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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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ständigen Untersuchungen des Autors beruht, -- die klare Darstellung der in
einzelnen PräcedenMlcn zur Entscheidung gekommenen Pnncivienfragen sehr
fesselnd und ebenso geeignet, dem Fachmann Belehrung als dem Laien Unter¬
haltung zu gewähren. Cox weiß sogar seine rein objective Darstellung durch
pikante Gruppirung der Thatsachen zuweilen mit einem trockenen Humor zu
würzen, -- wie er z. B. bei der historischen Entwickelung der Prärogative der
Krone im Text den Wortlaut der Petition ok grievlruevs anführt, in welcher
dem König'Jacob dem Ersten von dem Hause der Gemeinen vorgeworfen wird,
"er habe eine Menge ungesetzlicher Proklamationen erlassen, die das Bestreben
verriethen, eine neue Form willkürlicher Regierung einzuführen". -- und in
einer Anmerkung dann die Ueberreiehungsredc von Sir Francis Bacon citirt,
der diese Petition Minitüs eolumduv nennt, das "Seufzen einer Taube, mit
der Geduld und Demuth, welche der Theil loyaler und liebevoller Unterthanen
sei." --

Dagegen fehlt dem Verfasser in einem für deutsche Leser sehr auffallenden
Grade die philosophische Durchbildung und Begründung seiner Ansichten und
wird der Anspruch hierauf von ihm sogar mit jener geflissentlicher Gering¬
schätzung, wie sie sich häufig bei englischen clvduters findet, unberücksichtigt ge¬
lassen. So unterscheidet Cox ausdrücklich zweierlei Arte" von Gründen: spe-
cuhativc, welche nur aus der menschlichen Natur Folgerungen zögen, deshalb
nur Wahrscheinlichkeitsgründe und viel unsicherer seien als die zweite Sorte,
die historischen Gründe, die Schlüsse, welche aus der Geschichte abgeleitet
würden, wobei denn freilich verkannt wird, daß, -- wenn nur von letzteren die
Menschheit sich leiten lassen wollte, sich Gesetz und Recht wie eine ewige Krank¬
heit von Geschlecht zu Geschlecht forterben, und gar bald der Zustand eintreten
Würde, daß "Vernunft Unsinn, Wohlthat Plage wird!" Allein in der That
weiß auch der praktische mMvr-ot'-kÄet-in-in gar wohl die Kritik an dem historisch
Überlieferten zu üben; er ist keineswegs ein unbedingter Anhänger des Prin¬
cips, daß alles, was ist, auch vernünftig sei; im Gegentheil sucht er mit Sach¬
kenntniß und einer oft einschneidenden Schärfe die Anwendungen eines urnes-
>'gen Princips nachzuweisen, und er betont namentlich mit Recht die Noth¬
wendigkeit einer schärferen Trennung in der Competenz der verschiedenen
Functionen der Staatsgewalt, in welcher er die hauptsächlichste Garantie der
politischen Freiheit erblickt. --

Die Uebertragung dieser luZtitutivus ok tluz goverumLut in die
deutsche Sprache durch den Appcllationsgcrichtsrath Kühne ist so vollkommen,
daß man f>,se ein Originalwerk in der Hand zu haben glaubt, und durch er¬
läuternde Anmerkungen und Verweisungen aus das gueisischc Werk hat die
^den für deutsche Leser noch einen besonderen Werth erhalten. Es kann des-
)"ib dies Compendium als ein Bademccum allen Staatsmännern und solchen,


ständigen Untersuchungen des Autors beruht, — die klare Darstellung der in
einzelnen PräcedenMlcn zur Entscheidung gekommenen Pnncivienfragen sehr
fesselnd und ebenso geeignet, dem Fachmann Belehrung als dem Laien Unter¬
haltung zu gewähren. Cox weiß sogar seine rein objective Darstellung durch
pikante Gruppirung der Thatsachen zuweilen mit einem trockenen Humor zu
würzen, — wie er z. B. bei der historischen Entwickelung der Prärogative der
Krone im Text den Wortlaut der Petition ok grievlruevs anführt, in welcher
dem König'Jacob dem Ersten von dem Hause der Gemeinen vorgeworfen wird,
„er habe eine Menge ungesetzlicher Proklamationen erlassen, die das Bestreben
verriethen, eine neue Form willkürlicher Regierung einzuführen". — und in
einer Anmerkung dann die Ueberreiehungsredc von Sir Francis Bacon citirt,
der diese Petition Minitüs eolumduv nennt, das „Seufzen einer Taube, mit
der Geduld und Demuth, welche der Theil loyaler und liebevoller Unterthanen
sei." —

