Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.oder daß sie einseitig ausführte, was sie nachträglich vom Parlament geneh¬ Italien bedarf einer starken und stetigen Regierung, denn nur die Zuver¬ Freilich stellt die gegenwärtige Lage auch an die Regierung selbst unge¬ Ob die Wähler die Nothwendigkeiten des Staats begreifen werden, ob oder daß sie einseitig ausführte, was sie nachträglich vom Parlament geneh¬ Italien bedarf einer starken und stetigen Regierung, denn nur die Zuver¬ Freilich stellt die gegenwärtige Lage auch an die Regierung selbst unge¬ Ob die Wähler die Nothwendigkeiten des Staats begreifen werden, ob <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0381" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190540"/> <p xml:id="ID_1269" prev="#ID_1268"> oder daß sie einseitig ausführte, was sie nachträglich vom Parlament geneh¬<lb/> migen ließ. Ja man hat bemerkt: was das Parlament selbst sertig brachte,<lb/> kam gewöhnlich durch irgendeine äußere Nöthigung. sei es die Hundstagshitze<lb/> des Sommers oder ein bevorstehender Krieg, zu Stande. Es wird schlimm um<lb/> das Ansehen des constitutionellen Princips stehen, wenn weiter Kreise sich der<lb/> Verdacht bemächtigen sollte, daß der parlamentarische Apparat vielmehr ein<lb/> Hinderniß, anstatt ein Mittel für die Consolidirung des Staats sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_1270"> Italien bedarf einer starken und stetigen Regierung, denn nur die Zuver¬<lb/> sicht in den regelmäßigen Gang der Staatseinrichtungen erzeugt Credit.<lb/> Activität, Unternehmungslust. Italien ist der unfruchtbaren Discussionen, der<lb/> Schwäche der Negierung. des beständigen Wechsels von Personen und Programmen<lb/> müde — kein Wort ist zu viel, das Ricasoli darüber in seinem vortrefflichen<lb/> Rundschreiben gesagt hat. Daraus folgt, daß die Kammer so zusammengesetzt<lb/> sein muß, um eine starke Regierung möglich zu machen, sie zu tragen, zu unter¬<lb/> stützen, nicht sie zu hemmen und zu schwächen; es muß eine feste compacte<lb/> Mehrheit vorhanden sein, welche die Regierung als ihr natürliches Centrum<lb/> betrachtet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1271"> Freilich stellt die gegenwärtige Lage auch an die Regierung selbst unge¬<lb/> wöhnliche Anforderungen, und es wäre gar nie zu jener Zersplitterung des<lb/> Parteiwesens gekommen, wenn die gebietende Autorität eines Cavour noch vor¬<lb/> handen wäre. Nun sie aber fehlt, ist es um so mehr die Pflicht des Parlaments<lb/> oder der Partei, durch ihr Collcctivgewicht zu ergänzen, was dem Einzelnen ver¬<lb/> sagt ist, durch Disciplin den Genius zu ersetzen, und zum Glück bedürfen die<lb/> jetzigen Aufgaben Italiens weniger des Genius als ehrlichen guten Willens.<lb/> Daß aber bei der kleinen Auswahl verfügbarer Talente Ricasoli derjenige Mann<lb/> ist, der durch unbeugsame Geradheit und Unabhängigkeit des Charakters noch<lb/> am meisten Autorität genießt, darüber ist nur eine Stimme. Darin liegt die<lb/> Berechtigung der Krone, ihn gegen die Kammer zu halten, darin die Verpflich¬<lb/> tung für Ricasoli seinerseits, auf die berechtigten Motive der Opposition Rück¬<lb/> sicht zu nehmen. Er hat es gethan, indem er diejenigen Minister entfernte, die<lb/> unmittelbar für das Kirchengesetz verantwortlich waren, und eine Umänderung<lb/> des Entwurfs zusagte. Aber schwerlich wird er von den Grundlagen des Ge¬<lb/> setzes abweichen: er wird das Princip der Freiheit der Kirche aufrecht erhalten,<lb/> ^le er auf irgendeinem Plane