Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.gelehrte Staatsmann vorwarf, sie haun" Anno neunundvierzig bei Erlassung Die dritte kleinstaatliche Wahlaffaire war die des hochgebietenden Staats¬ gelehrte Staatsmann vorwarf, sie haun» Anno neunundvierzig bei Erlassung Die dritte kleinstaatliche Wahlaffaire war die des hochgebietenden Staats¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0464" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190623"/> <p xml:id="ID_1544" prev="#ID_1543"> gelehrte Staatsmann vorwarf, sie haun» Anno neunundvierzig bei Erlassung<lb/> eines Gesetzes mitgewirkt, worin etwas Aehnliches stehe, woraus denn der Herr<lb/> Staatsrath folgern zu Wollen schien, daß nun deshalb „die Gebrüder Widers"<lb/> überall, wo sie sich befänden, auch in Berlin, von allen defecten Vorschriften<lb/> betroffen werden mühten, die in älterer und neuerer Zeit in dem Codex der<lb/> Ovvtriten und Wenden publicirt worden seien und gleichsam eine solidarische<lb/> Haftbarkett und Guisprache für alle darin enthaltene Sünden wider den heiligen<lb/> Geist des Rechtes übernommen und dafür mit Gut und Blut auszukommen<lb/> halten. Das war denn doch selbst dem edlen Dulder Julius Wiggers (Pro¬<lb/> fessor der Theologie in Rostock, bekannt durch seine theologischen, kirchengeschicht-<lb/> lichen und staatswissenschaftlicher Werke, in Rostock selbst rü den Reichstag ge¬<lb/> wählt) zu statt. Er parirte in einer „persönlichen Bemerkung" diesen, was ihn<lb/> anlangt, rein vom Zaum gerissenen und obendrein thatsächlich unwahren An¬<lb/> griff mit ein paar wuchtigen Hieben; und so wurde denn die Abstimmung aus<lb/> einer bloßen Genehmigung der Wahl zu einer Niederlage des in Mecklenburg<lb/> herrschenden Systems.</p><lb/> <p xml:id="ID_1545" next="#ID_1546"> Die dritte kleinstaatliche Wahlaffaire war die des hochgebietenden Staats¬<lb/> und Cabinetsministers des Fürstenthums Lippe-Detmold Herrn v. Oheimb, ge¬<lb/> wählt in dem Fürstenthum Lippe, oder um seine selbsteigenen Worte zu ge¬<lb/> brauchen: „in seinem Lande". Eine große Anzahl Wähler hatte gegen die<lb/> Wahl reclamirt und erhebliche Gründe angeführt; die niederen Beamten sollen<lb/> im Auftrag der höheren it,re amtliche Autorität mißbraucht haben, um Stimmen<lb/> zu erkaufen, zu erschleichen oder zu erzwingen zu Gunsten ihres Chefs, des<lb/> Herrn Oheimb; in einem Wahlbezirke wurde die Abstimmung, welche nach dem<lb/> Gesetze eine geheime sein soll, in eine offene verwandelt, in der Art, daß der<lb/> Wahlvvrstand die geschlossenen Zettel sofort nach Empfang auseinanderfaltete<lb/> und sortirte — die für Oheimb zur Rechten und die für Hausmann, den Gegen-<lb/> candidaten zur Linken, wobei natürlich die Schafe zur Rechten über die Bocke<lb/> zur Linken siegten, u. tgi. in. Mau fand jedoch in alledem keinen Grund zur<lb/> Beanstandung. „Wenn man auch," so hieß es, „Herrn v. Oheimb diese 826<lb/> Stimmen abziehe, behalte er doch noch genug zur absoluten Majorität." Ja,<lb/> aber wie dann, wenn man sie — und das muß man — nicht allein Herrn<lb/> Oheimb ab-, sondern auch seinem Gcgcncandidaten zuzählt, dann behält ersterer<lb/> keine absolute Majorität. „Selbst wenn," so hieß es weiter, „die Ueberschrei-<lb/> tungen der Beamten nachgewiesen werden könnten, so waren das alles doch<lb/> nur Versuche; denn es liege in dem Charakter der geheimen Abstimmung, baß<lb/> der Causalnexus nicht zu ermitteln, und daß nie ein exacter Beweis darüber<lb/> zu führen sei. ob und welchen Erfolg die angewandten Mittel des Betrugs,<lb/> der List, der Gewalt und der Bedrohung gehabt hätten." Wir erlauben uns<lb/> kein Urtheil darüber, ob die Entscheidung des Reichstags, welcher mit sshr</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0464]
