu sehen. Die militärische Einheit Norddeutsch¬ lands, auf die ihr am meisten ankomme und die durch die drohende Weltlage geboten sei, werde sie dessen unbeschadet durch das bereits im Gang befindliche System der Militärconventioncn befestigen und ausbauen können. In Erwägung der dringenden sachlichen Motive, die für eine Verständigung sprechen, sei er zu einem Kompromiß auf der Grundlage bereit, daß er gegen ausdrückliche principielle Anerkennung des Budgctrechts als Übergangsbestim¬ mung auf eine bestimmte kürzere Zeit ein Pauschquantum für das Bundesheer¬ wesen bewillige, falls die Negierung eine eingehende Vorlage über die Organi¬ sation des norddeutschen Heeres und deren Kosten machen würde. Auf diesem Boden werde derselben ein Zusammenwirken mit den Liberalen von ganz Deutschland möglich werden und dieses nicht blos die Lösung der großen nationalen Frage ebnen, sondern auch die Staatsmacht Preußens wesent¬ lich erhöhen. Referent schließt mit dem Wunsche, daß die königliche Regierung durch Erklärung gleich hier und durch spätere Vorlagen in diesem Sinne die schweren Wolken zerstreuen möchte, welche einem großen Theile des preußischen Volkes die Freudigkeit der Zustimmung zu dem großen Werk der Neugestaltung Deutschlands getrübt haben. Die folgende Rede des Abgeordneten Waldeck war belehrend für die Art, wie ein Theil der entschiedensten preußischen Demokratie den deutschen Beruf Preußens anschaut. Seine Ausführungen erinnerten uns lebhaft an das Wort 61*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/489>, abgerufen am 25.07.2024.