beharren muß, dem Staatsschatz mindestens<lb/> ^00 Millionen aus dem Kirchengut zu sichern. Er ist das Eine ebenso den<lb/> Staatsfinanzen schuldig, wie das Andere der römischen Frage, die nun einmal<lb/> nur mittelst Durchführung des Princips der Freiheit ihrer Lösung entgegengeführt<lb/> Werden kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1272" next="#ID_1273"> Ob die Wähler die Nothwendigkeiten des Staats begreifen werden, ob<lb/> sie Männer schicken, welche die Aera dilettantischen Experimentnens definitiv</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0381]
oder daß sie einseitig ausführte, was sie nachträglich vom Parlament geneh¬
migen ließ. Ja man hat bemerkt: was das Parlament selbst sertig brachte,
kam gewöhnlich durch irgendeine äußere Nöthigung. sei es die Hundstagshitze
des Sommers oder ein bevorstehender Krieg, zu Stande. Es wird schlimm um
das Ansehen des constitutionellen Princips stehen, wenn weiter Kreise sich der
Verdacht bemächtigen sollte, daß der parlamentarische Apparat vielmehr ein
Hinderniß, anstatt ein Mittel für die Consolidirung des Staats sei.
Italien bedarf einer starken und stetigen Regierung, denn nur die Zuver¬
sicht in den regelmäßigen Gang der Staatseinrichtungen erzeugt Credit.
Activität, Unternehmungslust. Italien ist der unfruchtbaren Discussionen, der
Schwäche der Negierung. des beständigen Wechsels von Personen und Programmen
müde — kein Wort ist zu viel, das Ricasoli darüber in seinem vortrefflichen
Rundschreiben gesagt hat. Daraus folgt, daß die Kammer so zusammengesetzt
sein muß, um eine starke Regierung möglich zu machen, sie zu tragen, zu unter¬
stützen, nicht sie zu hemmen und zu schwächen; es muß eine feste compacte
Mehrheit vorhanden sein, welche die Regierung als ihr natürliches Centrum
betrachtet.
Freilich stellt die gegenwärtige Lage auch an die Regierung selbst unge¬
wöhnliche Anforderungen, und es wäre gar nie zu jener Zersplitterung des
Parteiwesens gekommen, wenn die gebietende Autorität eines Cavour noch vor¬
handen wäre. Nun sie aber fehlt, ist es um so mehr die Pflicht des Parlaments
oder der Partei, durch ihr Collcctivgewicht zu ergänzen, was dem Einzelnen ver¬
sagt ist, durch Disciplin den Genius zu ersetzen, und zum Glück bedürfen die
jetzigen Aufgaben Italiens weniger des Genius als ehrlichen guten Willens.
Daß aber bei der kleinen Auswahl verfügbarer Talente Ricasoli derjenige Mann
ist, der durch unbeugsame Geradheit und Unabhängigkeit des Charakters noch
am meisten Autorität genießt, darüber ist nur eine Stimme. Darin liegt die
Berechtigung der Krone, ihn gegen die Kammer zu halten, darin die Verpflich¬
tung für Ricasoli seinerseits, auf die berechtigten Motive der Opposition Rück¬
sicht zu nehmen. Er hat es gethan, indem er diejenigen Minister entfernte, die
unmittelbar für das Kirchengesetz verantwortlich waren, und eine Umänderung
des Entwurfs zusagte. Aber schwerlich wird er von den Grundlagen des Ge¬
setzes abweichen: er wird das Princip der Freiheit der Kirche aufrecht erhalten,
^le er auf irgendeinem Plane beharren muß, dem Staatsschatz mindestens
^00 Millionen aus dem Kirchengut zu sichern. Er ist das Eine ebenso den
Staatsfinanzen schuldig, wie das Andere der römischen Frage, die nun einmal
nur mittelst Durchführung des Princips der Freiheit ihrer Lösung entgegengeführt
Werden kann.
Ob die Wähler die Nothwendigkeiten des Staats begreifen werden, ob
sie Männer schicken, welche die Aera dilettantischen Experimentnens definitiv
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