Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Bei Cornelius Tode.

Cornelius ist todt. Hochbetagt, reich an Würden und Ehren aller Art ist
er hingegangen. genannt von allen, aber"'fast unbekannt dem nachwachsenden
Geschlecht, fast bei Lebzeiten vergessen in der Stadt,' in der er seine vollendet¬
sten Werke geschaffen und die ihn in den letzten Jahrzehnten den Ihrigen nennen
durfte. Keinem Meister der neueren Zeit, Thorwaldsen etwa ausgenommen,
kam sein Baterland mit so unbegrenztem Vertrauen entgegen und keiner mußte
so wie er erleben, daß die künstlerische Richtung der Lebenden sich weit von ihm
abwendend andere Pfade wandelte und kaum ein Zusammenhang mehr war
zwischen dem Volke, für das er geschaffen und ihm. der auf einsamer Höhe
einem verschollenen Riesengeschlechte anzugehören schien. Viel hat grade in
Berlin die Ungunst der äußeren Umstände dazu beigetragen; die herrlichsten
Werke des Meisters, die größten Denkmäler deutscher Kunst liegen zusammen¬
gerollt auf den Böden der Akademie oder stehen fast unzugänglich in enge
Räume eingepfercht. In der Nationalgalerie, mit deren Bau man jetzt beginnt,
werden sie zwar ihren Platz erhalten, aber kostbare Jahrzehnte sind verstrichen,
in denen sie dem aufwachsenden Künstlergeschlecht ein Leitstern hätten sein
können zu den erhabensten Aufgabe" der Kunst, in denen sie dem Volke, selbst
wenn es sie nur mangelhaft verstanden, doch das Bewußtsein wachgehalten
hätten, daß es von seinen Künstlern mehr zu fordern hat als die Befriedigung
einer vergnügungssüchtigen Sinnlichkeit. --

Was Cornelius geschaffen, wurde bereits zu seinen Lebzeiten als ein Ab¬
geschlossenes und wie in objectiver Ferne Verharrendes von den verschiedensten
Standpunkten aus besprochen, aber an dem fast noch offenen Grabe ist unsere
Aufgabe nicht, in einer Analyse seiner Werke tiefgehende Principienfragen aus-
zufechten; wir begnügen uns heute, einfach an die charakteristischen Züge seines
Lebensganges zu erinnern. -- Peter Cornelius ist den 23. September 1783 als
Lohn des Akademieinspectors Aloysius Cornelius geboren. Bon der Akademie
wurde sein künstlerischer Beruf, der sich früh genug geltend machte, nicht aner¬
kannt, aber eine bessere Schule als an dieser herzlich verzopften Anstalt fand
er an den deutschen Bildern des 15. und 16. Jahrhunderts, welche damals bei
der Säcularisation der geistlichen Herrschaften von Wallraff und den Gebrüdern
Boisseree gesammelt wurden. Wie sich in dieser Zeit deutscher Erniedrigung
Denker und Dichter in die große Vergangenheit unseres Volkes vertieften, um
aus ihr neue Lebenselemente zu schöpfen, so griff auch Cornelius zu den zwar
herben, aber ernsten und keuschen Formen der altdeutschen Schule zurück.


Bei Cornelius Tode.

Cornelius ist todt. Hochbetagt, reich an Würden und Ehren aller Art ist
er hingegangen. genannt von allen, aber"'fast unbekannt dem nachwachsenden
Geschlecht, fast bei Lebzeiten vergessen in der Stadt,' in der er seine vollendet¬
sten Werke geschaffen und die ihn in den letzten Jahrzehnten den Ihrigen nennen
durfte. Keinem Meister der neueren Zeit, Thorwaldsen etwa ausgenommen,
kam sein Baterland mit so unbegrenztem Vertrauen entgegen und keiner mußte
so wie er erleben, daß die künstlerische Richtung der Lebenden sich weit von ihm
abwendend andere Pfade wandelte und kaum ein Zusammenhang mehr war
zwischen dem Volke, für das er geschaffen und ihm. der auf einsamer Höhe
einem verschollenen Riesengeschlechte anzugehören schien. Viel hat grade in
Berlin die Ungunst der äußeren Umstände dazu beigetragen; die herrlichsten
Werke des Meisters, die größten Denkmäler deutscher Kunst liegen zusammen¬
gerollt auf den Böden der Akademie oder stehen fast unzugänglich in enge
Räume eingepfercht. In der Nationalgalerie, mit deren Bau man jetzt beginnt,
werden sie zwar ihren Platz erhalten, aber kostbare Jahrzehnte sind verstrichen,
in denen sie dem aufwachsenden Künstlergeschlecht ein Leitstern hätten sein
können zu den erhabensten Aufgabe» der Kunst, in denen sie dem Volke, selbst
wenn es sie nur mangelhaft verstanden, doch das Bewußtsein wachgehalten
hätten, daß es von seinen Künstlern mehr zu fordern hat als die Befriedigung
einer vergnügungssüchtigen Sinnlichkeit. —

