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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Erzen und Mineralien, deren Lagerstätten nahe am Ufer, aber nicht bequem zur
Abfahrt nach einem Bahnhöfe gelegen waren, sie verkümmerte immer mehr und
mit halben Maßnahmen, als Herabsetzung der Lahnzölle, Aufhebung der Zölle
für Frachten zu Berg, war ihr nicht mehr zu helfen. Vom 1. Juli 186V wurde
die Zollerhebung ganz aufgegeben, im letzte" Act der verschwundenen Negierung,
er wird wohl nicht mehr im Stande sein den Wasserverkehr zu beleben, bis
vielleicht bei reicherer Entwickelung des Verkehrs die Massentransporte derart
zunehmen. daß wieder eine Theilung zwischen Eisenbahn und Wasserstraße noth¬
wendig wird.

Die Eisenbahnlinie zwischen Obcrlahnstein und Nassau und ein Theil der
Lahncorrectur sind Werke eines und desselben Baumeisters. Zwischen dem Rheine
und Nassau liegen Curven, daß eine Fahrt mit schweren Zügen unmöglich, jedes
Fahren nur mit großen Materialverschlciß möglich und bereits ein totaler Um¬
bau dieser Strecke nothwendig geworden ist. Bei Nassau liegt die sogenannte
hvllcricher Schleuse, deren Kanal fast unerreichbar oder wenigstens bei gutem
Wasserstand nur mit Gefahr für Leben und Eigenthum erreicht werden kann
und dazu noch vou Zeit zu Zeit durch Einsturz der Seitenmauern gänzlich un¬
fahrbar wird, so daß dann einige Tage oder Wochen oft bei günstigsten Wasser¬
stand die ganze Schiffahrt gehemmt ist.

Auch an anderen Stellen des Flusses sind ähnliche, kleinere Hemmnisse
immer noch vorhanden und der alte büreaukratische Schlendrian und die unan¬
tastbare Weisheit der Negicrungstechuiter hatten es so weit gebracht, daß ein
bäuerlicher Abgeordneter einst in öffentlicher Sitzung der Stände des Herzog-
thums'der Negierung den Nath gab, künftig bei ihren Wasserbauten nicht blos
Techniker, sondern auch "Sachverständige" beizuziehen. Er meinte damit etwa,
die Techniker möchten wohl die Schleuse bauen können, daß sie aber auch brauchbar
sei, dafür könnten sie nicht einstehen, das wisse ein Schiffer besser zu beurtheilen
und der Mann hatte hier nicht so Unrecht.

Die Correcturen haben allerdings eigentlich nie ganz aufgehört, was anzu¬
erkennen ist, aber der Kleinstaat, der so viele Arbeitskräfte hatte und sich um
Details bekümmern konnte, litt so häufig Schiffbruch an dem Wollen oder den
Fähigkeiten der Beamten, die nach allen anderen Rücksichten eher als nach ihrer
Qualification gewählt wurden.

Im Anfange der 1860er Jahre wurden Beschwerden lant über eine der
Schiffahrt auf der Lahn sehr hinderliche Untiefe bei Staffel, einem Dorfe etwas
unterhalb der Bischofstadt Limburg. Durch Ausbaggerung des Flußbettes war
leicht Abhilfe gewährt, und sie sollte auch vorgenommen werden. Die Gemeinde
aber erhob Einsprache dagegen und verlangte als ihr Necht, daß an dieser
Stelle keine Aenderung des Flußbettes vorgenommen werde, weil sie daselbst
eine Fuhrt habe, deren sie bedürfe, um zur Feldbestellung u. s. w. in die jenseits


Erzen und Mineralien, deren Lagerstätten nahe am Ufer, aber nicht bequem zur
Abfahrt nach einem Bahnhöfe gelegen waren, sie verkümmerte immer mehr und
mit halben Maßnahmen, als Herabsetzung der Lahnzölle, Aufhebung der Zölle
für Frachten zu Berg, war ihr nicht mehr zu helfen. Vom 1. Juli 186V wurde
die Zollerhebung ganz aufgegeben, im letzte» Act der verschwundenen Negierung,
er wird wohl nicht mehr im Stande sein den Wasserverkehr zu beleben, bis
vielleicht bei reicherer Entwickelung des Verkehrs die Massentransporte derart
zunehmen. daß wieder eine Theilung zwischen Eisenbahn und Wasserstraße noth¬
wendig wird.

Die Eisenbahnlinie zwischen Obcrlahnstein und Nassau und ein Theil der
Lahncorrectur sind Werke eines und desselben Baumeisters. Zwischen dem Rheine
und Nassau liegen Curven, daß eine Fahrt mit schweren Zügen unmöglich, jedes
Fahren nur mit großen Materialverschlciß möglich und bereits ein totaler Um¬
bau dieser Strecke nothwendig geworden ist. Bei Nassau liegt die sogenannte
hvllcricher Schleuse, deren Kanal fast unerreichbar oder wenigstens bei gutem
Wasserstand nur mit Gefahr für Leben und Eigenthum erreicht werden kann
und dazu noch vou Zeit zu Zeit durch Einsturz der Seitenmauern gänzlich un¬
fahrbar wird, so daß dann einige Tage oder Wochen oft bei günstigsten Wasser¬
stand die ganze Schiffahrt gehemmt ist.

Auch an anderen Stellen des Flusses sind ähnliche, kleinere Hemmnisse
immer noch vorhanden und der alte büreaukratische Schlendrian und die unan¬
tastbare Weisheit der Negicrungstechuiter hatten es so weit gebracht, daß ein
bäuerlicher Abgeordneter einst in öffentlicher Sitzung der Stände des Herzog-
thums'der Negierung den Nath gab, künftig bei ihren Wasserbauten nicht blos
Techniker, sondern auch „Sachverständige" beizuziehen. Er meinte damit etwa,
die Techniker möchten wohl die Schleuse bauen können, daß sie aber auch brauchbar
sei, dafür könnten sie nicht einstehen, das wisse ein Schiffer besser zu beurtheilen
und der Mann hatte hier nicht so Unrecht.

Die Correcturen haben allerdings eigentlich nie ganz aufgehört, was anzu¬
erkennen ist, aber der Kleinstaat, der so viele Arbeitskräfte hatte und sich um
Details bekümmern konnte, litt so häufig Schiffbruch an dem Wollen oder den
Fähigkeiten der Beamten, die nach allen anderen Rücksichten eher als nach ihrer
Qualification gewählt wurden.

Im Anfange der 1860er Jahre wurden Beschwerden lant über eine der
Schiffahrt auf der Lahn sehr hinderliche Untiefe bei Staffel, einem Dorfe etwas
unterhalb der Bischofstadt Limburg. Durch Ausbaggerung des Flußbettes war
leicht Abhilfe gewährt, und sie sollte auch vorgenommen werden. Die Gemeinde
aber erhob Einsprache dagegen und verlangte als ihr Necht, daß an dieser
Stelle keine Aenderung des Flußbettes vorgenommen werde, weil sie daselbst
eine Fuhrt habe, deren sie bedürfe, um zur Feldbestellung u. s. w. in die jenseits


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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/422>, abgerufen am 27.09.2024.