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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Zu Ende des Jahres 1858 betra.l'tete die nassauische Regierung die Lahn-
rcgulirung als vollendet, sie hob von nun an den vollen Zoll auf der in ihrem
Gebiete liegenden Strecke. Man hatte auch bereits im Jahre 1835 die allzu
eng gerathene Schleuse bei Limburg in Uebereinstimmung mit der Convention
vom 16. October 1844 über SchiffbarmaHung der Lahn gebracht, man hatte
erst versucht, die Schleuse durch Abkippen (Abhauen) der Seitenwände weiter
zu machen, aber das harte Gestein (ein Marmor) ließ diese Arbeit kaum vorschreiten.
Man mußte sich zum völligen Umbau entschließen und forderte dafür von den
Ständen eine Summe von circa 50,000 si. Bei ihrer Bewilligung war
noch nicht einmal die Rede davon, woher solche absonderliche Erscheinungen
kämen, daß Bauten der Art fünfzehn Jahre nach der Ingebrauchnahme total
abgelegt werden müßten. Die Negierung hätte sich eine Landesvertretung
nach ihrem Sinn durch Octroyirung geschaffen, die liberale Partei hatte sich
der Wahlen enthalten. Das Publicum freilich erlaubte sich allerlei Aeußerungen
über den geschickten Rcgierungsbanmeister; man trug sich mit allerlei Spöttereien
und Witzen und es wurde vorgeschlagen, den Mann mit. einer hohen Rente zu
entschädigen, wenn er das Versprechen geben wollte, nicht mehr zu bauen.

Die ganze der Regicrungsbehauptnng nach vollendete Lahnregulirung war
trotzdem nicht gerathen, es fanden sich immer noch gefährliche Stellen im Flu߬
bett, der Leinpfad war an vielen Stellen noch nicht fertig gestellt, eine der
Lahnschleuseu so verkehrt angelegt, daß die Einfahrt in den Obergraben stets
für Menschen und Schiff gefährlich blieb, niemals war das erreicht worden,
was der Vertrag von 1844 als Minimum in Aussicht gestellt hatte, von dem
weiter in dem genannten Vertrag angedeuteten Ziele einer gleichmäßige" Wasser-
tiefe von 3 Fuß war nie mehr die Rede. . Und noch vor der Zeit, daß die
Lahn als schiffbar in dem Sinne betrachtet werden konnte, wie sie es heute in
Wirklichkeit noch ist, war ihre Bedeutung zum große" Theile geschwunden.

Bereits im Jahre 1851 hatte man große Eisenbahnprojecte in Negierungs-
kreisen entgegengenommen. Seit im Jahre 1838 die Taunusbahn von Frank¬
furt a. M. über Mainz nach Wiesbaden concessionirt und in den Jahren 1839
und 1840 zur Ausführung gekommen war, schien in dieser Richtung ein Still¬
stand eingetreten zu sein. Ein 1845 concessiouirtes Unternehmen einer Bahn
von Wiesbaden resp. Biebrich nach Rüdesheim ging an innerer UnHaltbarkeit
unter, eine kleine Zweigbahn der Taunusbahn, die Se,cake Höchst-Soden, ist
ohne Bedeutung gewesen und geblieben. Im Jahre 1851 aber tauchten Eisen-
bahnprojecte auf, die geeignet schienen, dem Herzogthum ein vollständiges System
von Schienenstraßen zu geben und in der Zeit der großen Actien- und Credit-
schwindcleicn, die dem 2. December folgte", fand sich wohl das Capital zu
solchen Unternehmungen. Da aber Dreivicrtheile des Herzogthums von preu-
ßischen Landen umschlossen waren, so hätte man selbstverständlich solche Pläne


Zu Ende des Jahres 1858 betra.l'tete die nassauische Regierung die Lahn-
rcgulirung als vollendet, sie hob von nun an den vollen Zoll auf der in ihrem
Gebiete liegenden Strecke. Man hatte auch bereits im Jahre 1835 die allzu
eng gerathene Schleuse bei Limburg in Uebereinstimmung mit der Convention
vom 16. October 1844 über SchiffbarmaHung der Lahn gebracht, man hatte
erst versucht, die Schleuse durch Abkippen (Abhauen) der Seitenwände weiter
zu machen, aber das harte Gestein (ein Marmor) ließ diese Arbeit kaum vorschreiten.
Man mußte sich zum völligen Umbau entschließen und forderte dafür von den
Ständen eine Summe von circa 50,000 si. Bei ihrer Bewilligung war
noch nicht einmal die Rede davon, woher solche absonderliche Erscheinungen
kämen, daß Bauten der Art fünfzehn Jahre nach der Ingebrauchnahme total
abgelegt werden müßten. Die Negierung hätte sich eine Landesvertretung
nach ihrem Sinn durch Octroyirung geschaffen, die liberale Partei hatte sich
der Wahlen enthalten. Das Publicum freilich erlaubte sich allerlei Aeußerungen
über den geschickten Rcgierungsbanmeister; man trug sich mit allerlei Spöttereien
und Witzen und es wurde vorgeschlagen, den Mann mit. einer hohen Rente zu
entschädigen, wenn er das Versprechen geben wollte, nicht mehr zu bauen.