gelehrte Staatsmann vorwarf, sie haun» Anno neunundvierzig bei Erlassung
eines Gesetzes mitgewirkt, worin etwas Aehnliches stehe, woraus denn der Herr
Staatsrath folgern zu Wollen schien, daß nun deshalb „die Gebrüder Widers"
überall, wo sie sich befänden, auch in Berlin, von allen defecten Vorschriften
betroffen werden mühten, die in älterer und neuerer Zeit in dem Codex der
Ovvtriten und Wenden publicirt worden seien und gleichsam eine solidarische
Haftbarkett und Guisprache für alle darin enthaltene Sünden wider den heiligen
Geist des Rechtes übernommen und dafür mit Gut und Blut auszukommen
halten. Das war denn doch selbst dem edlen Dulder Julius Wiggers (Pro¬
fessor der Theologie in Rostock, bekannt durch seine theologischen, kirchengeschicht-
lichen und staatswissenschaftlicher Werke, in Rostock selbst rü den Reichstag ge¬
wählt) zu statt. Er parirte in einer „persönlichen Bemerkung" diesen, was ihn
anlangt, rein vom Zaum gerissenen und obendrein thatsächlich unwahren An¬
griff mit ein paar wuchtigen Hieben; und so wurde denn die Abstimmung aus
einer bloßen Genehmigung der Wahl zu einer Niederlage des in Mecklenburg
herrschenden Systems.
Die dritte kleinstaatliche Wahlaffaire war die des hochgebietenden Staats¬
und Cabinetsministers des Fürstenthums Lippe-Detmold Herrn v. Oheimb, ge¬
wählt in dem Fürstenthum Lippe, oder um seine selbsteigenen Worte zu ge¬
brauchen: „in seinem Lande". Eine große Anzahl Wähler hatte gegen die
Wahl reclamirt und erhebliche Gründe angeführt; die niederen Beamten sollen
im Auftrag der höheren it,re amtliche Autorität mißbraucht haben, um Stimmen
zu erkaufen, zu erschleichen oder zu erzwingen zu Gunsten ihres Chefs, des
Herrn Oheimb; in einem Wahlbezirke wurde die Abstimmung, welche nach dem
Gesetze eine geheime sein soll, in eine offene verwandelt, in der Art, daß der
Wahlvvrstand die geschlossenen Zettel sofort nach Empfang auseinanderfaltete
und sortirte — die für Oheimb zur Rechten und die für Hausmann, den Gegen-
candidaten zur Linken, wobei natürlich die Schafe zur Rechten über die Bocke
zur Linken siegten, u. tgi. in. Mau fand jedoch in alledem keinen Grund zur
Beanstandung. „Wenn man auch," so hieß es, „Herrn v. Oheimb diese 826
Stimmen abziehe, behalte er doch noch genug zur absoluten Majorität." Ja,
aber wie dann, wenn man sie — und das muß man — nicht allein Herrn
Oheimb ab-, sondern auch seinem Gcgcncandidaten zuzählt, dann behält ersterer
keine absolute Majorität. „Selbst wenn," so hieß es weiter, „die Ueberschrei-
tungen der Beamten nachgewiesen werden könnten, so waren das alles doch
nur Versuche; denn es liege in dem Charakter der geheimen Abstimmung, baß
der Causalnexus nicht zu ermitteln, und daß nie ein exacter Beweis darüber
zu führen sei. ob und welchen Erfolg die angewandten Mittel des Betrugs,
der List, der Gewalt und der Bedrohung gehabt hätten." Wir erlauben uns
kein Urtheil darüber, ob die Entscheidung des Reichstags, welcher mit sshr
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