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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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können die Deutschen in Böhmen mit der "Linken" des Landtages vollkommen
zufrieden sein.

Den Sitz des Oberstlandmarschalls nimmt Graf Albert Nostiz ein, der als
Anhänger der feudal-nationalen Partei bekannt ist. Er war schon in der ersten
Landtagssession zu dem Amte ernannt, trat aber dann wegen Differenzen mit
Schmerling zurück, "in den Posten erst einzunehmen, da Belcredi das Staats¬
schiff in die "freie Bahn" einzulenken begann. Als Oberstlandmarschall Versteht ?
Graf Nostitz die Debatten trefflich zu leiten, wiewohl er seine Sympathie" für
die rechte Seite deS Hauses nicht verläugnen kann. Sein Stellvertreter ist der
prager Bürgermeister I),-. Pjclsty, ein Manu von grvsier Weltklugheit, dessen
Name durch die pseuhischc Occupation Prags auch in weiteren Kreisen bekannt
wurde, Wiewohl l^zeebe und durch die czechischc Coteric auf deu Bürgermcistcr-
stuhl erhoben, gehör! er doch nicht den Exaltados an, sondern versteht mit allen
Parteien zu leben.

Am Negierungstische sitzt der Statthalter Graf Rothkirch-Panther. von dem
man eben nicht mehr zu sagen weis,, als das, er mit den Tendenzen der Negie¬
rung, welche er jetzt vertreten must, nicht einverstanden ist und sehr zur Partei
Clam-Thun hinneigt. Die Art und Weise, wie er die Regie,ung vertritt, ist
nicht geeignet, diese Ansicht zu widerlegen. Wird dieselbe Stimme, welche die
letzte Session des böhmischen Landtags für geschlossen erklärte, die neue in-
^. auguriren? --




Die Akademien und der Knnstnnterricht.

Das; uns Deutschen der Schulmcisterzopf noch immer so lang als jemals
herunterhange, ist eine Naturerscheinung, die man bei jeder Gelegenheit wast'
nehmen kaun. Als geborene Pedanten möchten wir der freien Entwickelung
womöglich gar nichts, alles der Schule, dem amtlichen Zwang verdanken. Zeisig
sich irgendwo ein Gebrechen in unserem nationale" Lebe", so verlangen alle
Parteien sofort die Reformirung der betreffenden Schulen, darin stimmen sie
immer überein. Die Konservativen wollen mehr Gottesfurcht und Unterthanen-
treue, die Liberalen mehr Aufklärung und Freiheiissinn, die Militärs mehr
Disciplin und die Aerzte mehr Gesundheit allemal durch Einwukung auf die


können die Deutschen in Böhmen mit der „Linken" des Landtages vollkommen
zufrieden sein.

Den Sitz des Oberstlandmarschalls nimmt Graf Albert Nostiz ein, der als
Anhänger der feudal-nationalen Partei bekannt ist. Er war schon in der ersten
Landtagssession zu dem Amte ernannt, trat aber dann wegen Differenzen mit
Schmerling zurück, »in den Posten erst einzunehmen, da Belcredi das Staats¬
schiff in die „freie Bahn" einzulenken begann. Als Oberstlandmarschall Versteht ?
Graf Nostitz die Debatten trefflich zu leiten, wiewohl er seine Sympathie» für
die rechte Seite deS Hauses nicht verläugnen kann. Sein Stellvertreter ist der
prager Bürgermeister I),-. Pjclsty, ein Manu von grvsier Weltklugheit, dessen
Name durch die pseuhischc Occupation Prags auch in weiteren Kreisen bekannt
wurde, Wiewohl l^zeebe und durch die czechischc Coteric auf deu Bürgermcistcr-
stuhl erhoben, gehör! er doch nicht den Exaltados an, sondern versteht mit allen
Parteien zu leben.

