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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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in Gemeinschaft mit Preußen entwerfen müssen. Aber es war die Zeit der
eisten ZollvereinSkrisis und Nassau versuchte einmal mit seinen süddeutschen
Bundesgenossen gegen die Stimme des ganzen Landes in östreichischen Inter¬
esse dieses einzige stattliche Werk deutscher Einheit zu zerstören.

Dieses Verhalten des kleinen Herzogthums Nassau ist oftmals geschildert
worden, es ist eine Ursache seines Unterganges gewesen, weil es auf einer Ver-
kennung seiner wirklichen Interessen beruhte. Die nächste Wirkung war, daß
große Eisenbahnprojecte darum nicht zu Stande kamen und solide Gesellschaften
konnten hin' kein Terrain für ihre Unternehmungen finden. Fremde Schwindler,
Abenteurer mit ausländischen Titeln und Orden hatten dagegen von jeher viel
Glück und viel Theilnahme gefunden, und so geschah es auch hier, daß eine
englisch-französische Gesellschaft, an deren Spitze nicht grade die solidesten Na¬
men standen, die Concession zum Bau einer Eisenbahn von Wiesbaden nach
Niederlahnstcin erhielt, d. h. bis zur Landesgrenze nördlich am Rhein. Die
Bahn konnte nicht existiren ohne den weiteren Anschluß auf preußischem Ge¬
biete. Der aber blieb aus, weil das souveräne Herzogthum in wirthschaftlichen
Dingen mit dein souveränen Königreich Preußen Krieg führte und in Folge
davon verlor die ohnedem nicht sehr kreditwürdige Gesellschaft ihren Credit/sie
konnte das angefangene Werk nicht vollenden trotz verschiedener Versuche, ihr
die Hilfe des Staats durch Zinsgarantie "ut garantirte Obligationen zuzu¬
wenden. Die Concessionsurkundc war Vom 23. Juni 183!) datirt gewesen und
am 14. October 1838 wurde dieselbe zurückgenommen. Der Staat hatte be¬
reits in drü Jahren 1836 und 1837, da die Bahn längs des Rheins noch
von der erwähnten Aktiengesellschaft gefördert wurde, und während er wegen
gleichzeitiger Uebertragung auch des Baus der Lahnbahn a" diese überall ver¬
rufene aber in Hofkreisen immer noch geschützte Gesellschaft unterhandelte, von
dem Rheine lahnaufwärts eine kleine Strecke Eisenbahn selbst gebaut. Zu¬
nächst nach Eins, um diesen weltberühmten Kurort mit dem Rheine wenigstens
in Verbindung zu bringen, dann etwas weiter bis Nassau, dem Geburtsorte
des Freiherrn von Stein.

Die Gesellschaft, die demnächst die ganze Lahnbahn von der Grenze bis
zur Mündung in den Rhein übernehmen sollte, würde nach der Absicht der Re¬
gierung die auf diese Bauten verwendeten Kosten zu ersetzen gehabt haben.
Die Gesellschaft aber, der man noch im Jahre 1837 eine hohe ^insengarantie
bewilligt und zugleich mit der Concession der Lahnbahn ein nicht zu verachten¬
des Geschenk gemacht hatte, wurde bereits 1838 officiell für bankrott erklärt,
und sie war es in der That lange schon. Immer noch ohne Verständigung
mit Preußen über die Anschlusse lahnaufwärts und lahnabwärts war der Staat
gezwungen, die begonnenen und unvollendeten Arbeiten zu übernehmen und
auf Staatskosten zu bauen. Die Stände hatten dazu nach langer Verhandlung


in Gemeinschaft mit Preußen entwerfen müssen. Aber es war die Zeit der
eisten ZollvereinSkrisis und Nassau versuchte einmal mit seinen süddeutschen
Bundesgenossen gegen die Stimme des ganzen Landes in östreichischen Inter¬
esse dieses einzige stattliche Werk deutscher Einheit zu zerstören.

Dieses Verhalten des kleinen Herzogthums Nassau ist oftmals geschildert
worden, es ist eine Ursache seines Unterganges gewesen, weil es auf einer Ver-
kennung seiner wirklichen Interessen beruhte. Die nächste Wirkung war, daß
große Eisenbahnprojecte darum nicht zu Stande kamen und solide Gesellschaften
konnten hin' kein Terrain für ihre Unternehmungen finden. Fremde Schwindler,
Abenteurer mit ausländischen Titeln und Orden hatten dagegen von jeher viel
Glück und viel Theilnahme gefunden, und so geschah es auch hier, daß eine
englisch-französische Gesellschaft, an deren Spitze nicht grade die solidesten Na¬
men standen, die Concession zum Bau einer Eisenbahn von Wiesbaden nach
Niederlahnstcin erhielt, d. h. bis zur Landesgrenze nördlich am Rhein. Die
Bahn konnte nicht existiren ohne den weiteren Anschluß auf preußischem Ge¬
biete. Der aber blieb aus, weil das souveräne Herzogthum in wirthschaftlichen
Dingen mit dein souveränen Königreich Preußen Krieg führte und in Folge
davon verlor die ohnedem nicht sehr kreditwürdige Gesellschaft ihren Credit/sie
konnte das angefangene Werk nicht vollenden trotz verschiedener Versuche, ihr
die Hilfe des Staats durch Zinsgarantie »ut garantirte Obligationen zuzu¬
wenden. Die Concessionsurkundc war Vom 23. Juni 183!) datirt gewesen und
am 14. October 1838 wurde dieselbe zurückgenommen. Der Staat hatte be¬
reits in drü Jahren 1836 und 1837, da die Bahn längs des Rheins noch
von der erwähnten Aktiengesellschaft gefördert wurde, und während er wegen
gleichzeitiger Uebertragung auch des Baus der Lahnbahn a» diese überall ver¬
rufene aber in Hofkreisen immer noch geschützte Gesellschaft unterhandelte, von
dem Rheine lahnaufwärts eine kleine Strecke Eisenbahn selbst gebaut. Zu¬
nächst nach Eins, um diesen weltberühmten Kurort mit dem Rheine wenigstens
in Verbindung zu bringen, dann etwas weiter bis Nassau, dem Geburtsorte
des Freiherrn von Stein.

Die Gesellschaft, die demnächst die ganze Lahnbahn von der Grenze bis
zur Mündung in den Rhein übernehmen sollte, würde nach der Absicht der Re¬
gierung die auf diese Bauten verwendeten Kosten zu ersetzen gehabt haben.
Die Gesellschaft aber, der man noch im Jahre 1837 eine hohe ^insengarantie
bewilligt und zugleich mit der Concession der Lahnbahn ein nicht zu verachten¬
des Geschenk gemacht hatte, wurde bereits 1838 officiell für bankrott erklärt,
und sie war es in der That lange schon. Immer noch ohne Verständigung
mit Preußen über die Anschlusse lahnaufwärts und lahnabwärts war der Staat
gezwungen, die begonnenen und unvollendeten Arbeiten zu übernehmen und
auf Staatskosten zu bauen. Die Stände hatten dazu nach langer Verhandlung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/420>, abgerufen am 23.12.2024.