Was Cornelius geschaffen, wurde bereits zu seinen Lebzeiten als ein Ab¬
geschlossenes und wie in objectiver Ferne Verharrendes von den verschiedensten
Standpunkten aus besprochen, aber an dem fast noch offenen Grabe ist unsere
Aufgabe nicht, in einer Analyse seiner Werke tiefgehende Principienfragen aus-
zufechten; wir begnügen uns heute, einfach an die charakteristischen Züge seines
Lebensganges zu erinnern. — Peter Cornelius ist den 23. September 1783 als
Lohn des Akademieinspectors Aloysius Cornelius geboren. Bon der Akademie
wurde sein künstlerischer Beruf, der sich früh genug geltend machte, nicht aner¬
kannt, aber eine bessere Schule als an dieser herzlich verzopften Anstalt fand
er an den deutschen Bildern des 15. und 16. Jahrhunderts, welche damals bei
der Säcularisation der geistlichen Herrschaften von Wallraff und den Gebrüdern
Boisseree gesammelt wurden. Wie sich in dieser Zeit deutscher Erniedrigung
Denker und Dichter in die große Vergangenheit unseres Volkes vertieften, um
aus ihr neue Lebenselemente zu schöpfen, so griff auch Cornelius zu den zwar
herben, aber ernsten und keuschen Formen der altdeutschen Schule zurück.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0482" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190641"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Bei Cornelius Tode.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1598"> Cornelius ist todt. Hochbetagt, reich an Würden und Ehren aller Art ist<lb/>
er hingegangen. genannt von allen, aber"'fast unbekannt dem nachwachsenden<lb/>
Geschlecht, fast bei Lebzeiten vergessen in der Stadt,' in der er seine vollendet¬<lb/>
sten Werke geschaffen und die ihn in den letzten Jahrzehnten den Ihrigen nennen<lb/>
durfte. Keinem Meister der neueren Zeit, Thorwaldsen etwa ausgenommen,<lb/>
kam sein Baterland mit so unbegrenztem Vertrauen entgegen und keiner mußte<lb/>
so wie er erleben, daß die künstlerische Richtung der Lebenden sich weit von ihm<lb/>
abwendend andere Pfade wandelte und kaum ein Zusammenhang mehr war<lb/>
zwischen dem Volke, für das er geschaffen und ihm. der auf einsamer Höhe<lb/>
einem verschollenen Riesengeschlechte anzugehören schien. Viel hat grade in<lb/>
Berlin die Ungunst der äußeren Umstände dazu beigetragen; die herrlichsten<lb/>
Werke des Meisters, die größten Denkmäler deutscher Kunst liegen zusammen¬<lb/>
gerollt auf den Böden der Akademie oder stehen fast unzugänglich in enge<lb/>
Räume eingepfercht. In der Nationalgalerie, mit deren Bau man jetzt beginnt,<lb/>
werden sie zwar ihren Platz erhalten, aber kostbare Jahrzehnte sind verstrichen,<lb/>
in denen sie dem aufwachsenden Künstlergeschlecht ein Leitstern hätten sein<lb/>
können zu den erhabensten Aufgabe» der Kunst, in denen sie dem Volke, selbst<lb/>
wenn es sie nur mangelhaft verstanden, doch das Bewußtsein wachgehalten<lb/>
hätten, daß es von seinen Künstlern mehr zu fordern hat als die Befriedigung<lb/>
einer vergnügungssüchtigen Sinnlichkeit. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1599"> Was Cornelius geschaffen, wurde bereits zu seinen Lebzeiten als ein Ab¬<lb/>
geschlossenes und wie in objectiver Ferne Verharrendes von den verschiedensten<lb/>
Standpunkten aus besprochen, aber an dem fast noch offenen Grabe ist unsere<lb/>
Aufgabe nicht, in einer Analyse seiner Werke tiefgehende Principienfragen aus-<lb/>
zufechten; wir begnügen uns heute, einfach an die charakteristischen Züge seines<lb/>
Lebensganges zu erinnern. &#x2014; Peter Cornelius ist den 23. September 1783 als<lb/>