Am Negierungstische sitzt der Statthalter Graf Rothkirch-Panther. von dem
man eben nicht mehr zu sagen weis,, als das, er mit den Tendenzen der Negie¬
rung, welche er jetzt vertreten must, nicht einverstanden ist und sehr zur Partei
Clam-Thun hinneigt. Die Art und Weise, wie er die Regie,ung vertritt, ist
nicht geeignet, diese Ansicht zu widerlegen. Wird dieselbe Stimme, welche die
letzte Session des böhmischen Landtags für geschlossen erklärte, die neue in-
^. auguriren? —




Die Akademien und der Knnstnnterricht.

Das; uns Deutschen der Schulmcisterzopf noch immer so lang als jemals
herunterhange, ist eine Naturerscheinung, die man bei jeder Gelegenheit wast'
nehmen kaun. Als geborene Pedanten möchten wir der freien Entwickelung
womöglich gar nichts, alles der Schule, dem amtlichen Zwang verdanken. Zeisig
sich irgendwo ein Gebrechen in unserem nationale» Lebe», so verlangen alle
Parteien sofort die Reformirung der betreffenden Schulen, darin stimmen sie
immer überein. Die Konservativen wollen mehr Gottesfurcht und Unterthanen-
treue, die Liberalen mehr Aufklärung und Freiheiissinn, die Militärs mehr
Disciplin und die Aerzte mehr Gesundheit allemal durch Einwukung auf die


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[0444] können die Deutschen in Böhmen mit der „Linken" des Landtages vollkommen zufrieden sein. Den Sitz des Oberstlandmarschalls nimmt Graf Albert Nostiz ein, der als Anhänger der feudal-nationalen Partei bekannt ist. Er war schon in der ersten Landtagssession zu dem Amte ernannt, trat aber dann wegen Differenzen mit Schmerling zurück, »in den Posten erst einzunehmen, da Belcredi das Staats¬ schiff in die „freie Bahn" einzulenken begann. Als Oberstlandmarschall Versteht ? Graf Nostitz die Debatten trefflich zu leiten, wiewohl er seine Sympathie» für die rechte Seite deS Hauses nicht verläugnen kann. Sein Stellvertreter ist der prager Bürgermeister I),-. Pjclsty, ein Manu von grvsier Weltklugheit, dessen Name durch die pseuhischc Occupation Prags auch in weiteren Kreisen bekannt wurde, Wiewohl l^zeebe und durch die czechischc Coteric auf deu Bürgermcistcr- stuhl erhoben, gehör! er doch nicht den Exaltados an, sondern versteht mit allen Parteien zu leben. Am Negierungstische sitzt der Statthalter Graf Rothkirch-Panther. von dem man eben nicht mehr zu sagen weis,, als das, er mit den Tendenzen der Negie¬ rung, welche er jetzt vertreten must, nicht einverstanden ist und sehr zur Partei Clam-Thun hinneigt. Die Art und Weise, wie er die Regie,ung vertritt, ist nicht geeignet, diese Ansicht zu widerlegen. Wird dieselbe Stimme, welche die letzte Session des böhmischen Landtags für geschlossen erklärte, die neue in- ^. auguriren? — Die Akademien und der Knnstnnterricht. Das; uns Deutschen der Schulmcisterzopf noch immer so lang als jemals herunterhange, ist eine Naturerscheinung, die man bei jeder Gelegenheit wast' nehmen kaun. Als geborene Pedanten möchten wir der freien Entwickelung womöglich gar nichts, alles der Schule, dem amtlichen Zwang verdanken. Zeisig sich irgendwo ein Gebrechen in unserem nationale» Lebe», so verlangen alle Parteien sofort die Reformirung der betreffenden Schulen, darin stimmen sie immer überein. Die Konservativen wollen mehr Gottesfurcht und Unterthanen- treue, die Liberalen mehr Aufklärung und Freiheiissinn, die Militärs mehr Disciplin und die Aerzte mehr Gesundheit allemal durch Einwukung auf die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/444>, abgerufen am 28.09.2024.