Dagegen fehlt dem Verfasser in einem für deutsche Leser sehr auffallenden
Grade die philosophische Durchbildung und Begründung seiner Ansichten und
wird der Anspruch hierauf von ihm sogar mit jener geflissentlicher Gering¬
schätzung, wie sie sich häufig bei englischen clvduters findet, unberücksichtigt ge¬
lassen. So unterscheidet Cox ausdrücklich zweierlei Arte» von Gründen: spe-
cuhativc, welche nur aus der menschlichen Natur Folgerungen zögen, deshalb
nur Wahrscheinlichkeitsgründe und viel unsicherer seien als die zweite Sorte,
die historischen Gründe, die Schlüsse, welche aus der Geschichte abgeleitet
würden, wobei denn freilich verkannt wird, daß, — wenn nur von letzteren die
Menschheit sich leiten lassen wollte, sich Gesetz und Recht wie eine ewige Krank¬
heit von Geschlecht zu Geschlecht forterben, und gar bald der Zustand eintreten
Würde, daß „Vernunft Unsinn, Wohlthat Plage wird!" Allein in der That
weiß auch der praktische mMvr-ot'-kÄet-in-in gar wohl die Kritik an dem historisch
Überlieferten zu üben; er ist keineswegs ein unbedingter Anhänger des Prin¬
cips, daß alles, was ist, auch vernünftig sei; im Gegentheil sucht er mit Sach¬
kenntniß und einer oft einschneidenden Schärfe die Anwendungen eines urnes-
>'gen Princips nachzuweisen, und er betont namentlich mit Recht die Noth¬
wendigkeit einer schärferen Trennung in der Competenz der verschiedenen
Functionen der Staatsgewalt, in welcher er die hauptsächlichste Garantie der
politischen Freiheit erblickt. —

Die Uebertragung dieser luZtitutivus ok tluz goverumLut in die
deutsche Sprache durch den Appcllationsgcrichtsrath Kühne ist so vollkommen,
daß man f>,se ein Originalwerk in der Hand zu haben glaubt, und durch er¬
läuternde Anmerkungen und Verweisungen aus das gueisischc Werk hat die
^den für deutsche Leser noch einen besonderen Werth erhalten. Es kann des-
)"ib dies Compendium als ein Bademccum allen Staatsmännern und solchen,


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[0435] ständigen Untersuchungen des Autors beruht, — die klare Darstellung der in einzelnen PräcedenMlcn zur Entscheidung gekommenen Pnncivienfragen sehr fesselnd und ebenso geeignet, dem Fachmann Belehrung als dem Laien Unter¬ haltung zu gewähren. Cox weiß sogar seine rein objective Darstellung durch pikante Gruppirung der Thatsachen zuweilen mit einem trockenen Humor zu würzen, — wie er z. B. bei der historischen Entwickelung der Prärogative der Krone im Text den Wortlaut der Petition ok grievlruevs anführt, in welcher dem König'Jacob dem Ersten von dem Hause der Gemeinen vorgeworfen wird, „er habe eine Menge ungesetzlicher Proklamationen erlassen, die das Bestreben verriethen, eine neue Form willkürlicher Regierung einzuführen". — und in einer Anmerkung dann die Ueberreiehungsredc von Sir Francis Bacon citirt, der diese Petition Minitüs eolumduv nennt, das „Seufzen einer Taube, mit der Geduld und Demuth, welche der Theil loyaler und liebevoller Unterthanen sei." — Dagegen fehlt dem Verfasser in einem für deutsche Leser sehr auffallenden Grade die philosophische Durchbildung und Begründung seiner Ansichten und wird der Anspruch hierauf von ihm sogar mit jener geflissentlicher Gering¬ schätzung, wie sie sich häufig bei englischen clvduters findet, unberücksichtigt ge¬ lassen. So unterscheidet Cox ausdrücklich zweierlei Arte» von Gründen: spe- cuhativc, welche nur aus der menschlichen Natur Folgerungen zögen, deshalb nur Wahrscheinlichkeitsgründe und viel unsicherer seien als die zweite Sorte, die historischen Gründe, die Schlüsse, welche aus der Geschichte abgeleitet würden, wobei denn freilich verkannt wird, daß, — wenn nur von letzteren die Menschheit sich leiten lassen wollte, sich Gesetz und Recht wie eine ewige Krank¬ heit von Geschlecht zu Geschlecht forterben, und gar bald der Zustand eintreten Würde, daß „Vernunft Unsinn, Wohlthat Plage wird!" Allein in der That weiß auch der praktische mMvr-ot'-kÄet-in-in gar wohl die Kritik an dem historisch Überlieferten zu üben; er ist keineswegs ein unbedingter Anhänger des Prin¬ cips, daß alles, was ist, auch vernünftig sei; im Gegentheil sucht er mit Sach¬ kenntniß und einer oft einschneidenden Schärfe die Anwendungen eines urnes- >'gen Princips nachzuweisen, und er betont namentlich mit Recht die Noth¬ wendigkeit einer schärferen Trennung in der Competenz der verschiedenen Functionen der Staatsgewalt, in welcher er die hauptsächlichste Garantie der politischen Freiheit erblickt. — Die Uebertragung dieser luZtitutivus ok tluz goverumLut in die deutsche Sprache durch den Appcllationsgcrichtsrath Kühne ist so vollkommen, daß man f>,se ein Originalwerk in der Hand zu haben glaubt, und durch er¬ läuternde Anmerkungen und Verweisungen aus das gueisischc Werk hat die ^den für deutsche Leser noch einen besonderen Werth erhalten. Es kann des- )"ib dies Compendium als ein Bademccum allen Staatsmännern und solchen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/435>, abgerufen am 28.09.2024.