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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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macht, sondern dieselbe fast mit Ostcntaiio" offen bekennt. Er hatte den Muth,
im böhmischen Landtagssaale sich selbst als einen der Schöpfer des Concordates
und als Gegner mancher Bolksrechtc zu bezeichnen.

Die "reisten der hohen Herren, welche auf der Rechte" scheu, bringen den
Landtagsvcrhandlungen wenig Interesse und auch wenig Verständniß entgegen.
Sie filzen eben da. weil sie gewählt sind und stimmen eben so oder so. weil
der Graf Clam und Thun sie dazu bestimmen. Einige jüngere Kräfte scheinen
gern das Noß der hohen Politik zu tummeln, bewegen sich aber vorläufig
exclusiv auf czechischem Gebiete, so Fürst Karl Schwarzenberg. der junge Fürst
Lobkowitz. Diese besondere Species nobler Passion ist grade in der Mode,
aber sie kann mit dieser auch wieder verschwinden.

Das Centrum nahmen die Abgeordneten czechischer Nationalität ein. Die
"Czamara" (das neuerfundene czechische Nationalkleid) ist hier vorherrschend
und eine stete Unruhe in dieser Gruppe verräth das bewegliche Temperament
der czechischen Abgeordneten, von denen manche noch sehr jung sind und erst
kürzlich die "normalmäßige Zahl" von Jahren erreicht haben. Der bedeutendste
Mann der Partei, "der erste Czcche des Königreichs", ist Palazky, der Historio-
graph Böhmens, dem sei" Alter und seine wissenschaftliche Bildung ein gewisses
Ansehen bei allen Parteien verschaffen und dem jetzt der ihm vom Kaiser ver¬
liehene Barontitel ein aristokratisches Relief giebt. Der alte Herr, den die Jahre
gebeugt haben und dem die blonde Perrücke einen, ich möchte fast sagen komi¬
schen Ausdruck giebt, findet sich offenbar nicht mehr zurecht in den Strömungen
der Gegenwart, er lebt unter den vergilbten Papieren forschend und träumend
von der Se. Wcnzelskrone und schreibt über ihre staatsrechtliche Bedeutung. Im
Volke genießt er eine große Belehrung. Man liebte es, den "Bater Palazty"
stets mit einem gewissen Glorienscheine zu umgeben und an besonderen Fest¬
tagen der Nation lud man zur Anbetung des Propheten ein. Die Jungczechen
sind durch ihr zuweilen schonungsloses Borgehen Schuld daran, daß dieser
Glorienschein in jüngster Zeit wesentlich abgeblaßt ist. Der Partei selbst gegen¬
über ist Palazky el" überwundener Standpunkt. Im Landtage spricht er sehr
selten und wenn er das Wort ergreift, so geschieht es (natürlich czechisch) nur,
um einige historische Bclehrnnge" über die böhmische Krone und ihre Rechte
zu geben.

Sein Schwiegersohn, Dr. Rieger, ist der eigentliche Fühccr der czechisch""
Partei. Der schöne Mann vom Jahre 1848, der mit seiner bestechende" Rede
das Volk gewann und den die Frauen in Kremsier nicht genug bewunder" konnten,
ist seitdem sehr gealtert. Die intelligenten Züge, welche damals der schwarze
wohlgepflegte Bart so wirksam unirahmte, haben nun eine herbe Ausprägung
angenommen und nur wenn er in Ekstase geräth. erinnert noch das wilde Feuer,
das aus diesen Zügen spricht, an den gefeierten Bolksttibun von ehedem.


macht, sondern dieselbe fast mit Ostcntaiio» offen bekennt. Er hatte den Muth,
im böhmischen Landtagssaale sich selbst als einen der Schöpfer des Concordates
und als Gegner mancher Bolksrechtc zu bezeichnen.

Die »reisten der hohen Herren, welche auf der Rechte» scheu, bringen den
Landtagsvcrhandlungen wenig Interesse und auch wenig Verständniß entgegen.
Sie filzen eben da. weil sie gewählt sind und stimmen eben so oder so. weil
der Graf Clam und Thun sie dazu bestimmen. Einige jüngere Kräfte scheinen
gern das Noß der hohen Politik zu tummeln, bewegen sich aber vorläufig
exclusiv auf czechischem Gebiete, so Fürst Karl Schwarzenberg. der junge Fürst
Lobkowitz. Diese besondere Species nobler Passion ist grade in der Mode,
aber sie kann mit dieser auch wieder verschwinden.

Das Centrum nahmen die Abgeordneten czechischer Nationalität ein. Die
„Czamara" (das neuerfundene czechische Nationalkleid) ist hier vorherrschend
und eine stete Unruhe in dieser Gruppe verräth das bewegliche Temperament
der czechischen Abgeordneten, von denen manche noch sehr jung sind und erst
kürzlich die „normalmäßige Zahl" von Jahren erreicht haben. Der bedeutendste
Mann der Partei, „der erste Czcche des Königreichs", ist Palazky, der Historio-
graph Böhmens, dem sei» Alter und seine wissenschaftliche Bildung ein gewisses
Ansehen bei allen Parteien verschaffen und dem jetzt der ihm vom Kaiser ver¬
liehene Barontitel ein aristokratisches Relief giebt. Der alte Herr, den die Jahre
gebeugt haben und dem die blonde Perrücke einen, ich möchte fast sagen komi¬
schen Ausdruck giebt, findet sich offenbar nicht mehr zurecht in den Strömungen
der Gegenwart, er lebt unter den vergilbten Papieren forschend und träumend
von der Se. Wcnzelskrone und schreibt über ihre staatsrechtliche Bedeutung. Im
Volke genießt er eine große Belehrung. Man liebte es, den „Bater Palazty"
stets mit einem gewissen Glorienscheine zu umgeben und an besonderen Fest¬
tagen der Nation lud man zur Anbetung des Propheten ein. Die Jungczechen
sind durch ihr zuweilen schonungsloses Borgehen Schuld daran, daß dieser
Glorienschein in jüngster Zeit wesentlich abgeblaßt ist. Der Partei selbst gegen¬
über ist Palazky el» überwundener Standpunkt. Im Landtage spricht er sehr
selten und wenn er das Wort ergreift, so geschieht es (natürlich czechisch) nur,
um einige historische Bclehrnnge» über die böhmische Krone und ihre Rechte
zu geben.

Sein Schwiegersohn, Dr. Rieger, ist der eigentliche Fühccr der czechisch«»
Partei. Der schöne Mann vom Jahre 1848, der mit seiner bestechende» Rede
das Volk gewann und den die Frauen in Kremsier nicht genug bewunder» konnten,
ist seitdem sehr gealtert. Die intelligenten Züge, welche damals der schwarze
wohlgepflegte Bart so wirksam unirahmte, haben nun eine herbe Ausprägung
angenommen und nur wenn er in Ekstase geräth. erinnert noch das wilde Feuer,
das aus diesen Zügen spricht, an den gefeierten Bolksttibun von ehedem.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/440>, abgerufen am 28.09.2024.