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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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des Landrathes genehniigt. Freilich handelte es sich um einen der Heroen des
Kriegs von l8t!K; und es liegt daher vielleicht keine allzu große Gefahr vor.
daß in der Huldigung, welche man diesem zollte, ein Verzicht auf die Freiheit
der Wahl und eine Billigung etwaigen Mißbrauchs der Amtsgewalt gefunden
werde.

Im nebligen bewegten sich die in Betreff der Wahlen erhobenen Reclama-
tionen theils auf nationalem, theils auf territorialen Gebiet. Zu den
Fällen der ersteren Art gehören die polnischen und die dänischen Wahlen. I"
Nordschleswig haben bekanntlich die Dänen zwei Kandidaten bei der Wahl durch¬
gesetzt, weil die Deutschen -- hie national! -- hie augustcnburgisch! -- unter
einander uneinig waren. Gegen die Wahl des einen: Ahlmann von Athen,
waren Proteste eingelaufen; außerdem behauptete der frühere koburgische Staats¬
rath und augustenburgische Minister Francke, die Dänen hätten Stimmen ge¬
kauft, ohne jedoch einzelne Fälle angeben zu können. Die Proteste gründeten
sich darauf, daß ein ganzes Dorf oder ein ganzes Gut bei der Wahl Übergängen
worden sei. Man beanstandete deshalb die Wahl. Gegenüber der außerordent-
lichen Nachsicht, welche man sonst und namentlich bei den wegen Mißbrauchs
der Amtsgewalt erhobenen Beschwerden an den Tag gelegt hat, erscheint dieser
Beschluß ein wenig rigoros. Denn es ist kaum zu begreifen, wie ein ganzes
Dorf ausgeschlossen werden kannte, wenn es dieses nicht selbst so wollte. Es
kvnnie sich ja doch bei Zeiten an den preußischen Wahlcommissarius wenden,
Von dem es sicherlich Abhilfe zu erwarten hatte. Wollte es aber nicht wählen,
dann fehlt jeder Grund zur Beanstandung der Wahl. Denn keiner ist zu wählen
verpflichtet. Volrwti nur tit iujuria. Die Deutschen in Nordschleswig hätten
bei der Wahl ihre rzueiellcis allvmirrräös bei Seite setzen sollen, dann hätten
sie gesiegt und brauchten nicht "ach der verlorenen Schlacht wegen einer Posi¬
tion, die sie zu besetzen Vergessen hatten -- Wegen eines außer Acht gelassenen
Dorfes -- Beschwerde zu führen.

Außer der dänischen Nation beschäftigte sich der Reichstag bei Gelegenheit
der Wahlen auch mit der polnischen. Die Polen erhoben schwere Klagen wegen
Beeinflussung der Wahlen durch Mißbrauch der weltlichen Gewalt. Sofort
Wurde ihnen durch den preußischen Ministerpräsidenten die Beschuldigung des
Mißbrauchs der geistlichen Gewalt entgegengehalten. Leider sind beide Bö"
würfe gleich begründet, und in und außerhalb der Mauern scheint gesündigt
worden zu sein. Hat ja doch auch am Rhein und in Süddeutschland lange der
niedere katholische Klerus gepredigt, prcußrsch sei protestaniiscd. und wen" Preu¬
ßen oben bleibe, würden alle Katholiken gezwungen, den Glaube" ihrer Bäter
abzuschwören. Erst durch den Einmarsch gut katholischer Landwehrleute, "welche
>hre heilige Messe mit Andacht hörten und ihr Kreuz schlugen, "wie andere ehr¬
liche Christenmenschen auch", wurde dort die bethörte Menge gewahr, wie irrig


des Landrathes genehniigt. Freilich handelte es sich um einen der Heroen des
Kriegs von l8t!K; und es liegt daher vielleicht keine allzu große Gefahr vor.
daß in der Huldigung, welche man diesem zollte, ein Verzicht auf die Freiheit
der Wahl und eine Billigung etwaigen Mißbrauchs der Amtsgewalt gefunden
werde.

Im nebligen bewegten sich die in Betreff der Wahlen erhobenen Reclama-
tionen theils auf nationalem, theils auf territorialen Gebiet. Zu den
Fällen der ersteren Art gehören die polnischen und die dänischen Wahlen. I»
Nordschleswig haben bekanntlich die Dänen zwei Kandidaten bei der Wahl durch¬
gesetzt, weil die Deutschen — hie national! — hie augustcnburgisch! — unter
einander uneinig waren. Gegen die Wahl des einen: Ahlmann von Athen,
waren Proteste eingelaufen; außerdem behauptete der frühere koburgische Staats¬
rath und augustenburgische Minister Francke, die Dänen hätten Stimmen ge¬
kauft, ohne jedoch einzelne Fälle angeben zu können. Die Proteste gründeten
sich darauf, daß ein ganzes Dorf oder ein ganzes Gut bei der Wahl Übergängen
worden sei. Man beanstandete deshalb die Wahl. Gegenüber der außerordent-
lichen Nachsicht, welche man sonst und namentlich bei den wegen Mißbrauchs
der Amtsgewalt erhobenen Beschwerden an den Tag gelegt hat, erscheint dieser
Beschluß ein wenig rigoros. Denn es ist kaum zu begreifen, wie ein ganzes
Dorf ausgeschlossen werden kannte, wenn es dieses nicht selbst so wollte. Es
kvnnie sich ja doch bei Zeiten an den preußischen Wahlcommissarius wenden,
Von dem es sicherlich Abhilfe zu erwarten hatte. Wollte es aber nicht wählen,
dann fehlt jeder Grund zur Beanstandung der Wahl. Denn keiner ist zu wählen
verpflichtet. Volrwti nur tit iujuria. Die Deutschen in Nordschleswig hätten
bei der Wahl ihre rzueiellcis allvmirrräös bei Seite setzen sollen, dann hätten
sie gesiegt und brauchten nicht »ach der verlorenen Schlacht wegen einer Posi¬
tion, die sie zu besetzen Vergessen hatten — Wegen eines außer Acht gelassenen
Dorfes — Beschwerde zu führen.

