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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Da er aber wohl fühlte, daß es dem bildende" Künstler schwerer sei als
dem Dichter, den Geist der verwöhnten Menge zu einer ihr fernstehenden Auf¬
fassungsweise hinüberzuleiten, so lehnte er seine ersten Arbeiten an bekannte
und verehrte Dichterwerke an. Vor allem die Zeichnungen zu Goethes Faust
waren die erste nationale That des Künstlers, durch welche er sich mit einem Schlage
von den Fesseln einer entnervten Convention frei machte. Er hat nicht nur die
seitdem feststehenden Züge für die Gestalten des gewaltigen Gedichtes geschaffen,
er hat auch in der strengen Art seiner Federzeichnungen den Weg betreten, den
er nie mehr verließ, nämlich allen äußerlich anreizenden Mitteln zu entsagen,
in mächtigen Zügen den Kern des Darzustellenden zu erfassen und alle Neben¬
dinge diesem unterzuordnen. Demselben originalen Geiste verdanken die Zeich¬
nungen zu der damals wieder bekannt gewordenen Nibelungensage ihre Ent¬
stehung, deren Titelblatt, 1817 vollendet, mit zum Gewaltigsten gehört, was
er geschaffen.

Im Jahre 1811 ging er nach Italien und vertiefte sich hier wie Overbeck
und seine Gefährten in die Werke der vorrafaelischen Malerei, aber nicht um
in ihnen die Grenzen für sein Schaffen, sondern vielmehr den Ausgangspunkt
zu finden, welchen die vollendete und in sich abgeschlossene Kunstweise der ita¬
lienischen Blüthezeit ihm nicht gewähren konnte. Das richtige Bewußtsein von
dem Wesen seiner Kunstrichtung führte ihn zur Frescomalerei, er war es, der
den preußischen Consul Bartholdi bestimmte, einen Saal seines Hauses von den
deutschen Künstlern mit Fresken ausmalen zu lassen, und der so eine Kunst¬
weise, die fast ganz erloschen war, wieder ins Leben rief. Aus der Geschichte
Josephs malte er die Traumdeutung und die Scene der Wiedererkennung. Bald
darauf entwarf er die Zeichnungen zu Dantes Paradies, die für einen Saal
der Villa Masfimi bestimmt waren, aber nicht zur Ausführung kamen, da er
1819 von der preußischen Regierung und dem Kronprinzen Ludwig von Bayern
zugleich gerufen, Rom verließ, um in Düsseldorf die Leitung der Kunstakademie
zu übernehmen und daneben die Säle der in München neu gegründeten Glyp¬
tothek auszumalen. Sofort schloß sich in Düsseldorf eine große Reihe begeisterter
junger Künstler an ihn an, aber noch größer wurde sein Wirken, als er 1820
gänzlich nach München übersiedelte. Hier schuf er die Fresken an den Wänden
und Decken im Göttcrsaal und Herocnsaal der Glyptothek, in der Ludwigskirche
und in den Loggien der Pinakothek. 1841 als Leiter der künstlerischen Unter-
nehmungen Friedrich Wilhelm des Vierten nach Berlin berufen, entwarf er eine
Reihe kleinerer Werke, wie den Glaubensschild, die Zeichnungen zu Tassos be¬
freiten Jerusalem, Glasmalereien für die Dome in Schwerin und Aachen. Mit
jugcndfrischer Kraft aber begann er nun die Zeichnungen zu dem großen Ge¬
mäldecyklus, welcher die neben dem Dom projectirte Friedhofshalle der preu¬
ßischen Könige schmücken sollte. An der Ausführung der Cartons zu diesem


Da er aber wohl fühlte, daß es dem bildende» Künstler schwerer sei als
dem Dichter, den Geist der verwöhnten Menge zu einer ihr fernstehenden Auf¬
fassungsweise hinüberzuleiten, so lehnte er seine ersten Arbeiten an bekannte
und verehrte Dichterwerke an. Vor allem die Zeichnungen zu Goethes Faust
waren die erste nationale That des Künstlers, durch welche er sich mit einem Schlage
von den Fesseln einer entnervten Convention frei machte. Er hat nicht nur die
seitdem feststehenden Züge für die Gestalten des gewaltigen Gedichtes geschaffen,
er hat auch in der strengen Art seiner Federzeichnungen den Weg betreten, den
er nie mehr verließ, nämlich allen äußerlich anreizenden Mitteln zu entsagen,
in mächtigen Zügen den Kern des Darzustellenden zu erfassen und alle Neben¬
dinge diesem unterzuordnen. Demselben originalen Geiste verdanken die Zeich¬
nungen zu der damals wieder bekannt gewordenen Nibelungensage ihre Ent¬
stehung, deren Titelblatt, 1817 vollendet, mit zum Gewaltigsten gehört, was
er geschaffen.