Lohn des Akademieinspectors Aloysius Cornelius geboren. Bon der Akademie<lb/>
wurde sein künstlerischer Beruf, der sich früh genug geltend machte, nicht aner¬<lb/>
kannt, aber eine bessere Schule als an dieser herzlich verzopften Anstalt fand<lb/>
er an den deutschen Bildern des 15. und 16. Jahrhunderts, welche damals bei<lb/>
der Säcularisation der geistlichen Herrschaften von Wallraff und den Gebrüdern<lb/>
Boisseree gesammelt wurden. Wie sich in dieser Zeit deutscher Erniedrigung<lb/>
Denker und Dichter in die große Vergangenheit unseres Volkes vertieften, um<lb/>
aus ihr neue Lebenselemente zu schöpfen, so griff auch Cornelius zu den zwar<lb/>
herben, aber ernsten und keuschen Formen der altdeutschen Schule zurück.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0482] Bei Cornelius Tode. Cornelius ist todt. Hochbetagt, reich an Würden und Ehren aller Art ist er hingegangen. genannt von allen, aber"'fast unbekannt dem nachwachsenden Geschlecht, fast bei Lebzeiten vergessen in der Stadt,' in der er seine vollendet¬ sten Werke geschaffen und die ihn in den letzten Jahrzehnten den Ihrigen nennen durfte. Keinem Meister der neueren Zeit, Thorwaldsen etwa ausgenommen, kam sein Baterland mit so unbegrenztem Vertrauen entgegen und keiner mußte so wie er erleben, daß die künstlerische Richtung der Lebenden sich weit von ihm abwendend andere Pfade wandelte und kaum ein Zusammenhang mehr war zwischen dem Volke, für das er geschaffen und ihm. der auf einsamer Höhe einem verschollenen Riesengeschlechte anzugehören schien. Viel hat grade in Berlin die Ungunst der äußeren Umstände dazu beigetragen; die herrlichsten Werke des Meisters, die größten Denkmäler deutscher Kunst liegen zusammen¬ gerollt auf den Böden der Akademie oder stehen fast unzugänglich in enge Räume eingepfercht. In der Nationalgalerie, mit deren Bau man jetzt beginnt, werden sie zwar ihren Platz erhalten, aber kostbare Jahrzehnte sind verstrichen, in denen sie dem aufwachsenden Künstlergeschlecht ein Leitstern hätten sein können zu den erhabensten Aufgabe» der Kunst, in denen sie dem Volke, selbst wenn es sie nur mangelhaft verstanden, doch das Bewußtsein wachgehalten hätten, daß es von seinen Künstlern mehr zu fordern hat als die Befriedigung einer vergnügungssüchtigen Sinnlichkeit. — Was Cornelius geschaffen, wurde bereits zu seinen Lebzeiten als ein Ab¬ geschlossenes und wie in objectiver Ferne Verharrendes von den verschiedensten Standpunkten aus besprochen, aber an dem fast noch offenen Grabe ist unsere Aufgabe nicht, in einer Analyse seiner Werke tiefgehende Principienfragen aus- zufechten; wir begnügen uns heute, einfach an die charakteristischen Züge seines Lebensganges zu erinnern. — Peter Cornelius ist den 23. September 1783 als Lohn des Akademieinspectors Aloysius Cornelius geboren. Bon der Akademie wurde sein künstlerischer Beruf, der sich früh genug geltend machte, nicht aner¬ kannt, aber eine bessere Schule als an dieser herzlich verzopften Anstalt fand er an den deutschen Bildern des 15. und 16. Jahrhunderts, welche damals bei der Säcularisation der geistlichen Herrschaften von Wallraff und den Gebrüdern Boisseree gesammelt wurden. Wie sich in dieser Zeit deutscher Erniedrigung Denker und Dichter in die große Vergangenheit unseres Volkes vertieften, um aus ihr neue Lebenselemente zu schöpfen, so griff auch Cornelius zu den zwar herben, aber ernsten und keuschen Formen der altdeutschen Schule zurück.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/482
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/482>, abgerufen am 22.12.2024.