Außer der dänischen Nation beschäftigte sich der Reichstag bei Gelegenheit
der Wahlen auch mit der polnischen. Die Polen erhoben schwere Klagen wegen
Beeinflussung der Wahlen durch Mißbrauch der weltlichen Gewalt. Sofort
Wurde ihnen durch den preußischen Ministerpräsidenten die Beschuldigung des
Mißbrauchs der geistlichen Gewalt entgegengehalten. Leider sind beide Bö»
würfe gleich begründet, und in und außerhalb der Mauern scheint gesündigt
worden zu sein. Hat ja doch auch am Rhein und in Süddeutschland lange der
niedere katholische Klerus gepredigt, prcußrsch sei protestaniiscd. und wen» Preu¬
ßen oben bleibe, würden alle Katholiken gezwungen, den Glaube» ihrer Bäter
abzuschwören. Erst durch den Einmarsch gut katholischer Landwehrleute, „welche
>hre heilige Messe mit Andacht hörten und ihr Kreuz schlugen, „wie andere ehr¬
liche Christenmenschen auch", wurde dort die bethörte Menge gewahr, wie irrig


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[0459] des Landrathes genehniigt. Freilich handelte es sich um einen der Heroen des Kriegs von l8t!K; und es liegt daher vielleicht keine allzu große Gefahr vor. daß in der Huldigung, welche man diesem zollte, ein Verzicht auf die Freiheit der Wahl und eine Billigung etwaigen Mißbrauchs der Amtsgewalt gefunden werde. Im nebligen bewegten sich die in Betreff der Wahlen erhobenen Reclama- tionen theils auf nationalem, theils auf territorialen Gebiet. Zu den Fällen der ersteren Art gehören die polnischen und die dänischen Wahlen. I» Nordschleswig haben bekanntlich die Dänen zwei Kandidaten bei der Wahl durch¬ gesetzt, weil die Deutschen — hie national! — hie augustcnburgisch! — unter einander uneinig waren. Gegen die Wahl des einen: Ahlmann von Athen, waren Proteste eingelaufen; außerdem behauptete der frühere koburgische Staats¬ rath und augustenburgische Minister Francke, die Dänen hätten Stimmen ge¬ kauft, ohne jedoch einzelne Fälle angeben zu können. Die Proteste gründeten sich darauf, daß ein ganzes Dorf oder ein ganzes Gut bei der Wahl Übergängen worden sei. Man beanstandete deshalb die Wahl. Gegenüber der außerordent- lichen Nachsicht, welche man sonst und namentlich bei den wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt erhobenen Beschwerden an den Tag gelegt hat, erscheint dieser Beschluß ein wenig rigoros. Denn es ist kaum zu begreifen, wie ein ganzes Dorf ausgeschlossen werden kannte, wenn es dieses nicht selbst so wollte. Es kvnnie sich ja doch bei Zeiten an den preußischen Wahlcommissarius wenden, Von dem es sicherlich Abhilfe zu erwarten hatte. Wollte es aber nicht wählen, dann fehlt jeder Grund zur Beanstandung der Wahl. Denn keiner ist zu wählen verpflichtet. Volrwti nur tit iujuria. Die Deutschen in Nordschleswig hätten bei der Wahl ihre rzueiellcis allvmirrräös bei Seite setzen sollen, dann hätten sie gesiegt und brauchten nicht »ach der verlorenen Schlacht wegen einer Posi¬ tion, die sie zu besetzen Vergessen hatten — Wegen eines außer Acht gelassenen Dorfes — Beschwerde zu führen. Außer der dänischen Nation beschäftigte sich der Reichstag bei Gelegenheit der Wahlen auch mit der polnischen. Die Polen erhoben schwere Klagen wegen Beeinflussung der Wahlen durch Mißbrauch der weltlichen Gewalt. Sofort Wurde ihnen durch den preußischen Ministerpräsidenten die Beschuldigung des Mißbrauchs der geistlichen Gewalt entgegengehalten. Leider sind beide Bö» würfe gleich begründet, und in und außerhalb der Mauern scheint gesündigt worden zu sein. Hat ja doch auch am Rhein und in Süddeutschland lange der niedere katholische Klerus gepredigt, prcußrsch sei protestaniiscd. und wen» Preu¬ ßen oben bleibe, würden alle Katholiken gezwungen, den Glaube» ihrer Bäter abzuschwören. Erst durch den Einmarsch gut katholischer Landwehrleute, „welche >hre heilige Messe mit Andacht hörten und ihr Kreuz schlugen, „wie andere ehr¬ liche Christenmenschen auch", wurde dort die bethörte Menge gewahr, wie irrig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/459>, abgerufen am 29.09.2024.