Die ganze der Regicrungsbehauptnng nach vollendete Lahnregulirung war
trotzdem nicht gerathen, es fanden sich immer noch gefährliche Stellen im Flu߬
bett, der Leinpfad war an vielen Stellen noch nicht fertig gestellt, eine der
Lahnschleuseu so verkehrt angelegt, daß die Einfahrt in den Obergraben stets
für Menschen und Schiff gefährlich blieb, niemals war das erreicht worden,
was der Vertrag von 1844 als Minimum in Aussicht gestellt hatte, von dem
weiter in dem genannten Vertrag angedeuteten Ziele einer gleichmäßige» Wasser-
tiefe von 3 Fuß war nie mehr die Rede. . Und noch vor der Zeit, daß die
Lahn als schiffbar in dem Sinne betrachtet werden konnte, wie sie es heute in
Wirklichkeit noch ist, war ihre Bedeutung zum große» Theile geschwunden.

Bereits im Jahre 1851 hatte man große Eisenbahnprojecte in Negierungs-
kreisen entgegengenommen. Seit im Jahre 1838 die Taunusbahn von Frank¬
furt a. M. über Mainz nach Wiesbaden concessionirt und in den Jahren 1839
und 1840 zur Ausführung gekommen war, schien in dieser Richtung ein Still¬
stand eingetreten zu sein. Ein 1845 concessiouirtes Unternehmen einer Bahn
von Wiesbaden resp. Biebrich nach Rüdesheim ging an innerer UnHaltbarkeit
unter, eine kleine Zweigbahn der Taunusbahn, die Se,cake Höchst-Soden, ist
ohne Bedeutung gewesen und geblieben. Im Jahre 1851 aber tauchten Eisen-
bahnprojecte auf, die geeignet schienen, dem Herzogthum ein vollständiges System
von Schienenstraßen zu geben und in der Zeit der großen Actien- und Credit-
schwindcleicn, die dem 2. December folgte», fand sich wohl das Capital zu
solchen Unternehmungen. Da aber Dreivicrtheile des Herzogthums von preu-
ßischen Landen umschlossen waren, so hätte man selbstverständlich solche Pläne


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[0419] Zu Ende des Jahres 1858 betra.l'tete die nassauische Regierung die Lahn- rcgulirung als vollendet, sie hob von nun an den vollen Zoll auf der in ihrem Gebiete liegenden Strecke. Man hatte auch bereits im Jahre 1835 die allzu eng gerathene Schleuse bei Limburg in Uebereinstimmung mit der Convention vom 16. October 1844 über SchiffbarmaHung der Lahn gebracht, man hatte erst versucht, die Schleuse durch Abkippen (Abhauen) der Seitenwände weiter zu machen, aber das harte Gestein (ein Marmor) ließ diese Arbeit kaum vorschreiten. Man mußte sich zum völligen Umbau entschließen und forderte dafür von den Ständen eine Summe von circa 50,000 si. Bei ihrer Bewilligung war noch nicht einmal die Rede davon, woher solche absonderliche Erscheinungen kämen, daß Bauten der Art fünfzehn Jahre nach der Ingebrauchnahme total abgelegt werden müßten. Die Negierung hätte sich eine Landesvertretung nach ihrem Sinn durch Octroyirung geschaffen, die liberale Partei hatte sich der Wahlen enthalten. Das Publicum freilich erlaubte sich allerlei Aeußerungen über den geschickten Rcgierungsbanmeister; man trug sich mit allerlei Spöttereien und Witzen und es wurde vorgeschlagen, den Mann mit. einer hohen Rente zu entschädigen, wenn er das Versprechen geben wollte, nicht mehr zu bauen. Die ganze der Regicrungsbehauptnng nach vollendete Lahnregulirung war trotzdem nicht gerathen, es fanden sich immer noch gefährliche Stellen im Flu߬ bett, der Leinpfad war an vielen Stellen noch nicht fertig gestellt, eine der Lahnschleuseu so verkehrt angelegt, daß die Einfahrt in den Obergraben stets für Menschen und Schiff gefährlich blieb, niemals war das erreicht worden, was der Vertrag von 1844 als Minimum in Aussicht gestellt hatte, von dem weiter in dem genannten Vertrag angedeuteten Ziele einer gleichmäßige» Wasser- tiefe von 3 Fuß war nie mehr die Rede. . Und noch vor der Zeit, daß die Lahn als schiffbar in dem Sinne betrachtet werden konnte, wie sie es heute in Wirklichkeit noch ist, war ihre Bedeutung zum große» Theile geschwunden. Bereits im Jahre 1851 hatte man große Eisenbahnprojecte in Negierungs- kreisen entgegengenommen. Seit im Jahre 1838 die Taunusbahn von Frank¬ furt a. M. über Mainz nach Wiesbaden concessionirt und in den Jahren 1839 und 1840 zur Ausführung gekommen war, schien in dieser Richtung ein Still¬ stand eingetreten zu sein. Ein 1845 concessiouirtes Unternehmen einer Bahn von Wiesbaden resp. Biebrich nach Rüdesheim ging an innerer UnHaltbarkeit unter, eine kleine Zweigbahn der Taunusbahn, die Se,cake Höchst-Soden, ist ohne Bedeutung gewesen und geblieben. Im Jahre 1851 aber tauchten Eisen- bahnprojecte auf, die geeignet schienen, dem Herzogthum ein vollständiges System von Schienenstraßen zu geben und in der Zeit der großen Actien- und Credit- schwindcleicn, die dem 2. December folgte», fand sich wohl das Capital zu solchen Unternehmungen. Da aber Dreivicrtheile des Herzogthums von preu- ßischen Landen umschlossen waren, so hätte man selbstverständlich solche Pläne

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/419>, abgerufen am 22.12.2024.