Im Jahre 1811 ging er nach Italien und vertiefte sich hier wie Overbeck
und seine Gefährten in die Werke der vorrafaelischen Malerei, aber nicht um
in ihnen die Grenzen für sein Schaffen, sondern vielmehr den Ausgangspunkt
zu finden, welchen die vollendete und in sich abgeschlossene Kunstweise der ita¬
lienischen Blüthezeit ihm nicht gewähren konnte. Das richtige Bewußtsein von
dem Wesen seiner Kunstrichtung führte ihn zur Frescomalerei, er war es, der
den preußischen Consul Bartholdi bestimmte, einen Saal seines Hauses von den
deutschen Künstlern mit Fresken ausmalen zu lassen, und der so eine Kunst¬
weise, die fast ganz erloschen war, wieder ins Leben rief. Aus der Geschichte
Josephs malte er die Traumdeutung und die Scene der Wiedererkennung. Bald
darauf entwarf er die Zeichnungen zu Dantes Paradies, die für einen Saal
der Villa Masfimi bestimmt waren, aber nicht zur Ausführung kamen, da er
1819 von der preußischen Regierung und dem Kronprinzen Ludwig von Bayern
zugleich gerufen, Rom verließ, um in Düsseldorf die Leitung der Kunstakademie
zu übernehmen und daneben die Säle der in München neu gegründeten Glyp¬
tothek auszumalen. Sofort schloß sich in Düsseldorf eine große Reihe begeisterter
junger Künstler an ihn an, aber noch größer wurde sein Wirken, als er 1820
gänzlich nach München übersiedelte. Hier schuf er die Fresken an den Wänden
und Decken im Göttcrsaal und Herocnsaal der Glyptothek, in der Ludwigskirche
und in den Loggien der Pinakothek. 1841 als Leiter der künstlerischen Unter-
nehmungen Friedrich Wilhelm des Vierten nach Berlin berufen, entwarf er eine
Reihe kleinerer Werke, wie den Glaubensschild, die Zeichnungen zu Tassos be¬
freiten Jerusalem, Glasmalereien für die Dome in Schwerin und Aachen. Mit
jugcndfrischer Kraft aber begann er nun die Zeichnungen zu dem großen Ge¬
mäldecyklus, welcher die neben dem Dom projectirte Friedhofshalle der preu¬
ßischen Könige schmücken sollte. An der Ausführung der Cartons zu diesem


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[0483] Da er aber wohl fühlte, daß es dem bildende» Künstler schwerer sei als dem Dichter, den Geist der verwöhnten Menge zu einer ihr fernstehenden Auf¬ fassungsweise hinüberzuleiten, so lehnte er seine ersten Arbeiten an bekannte und verehrte Dichterwerke an. Vor allem die Zeichnungen zu Goethes Faust waren die erste nationale That des Künstlers, durch welche er sich mit einem Schlage von den Fesseln einer entnervten Convention frei machte. Er hat nicht nur die seitdem feststehenden Züge für die Gestalten des gewaltigen Gedichtes geschaffen, er hat auch in der strengen Art seiner Federzeichnungen den Weg betreten, den er nie mehr verließ, nämlich allen äußerlich anreizenden Mitteln zu entsagen, in mächtigen Zügen den Kern des Darzustellenden zu erfassen und alle Neben¬ dinge diesem unterzuordnen. Demselben originalen Geiste verdanken die Zeich¬ nungen zu der damals wieder bekannt gewordenen Nibelungensage ihre Ent¬ stehung, deren Titelblatt, 1817 vollendet, mit zum Gewaltigsten gehört, was er geschaffen. Im Jahre 1811 ging er nach Italien und vertiefte sich hier wie Overbeck und seine Gefährten in die Werke der vorrafaelischen Malerei, aber nicht um in ihnen die Grenzen für sein Schaffen, sondern vielmehr den Ausgangspunkt zu finden, welchen die vollendete und in sich abgeschlossene Kunstweise der ita¬ lienischen Blüthezeit ihm nicht gewähren konnte. Das richtige Bewußtsein von dem Wesen seiner Kunstrichtung führte ihn zur Frescomalerei, er war es, der den preußischen Consul Bartholdi bestimmte, einen Saal seines Hauses von den deutschen Künstlern mit Fresken ausmalen zu lassen, und der so eine Kunst¬ weise, die fast ganz erloschen war, wieder ins Leben rief. Aus der Geschichte Josephs malte er die Traumdeutung und die Scene der Wiedererkennung. Bald darauf entwarf er die Zeichnungen zu Dantes Paradies, die für einen Saal der Villa Masfimi bestimmt waren, aber nicht zur Ausführung kamen, da er 1819 von der preußischen Regierung und dem Kronprinzen Ludwig von Bayern zugleich gerufen, Rom verließ, um in Düsseldorf die Leitung der Kunstakademie zu übernehmen und daneben die Säle der in München neu gegründeten Glyp¬ tothek auszumalen. Sofort schloß sich in Düsseldorf eine große Reihe begeisterter junger Künstler an ihn an, aber noch größer wurde sein Wirken, als er 1820 gänzlich nach München übersiedelte. Hier schuf er die Fresken an den Wänden und Decken im Göttcrsaal und Herocnsaal der Glyptothek, in der Ludwigskirche und in den Loggien der Pinakothek. 1841 als Leiter der künstlerischen Unter- nehmungen Friedrich Wilhelm des Vierten nach Berlin berufen, entwarf er eine Reihe kleinerer Werke, wie den Glaubensschild, die Zeichnungen zu Tassos be¬ freiten Jerusalem, Glasmalereien für die Dome in Schwerin und Aachen. Mit jugcndfrischer Kraft aber begann er nun die Zeichnungen zu dem großen Ge¬ mäldecyklus, welcher die neben dem Dom projectirte Friedhofshalle der preu¬ ßischen Könige schmücken sollte. An der Ausführung der Cartons zu diesem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/483>, abgerufen am 01.10.2024.