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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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entschieden und schreitet von nun an unaufgehalten in dieser N>cltung fort.
Der Kaiser hatte, um während seiner Kampfe in Italien die deutschen Reichs"
fürsten willfährig, zu erhalten, diesen die entscheidendsten Opfer durch Zugeständniß
bleibender Unabhängigkeit von der Kaisergewalt in wichtigen Beziehungen bringen
müssen. Die großen Privilegien, die er ihnen in den Jahren 1220. 1223, 1224
und 1231 verlieh, bildeten die Basis der nunmehr stetig sich fortbildenden
Landeshoheit der deutschen Reichsfürsten; in dem letzterwähnten Privilegium
werden sie zum ersten Male Landesherren (clomini terrg-o suae) genannt. Die
auf den Sturz der Hohenstaufen folgende anarchische Zeit konnte selbstverständ-
lich diesem Bildungsgange der Reichsverfassung nur höchst förderlich sein. Am
Ausgang? dieses Interregnums stand denn nun auch einerseits die beschließende
Kraft der Versammlung aller Reichsfürsten, des Reichstags, und andrerseits die
feste Spitze dieser Rcichsaristokratie, die sich allmälig in der Gestalt des Sieben-
gestirns der Kurfürsten herausgebildet hatte, mit dem Rechte, das Reichsober-
Haupt allein zu wählen, unbezweifelt da.

Die erste Wahl, die sie trafen, fiel trefflich aus. Rudolph v. Habsburg
hat nicht blos für die Machtvergrößerung und Befestigung seines Hauses gesorgt,
er hat unablässig zugleich mit kräftiger Faust die Ordnung im Reiche hergestellt,
und selbst da. wo er für sein Haus sorgte, dies stets in den Formen des da¬
maligen Rechts im Reiche, unter Concurrenz der Kurfürsten gethan, die er höchst
geschickt für seine Interessen zu gewinnen verstand.

Die Wahl Adolphs v. Nassau war nicht ebenso glücklich. Das Ansehen
und die Macht der Kurfürsten aber gewann unter dieser Negierung einen neuen
Zuwachs dadurch, daß sie selbst sich zu dem Rechte der Wahl nun auch das
Recht der Absetzung des von ihnen gewählten römischen Königs aneigneten und
factisch in Vollzug zu selben wußten. Unter dem an des entsetzten Adolphs
Stelle von ihnen erwählten Sohne Rudolphs, dem finsteren und gewaltthätigen
Albrecht dem Ersten aber hätte ihr steigendes Ansehen im Reiche leicht wieder
einen bedeutenden Abbruch erleiden, in seiner Entwickelung wieder zurückgeworfen
werden können, wenn nicht die Mvrderhand des Johann Parricida dieses ge-
sährliche Reichsoberhaupt frühzeitig beseitigt hätte.

Der edle Heinrich v. Luxemburg ging, bei aller Energie und Strenge, mit
welcher er gegen die Friedensstörer im Reiche verfuhr, doch auf eine Herab-
dnickung der schon begründeten Bedeutung der Kurfürsten und der übrigen
Reichsfürsten um so weniger aus, als er keinerlei nennenswerthe Hauomacht
besaß und überdies selbst von seiner nur so kurzen Regierungszeit einen ansehn¬
lichen Theil auf jenem unglücklichen Zuge nach Italien verbrachte, der ihm das
Leben kostete. Unter Ludwig dem Bayer aber macht die Entwickelung des kur¬
fürstlichen Instituts wieder einen bedeutenden Fortschritt, und zwar getragen
von einer nationalen Bewegung. Die Weigerung des Papstes, die Wahl Lud-


entschieden und schreitet von nun an unaufgehalten in dieser N>cltung fort.
Der Kaiser hatte, um während seiner Kampfe in Italien die deutschen Reichs«
fürsten willfährig, zu erhalten, diesen die entscheidendsten Opfer durch Zugeständniß
bleibender Unabhängigkeit von der Kaisergewalt in wichtigen Beziehungen bringen
müssen. Die großen Privilegien, die er ihnen in den Jahren 1220. 1223, 1224
und 1231 verlieh, bildeten die Basis der nunmehr stetig sich fortbildenden
Landeshoheit der deutschen Reichsfürsten; in dem letzterwähnten Privilegium
werden sie zum ersten Male Landesherren (clomini terrg-o suae) genannt. Die
auf den Sturz der Hohenstaufen folgende anarchische Zeit konnte selbstverständ-
lich diesem Bildungsgange der Reichsverfassung nur höchst förderlich sein. Am
Ausgang? dieses Interregnums stand denn nun auch einerseits die beschließende
Kraft der Versammlung aller Reichsfürsten, des Reichstags, und andrerseits die
feste Spitze dieser Rcichsaristokratie, die sich allmälig in der Gestalt des Sieben-
gestirns der Kurfürsten herausgebildet hatte, mit dem Rechte, das Reichsober-
Haupt allein zu wählen, unbezweifelt da.

Die erste Wahl, die sie trafen, fiel trefflich aus. Rudolph v. Habsburg
hat nicht blos für die Machtvergrößerung und Befestigung seines Hauses gesorgt,
er hat unablässig zugleich mit kräftiger Faust die Ordnung im Reiche hergestellt,
und selbst da. wo er für sein Haus sorgte, dies stets in den Formen des da¬
maligen Rechts im Reiche, unter Concurrenz der Kurfürsten gethan, die er höchst
geschickt für seine Interessen zu gewinnen verstand.

Die Wahl Adolphs v. Nassau war nicht ebenso glücklich. Das Ansehen
und die Macht der Kurfürsten aber gewann unter dieser Negierung einen neuen
Zuwachs dadurch, daß sie selbst sich zu dem Rechte der Wahl nun auch das
Recht der Absetzung des von ihnen gewählten römischen Königs aneigneten und
factisch in Vollzug zu selben wußten. Unter dem an des entsetzten Adolphs
Stelle von ihnen erwählten Sohne Rudolphs, dem finsteren und gewaltthätigen
Albrecht dem Ersten aber hätte ihr steigendes Ansehen im Reiche leicht wieder
einen bedeutenden Abbruch erleiden, in seiner Entwickelung wieder zurückgeworfen
werden können, wenn nicht die Mvrderhand des Johann Parricida dieses ge-
sährliche Reichsoberhaupt frühzeitig beseitigt hätte.

Der edle Heinrich v. Luxemburg ging, bei aller Energie und Strenge, mit
welcher er gegen die Friedensstörer im Reiche verfuhr, doch auf eine Herab-
dnickung der schon begründeten Bedeutung der Kurfürsten und der übrigen
Reichsfürsten um so weniger aus, als er keinerlei nennenswerthe Hauomacht
besaß und überdies selbst von seiner nur so kurzen Regierungszeit einen ansehn¬
lichen Theil auf jenem unglücklichen Zuge nach Italien verbrachte, der ihm das
Leben kostete. Unter Ludwig dem Bayer aber macht die Entwickelung des kur¬
fürstlichen Instituts wieder einen bedeutenden Fortschritt, und zwar getragen
von einer nationalen Bewegung. Die Weigerung des Papstes, die Wahl Lud-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/467>, abgerufen am 30.09.2024.