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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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zulassen." So wurde das Planchen zunächst vereitelt; zuletzt aber gelang es
dennoch.

Aus dem Reichstage von Peterkau im Jahre 1562 hörten die preußischen
Abgesandten die Erklärungen, Aufforderungen und Drohungen der polnischen
Reichsstände und Kcoubeamtcn schweigend an, gaben aber keine Gegenerklärungen
ab, sondern bestanden darauf, daß sie "ut den Reichsständen gar nichts zu
schaffen hätten, sondern nur mit dem Könige. Nachdem sie das ihm selbst vor¬
gestellt, verließen sie sämmtlich den Reichstag. In gleicher Weise verfuhren sie
im folgenden Jahre zu Warschau.

Endlich im Jahre 1569 auf dem Reichstage zu Ludim wurde der Wider¬
stand der preußische" Abgesandten dadurch gebrochen, daß der Cardinal Hosius,
Bischof von Ermland und Vorsitzender des Landesrathes, welcher zugleich als
Pole und eifriger Ultramonian (durch ihn wurden znerst die unheilvollen Jesuiten
nach Polen geführt) für das deutsche und überwiegend protestantische Preußen
kein Herz hatte, von der Vollmacht der preußischen Stände abwich, indem er
die Ernennung von Cvmnusscnien aus der Mitte der polnischen Senatoren be¬
antragte, welche in Gemeinschaft mit den preußischen Laudesräthen die Bedeu¬
tung der Landcsprivilegicn prüfen sollten. Weiter wollten die Polen nichts
haben; die'Commissarien wurden ernannt, die Prüfung vorgenommen, dem
Könige Bericht erstattet und von ihm dann das schon längst abgekartete "Decret"
erlassen, durch welches den pccnßischcn Räthe", mit Ausschluß der großen Städte
und Unterlämmerer, bei einer namhaften Strafe aufgegeben wurde, in der Mitte
der Kronscnatoren Platz zu nehmen, und den Abgeordneten des Adels, in die
polnische Landbotcnstude einzutreten. Die Rechte der kleinen Städte wurden
ganz übergangen, da sür diesen Stand ebenso wenig hier, wie für die großen
Städte .im Senat ein Platz vorhanden war. Die Verschmelzung von West-
preußen mit dem Gescnnmtreichc war dadurch eine abgemachte Sache; der preu¬
ßische Landtag verlor seine bisherige Bedeutung und sank zu einem Provinzial-
landtage wie der von Großpolcn oder Kleinpolen herab; die wichtigen Angelegen¬
heiten wurden nur auf dem polnischen Reichstage verhandelt und für Preußen
mit entschieden. '

Allerdings wäre noch nichts verloren gewesen, hätten die preußischen Stände
die Einigkeit bewahrt; aber die Lcmdcsräthe folgten dem Beispiele ihres Vor¬
sitzenden, des Bischofs von Ermland, obwohl zwei Paladine zum Schein ihre
Amtsentiassung forderten, auf die übrigen Mitglieder wurde keine weitere Rück¬
sicht genommen, ob sie gleich Protest einlegten. Der niedere Adel schickte denn
auch bald seine Landboten regelmäßig zum Reichstage und verschmolz völlig
mit dem polnischen Adel.

Das war die Entscheidung über Westpreußen auf dem Reichstag zu Ludim
im Jahre 1569. Die heutigen Polen aus Posen und Westpreußen werden


zulassen." So wurde das Planchen zunächst vereitelt; zuletzt aber gelang es
dennoch.

Aus dem Reichstage von Peterkau im Jahre 1562 hörten die preußischen
Abgesandten die Erklärungen, Aufforderungen und Drohungen der polnischen
Reichsstände und Kcoubeamtcn schweigend an, gaben aber keine Gegenerklärungen
ab, sondern bestanden darauf, daß sie »ut den Reichsständen gar nichts zu
schaffen hätten, sondern nur mit dem Könige. Nachdem sie das ihm selbst vor¬
gestellt, verließen sie sämmtlich den Reichstag. In gleicher Weise verfuhren sie
im folgenden Jahre zu Warschau.

Endlich im Jahre 1569 auf dem Reichstage zu Ludim wurde der Wider¬
stand der preußische» Abgesandten dadurch gebrochen, daß der Cardinal Hosius,
Bischof von Ermland und Vorsitzender des Landesrathes, welcher zugleich als
Pole und eifriger Ultramonian (durch ihn wurden znerst die unheilvollen Jesuiten
nach Polen geführt) für das deutsche und überwiegend protestantische Preußen
kein Herz hatte, von der Vollmacht der preußischen Stände abwich, indem er
die Ernennung von Cvmnusscnien aus der Mitte der polnischen Senatoren be¬
antragte, welche in Gemeinschaft mit den preußischen Laudesräthen die Bedeu¬
tung der Landcsprivilegicn prüfen sollten. Weiter wollten die Polen nichts
haben; die'Commissarien wurden ernannt, die Prüfung vorgenommen, dem
Könige Bericht erstattet und von ihm dann das schon längst abgekartete „Decret"
erlassen, durch welches den pccnßischcn Räthe», mit Ausschluß der großen Städte
und Unterlämmerer, bei einer namhaften Strafe aufgegeben wurde, in der Mitte
der Kronscnatoren Platz zu nehmen, und den Abgeordneten des Adels, in die
polnische Landbotcnstude einzutreten. Die Rechte der kleinen Städte wurden
ganz übergangen, da sür diesen Stand ebenso wenig hier, wie für die großen
Städte .im Senat ein Platz vorhanden war. Die Verschmelzung von West-
preußen mit dem Gescnnmtreichc war dadurch eine abgemachte Sache; der preu¬
ßische Landtag verlor seine bisherige Bedeutung und sank zu einem Provinzial-
landtage wie der von Großpolcn oder Kleinpolen herab; die wichtigen Angelegen¬
heiten wurden nur auf dem polnischen Reichstage verhandelt und für Preußen
mit entschieden. '

Allerdings wäre noch nichts verloren gewesen, hätten die preußischen Stände
die Einigkeit bewahrt; aber die Lcmdcsräthe folgten dem Beispiele ihres Vor¬
sitzenden, des Bischofs von Ermland, obwohl zwei Paladine zum Schein ihre
Amtsentiassung forderten, auf die übrigen Mitglieder wurde keine weitere Rück¬
sicht genommen, ob sie gleich Protest einlegten. Der niedere Adel schickte denn
auch bald seine Landboten regelmäßig zum Reichstage und verschmolz völlig
mit dem polnischen Adel.

Das war die Entscheidung über Westpreußen auf dem Reichstag zu Ludim
im Jahre 1569. Die heutigen Polen aus Posen und Westpreußen werden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/428>, abgerufen am 20.10.2024.